SPIEGEL ONLINE - 15. März 2006, 16:27
URL: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,406159,00.html

Fußball-Wettskandal
 
"Ein Deutscher dürfte das nicht nötig haben"

Das ARD-Magazin "Plusminus" berichtet, dass ein Nationalspieler in den neuen Skandal um Manipulationen im Fußball verwickelt sein soll. Völlig unklar ist, wie - und ob es ein deutscher Profi ist. Experten äußern starke Zweifel.

Hamburg - "Also, ich kann es mir nicht vorstellen", sagte Franz Beckenbauer, der Chef des WM-Organisationskomitees. "Es wird natürlich um die Welt gehen", sagte Beckenbauer, "und es ist natürlich für unsere Organisation nicht gerade förderlich." Beckenbauer ist glaubt aber nicht, dass es sich um einen deutscher Nationalspielen handelt. Denn ein solcher Profi müsste eigentlich genug Geld verdienen, "um auf solche Wett-Abenteuer zu verzichten".


Video abspielen...Großen Videoplayer öffnen...(Flash Player 8 erforderlich)
 
Foto: Reuters
"Plusminus" hatte unter Berufung auf einen Informanten berichtet, mehrere Bundesligaspieler arbeiteten mit der Wettmafia zusammen, darunter ein Nationalspieler. "Ich war persönlich bei so einem Gespräch dabei. Da hat ein Bundesligaspieler gesagt: 'Wir werden morgen verlieren'. Und dann hat er noch selber 10.000 Euro gegen seine eigene Mannschaft gesetzt", wird der Informant auf der Internetseite der ARD zitiert.

Auch Ulf Baranowsky, Sprecher der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV), hält es für unwahrscheinlich, dass ein Akteur aus dem Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Wettbetrügereien verwickelt ist. "Ein Deutscher dürfte es nicht nötig haben", sagte Baranowsky zu SPIEGEL ONLINE und verwies auf die sehr guten Gehälter von Bundesliga- und Auswahlspielern.

Diese Argumentation klingt schlüssig, denn ein gestandener deutscher Nationalspieler dürfte als Jungmillionär eingestuft werden. Ihn zu einem Betrug zu überreden, dürfte deutlich mehr kosten als 40.000 Euro, mit denen im November 2005 der Regionalligaspieler Ousseynou Dione (1. FC Eschborn) geködert werden sollte, ein Spiel seiner Mannschaft negativ zu beeinflussen. Der Senegalese hatte dieses Angebot abgelehnt und den Anwerbeversuch seiner Vereinsführung mitgeteilt. Eschborn hatte daraufhin den DFB informiert und damit die Ermittlungen in diesem Wettskandal ins Rollen gebracht.

Wegen der neuen Verwicklungen hat die DFB-Direktion Recht heute Kontakt zur Staatsanwaltschaft München aufgenommen.
DFB-Chefjustiziar Goetz Eilers hat dabei Informationsaustausch hinsichtlich konkreter Hinweise verabredet, teil der DFB mit. DFB und Deutsche Fußball-Liga stünden in ständigem Kontakt mit den Behörden und würden vorerst keine weiteren Stellungnahmen in dieser Angelegenheit abgeben, um die laufenden Ermittlungen nicht zu stören, heißt es in der DFB-Stellungnahme.

Seit wenigen Tagen sitzen die vier mutmaßlichen Drahtzieher der Wettschiebereien in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt bei Darmstadt: Laut "Stern" sollen die Spuren auch in die Spielbankszene führen. Das Magazin berichtet, dass der 45-jährige William Bee Wah L. aus Bad Dürkheim Kontaktmann einer internationalen Organisation gewesen sein soll. Angeblich sollen die Drahtzieher Fußballspieler und Trainer durch Zahlungen von 5000 bis 15.000 Euro veranlasst haben, Spiele in europäischen Ligen zu manipulieren, um bei Internetwetten hohe Gewinne zu erzielen.
In der Bad Dürkheimer Wohnung des Mannes, der am 6. März in Mannheim festgenommen worden war, seien, so der "Stern", bei einer Durchsuchung 50.000 Euro Bargeld und Spielbank-Jetons im Wert von 150.000 Euro gefunden worden. Die Ermittler des hessischen Landeskriminalamtes gehen auch dem Verdacht der Geldwäsche nach.

Die Polizei hatte vier mutmaßliche Drahtzieher unter dem Verdacht des "gewerbs- und bandenmäßigen Betruges" festgenommen. Es handelt sich um den in Beirut geborenen Sayed G. aus Bad Dürkheim, den Serben Dragan A. aus Speyer sowie den Malayen William L. und den Polen Michael S.. Die Beschuldigten sollen übers Internet Kombinationswetten in Asien platziert haben, vorzugsweise auf genaue Spielstände zur Halbzeit. Die Ermittlungen werden bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft vom Dezernat für organisierte Kriminalität geführt.

sge/dpa/sid
 

© SPIEGEL ONLINE 2006
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH



Zum Thema:

Zum Thema in SPIEGEL ONLINE:   
· Fußball-Wettskandal: Nationalspieler gerät unter Verdacht (15.03.2006)
http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,406072,00.html
· Wettskandal: Die Spur führt in den Südwesten (10.03.2006)
http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,405317,00.html
· Fußball-Wettskandal: Zwischen Bayreuth und Siegen (11.03.2006)
http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,405538,00.html
· Fußball-Wettskandal: Hausdurchsuchung bei Bayreuther Spieler (13.03.2006)
http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,405752,00.html
· Kommentatoren-Streit: Beckmann steht im Finale (15.03.2006)
http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,406122,00.html
· WM-Land Costa Rica: Träume aus der Konservendose (15.03.2006)
http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,402522,00.html