SPIEGEL ONLINE - 16. Dezember 2005, 08:12
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Anti-Terror-Kampf
 
Schäuble will Foltergeständnisse nutzen

Innenminister Wolfgang Schäuble will "gefährliche Personen" vor Gericht stellen und im Anti-Terror-Kampf auch Informationen nutzen, die durch Folter erpresst worden sind. Nur selber foltern sollten deutsche Sicherheitsbehörden auf keinen Fall.

Berlin/München - Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) rechtfertigte im Zusammenhang mit der Debatte um geheime CIA-Flüge und Vernehmungen in US-Militärgefängnissen Verhöre von Gefangenen, bei denen Folterungen nicht ausgeschlossen werden können. Der "Stuttgarter Zeitung" sagte Schäuble: "Wenn wir sagen würden, Informationen, bei denen wir nicht sicher sein können, dass sie unter vollkommen rechtsstaatlichen Bedingungen zu erlangen waren, nutzen wir unter keinen Umständen - das wäre völlig unverantwortlich. Wir müssen solche Informationen nutzen."

Innenminister Schäuble: "Nicht augenzwinkernd erwarten, dass gefoltert wird"
DPA
Innenminister Schäuble: "Nicht augenzwinkernd erwarten, dass gefoltert wird"
Der Innenminister betonte jedoch, für deutsche Sicherheitsbehörden gebe es klare rechtsstaatliche Grenzen: Sie dürften nicht an Folter beteiligt sein "und auch nicht sozusagen augenzwinkernd erwarten, dass gefoltert wird", um an Aussagen von Terrorverdächtigen zu gelangen.

Schäuble rechtfertigte erneut die Befragung des Islamisten Mohammed Zammar durch Beamte des Bundeskriminalamts in einem syrischen Gefängnis, in dem unter Umständen auch gefoltert wird. "Ein paar Monate Haft haben schon manchen bewegt auszupacken", sagte der Minister, "damit arbeitet die deutsche Strafverfolgung doch auch." Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Zammar gefoltert wurde. Zammar habe dem BKA gesagt, er sei geschlagen worden, jedoch nicht in Syrien, sondern "im Libanon oder irgendwo sonst, wo er vorher gewesen ist, und nicht im Zusammenhang mit der Vernehmung".

"Die große Mehrheit der Bevölkerung will im Zweifel, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen und sie vor Anschlägen schützen", sagte Schäuble weiter. Allerdings müssten die politisch Verantwortlichen, "darauf achten, da nicht hemmungslos zu werden". Schäuble wies Kritik an bedenklichen Haftbedingungen im syrischen Gefängnis Zammars und den Vorwurf einer zweitklassigen Betreuung eingebürgerter Deutscher durch deutsche Behörden zurück. "Da können Sie auch Maier, da müssen Sie nicht Zammar heißen. Dann werden Sie auch nicht im Hotelzimmer mit Whirlpool untergebracht", sagte der CDU-Politiker.

"Gefährliche Personen" vor Gericht stellen

In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" kündigte Schäuble an, zur Bekämpfung des Terrorismus das Strafrecht verschärfen zu wollen. Er wolle "gefährliche Personen", denen man bisher eine Straftat nicht nachweisen könne, vor Gericht stellen lassen, sagte Schäuble dem Blatt. Hierzu solle das "Absolvieren einer Ausbildung in einem Terroristenlager in Afghanistan oder sonst wo" künftig strafbar sein.


Die Pläne Schäubles zur Verschärfung des Strafrechts laufen der Zeitung zufolge darauf hinaus, die von seinem Vorgänger Otto Schily (SPD) geplante, umstrittene vorbeugende Sicherungshaft nun als Strafhaft auszugestalten. Die vorbeugende Haft war in den Koalitionsverhandlungen verworfen worden.

Seit dem sogenannten Schily-Sicherheitspaket aus dem Jahr 2002 ist auch die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung strafbar. Künftig sollen auch Verhaltensweisen bestraft werden können, die unterhalb der Schwelle einer solchen Mitgliedschaft liegen.

Bundeswehreinsatz im Innern

Schäuble kündigte außerdem eine Grundgesetzänderung noch vor der Fußball-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in Deutschland an, die den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ermöglichen soll. In den Koalitionsverhandlungen war dieses Thema bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über das Luftsicherheitsgesetz zurückgestellt worden - dieses Urteil wird für Februar 2006 erwartet.

Schäuble will während der WM im Juni und Juli 2006 zur Entlastung der Polizei den Schutz wichtiger Objekte von der Bundeswehr erledigen lassen. Soldaten sollen dann Stadien, Flughäfen und Mannschaftsquartiere bewachen.
 

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