Trauriges LŠcheln

 

Er spielt Musik fŸr Studenten in hohen Semestern – oder fŸr KŸken, die neu sind an der Uni und sensible MŠnner zu schŠtzen wissen. Tom Liwa, der Softie-Poet, kommt mit seinem ersten Soloalbum ãSt. AmourÒ auf Tour.

 

mw: Tom, du hast eine Wette verloren.

Tom Liwa: Wieso?

mw: An einer Stelle singst du ã†ber manche Dinge spricht man nicht/ Ich wette, Alan Bangs wei§ das.Ò

Liwa:  Alan Bangs wei§ es nicht?

mw: Ich habe ihn gefragt, und er wei§ nicht, auf welchen konkreten Anlass sich das bezieht.

Liwa: Kein Anlass. Ich schŠtze Alan Bangs einfach nach all den Jahren noch fŸr die Bedeutung, die seine Sendung ãNight FlightÒ fŸr mich hatte. Manchmal habe ich ihn als Orakel eingesetzt – zum Beispiel fŸr die Frage: Lohnt es sich, nachts um eins noch rauszugehen oder nicht? Alan Bangs hat sogar mal ein StŸck von mir gespielt. Ich habe geschlafen und bin aufgewacht davon. Im ersten Moment habe ich gedacht, es wŠre Neil Young. Es war aber nicht Neil Young, sondern ich selbst. Das war fŸr mich ein total gro§artiger Moment. Da wurde fŸr mich ein Traum wahr: Alan Bangs spielt mich!

mw: Mir fallen einige Dylan-BezŸge auf in deinen Songs. Sind das bewusste Zitate?

Liwa: Das sind aufgesaugte Bilder, Ÿber die ich genauso verfŸgen kann wie Ÿber GesprŠche, die ich gefŸhrt habe.

mw: Wenn ich dein Album mit einem einzigen Gesichtsausdruck vergleichen mŸsste, wŸrde ich sagen: ãtrauriges LŠchelnÒ.

Liwa: Ich hŠtte gesagt: ein lakonisches LŠcheln.

mw: Du reflektierst melancholisch Ÿber GefŸhle und Beziehungen. Sehr viel Nachsicht und VerstŠndnis steckt darin, niemals Aggressionen.

Liwa: Ich bemŸhe mich, sie zu kompensieren, sie in kreative Energie zu verwandeln. Ich wŸrde mich als moralischen KŸnstler definieren; ich denke hermeneutisch darŸber nach, welche Haltung in meinen Songs prŠsent ist. Aggression halte ich an mir selber fŸr keine wŸnschenswerte Position. Wenn du es schaffst, sie zu kontrollieren, entsteht aus diesem Erfolg eine Euphorie, die mindestens genauso viel wert ist wie das GefŸhl, irgendwas zersŠgt zu haben.

mw: Als du vor einiger Zeit in Berlin aufgetreten bist, war das Publikum unaufmerksam und laut. Wie hast du damals reagiert?

Liwa: Mir gefallen Entgleisungen vor Publikum auch nicht immer. Das ist eine Gratwanderung. Einerseits will ich auf der BŸhne persšnlich prŠsent sein – also nicht nur die Kunstfigur Tom Liwa, sondern auch als Person, die auf das Publikum reagiert. Es gab schon Situationen, wo ich Leute richtig Ÿbel angeranzt habe. Aber ich habe bisher jedes Konzert zu Ende gespielt.

mw: Als wir dich in der Redaktion einstufen wollten, was Musikjournalisten ja immer tun mŸssen, damit sie sich in der Welt zurechtfinden, haben wir schlie§lich eine Schublade aufgezogen, die genau zwischen Sven Regener und Tilman Rossmy liegt. Nachvollziehbar?

Liwa: Ich schŠtze beide, sehe aber, dass sie an anderen Dingen arbeiten als ich.

mw: Deine Texte sind auf kunstvolle Art unpoetisch: Alltagssprache als lyrische Basis.

Liwa: Ich will ja treffen, berŸhren. Und zwar so wie echte Kommunikation. DafŸr ist es unabdinglich, mich nicht eine Ebene hšher zu stellen, nicht mit zu vielen Metaphern zu arbeiten – sondern auf AuthentizitŠt zu setzen. Zu jedem Song gibt es vorher seitenlange Manuskripte. Die eigentliche Arbeit ist das Filtern, Sortieren, Montieren. Was dazu fŸhrt, dass Sachen aus ganz verschiedenen Phasen in einen Song rutschen – zumal das Leben zyklisch verlŠuft und sich bestimmte Aussagen immer wieder decken.

mw: Du hast eine Frau, ein Kind. Wirkt sich dieses Zurruhekommen auf deine KreativitŠt aus?

Liwa: Ich empfinde es als durchaus angenehme Begleiterscheinung des €lterwerdens. Heutzutage geht ja, zumindest bei MŠnnern, die PubertŠt von 10 bis 35.

mw: Mindestens É

Liwa: Mindestens. Und es ist schšn, irgendwann die Kurve zu kriegen und doch noch erwachsen zu werden. Jugend, dieses stŠndige Jagen, determiniert die Themen. Meine momentane Ruhe und das private GlŸck sind in dieser Hinsicht eine sehr gro§e Befreiung. Meine Themenwahl ist viel freier, ich kann viel strategischer Ÿberlegen. Du hast ja auch den Paradigmenwechsel mitgekriegt: Viele Feinde, mit denen wir aufgewachsen sind, sind als Feinde nicht mehr so deutlich zu erkennen – weil wir in einer Welt leben, in der Form und Inhalt sich vermischen. Noch ist ein Bild von einem Baum nicht das Gleiche wie ein Baum, aber in der Kultur sind wir schon fast so weit.

mw: Hast du schon einmal die gro§e Schreibblockade gehabt?

Liwa: Ja, das kommt immer wieder vor. Das gehšrt auch dazu. Wenn man vier Tage nichts geschrieben hat, sieht man schon mal das eisige Schreckensgespenst des writerÕs block vor sich. Aber damit lernt man zu leben. Ich glaube, dass ich auch in 20 Jahren noch hier sitzen werde und mich mit irgendwelchen grauhaarigen Journalisten Ÿber das unterhalte, was mittlerweile passiert ist. Man lernt ja auch mit den Jahren seine Gebrauchsanweisung besser kennen.

mw: Findest du das Internet inspirierend?

Liwa: Ich finde es ungeheuer praktisch. Es erspart manchen Gang zur BŸcherei. Bei aller WertkonservativitŠt bin ich ein Mensch, der genau merkt, in welcher historischen Phase wir uns befinden.

mw: Im CD-Booklet gibt es eine lŠngere Eloge, wo dich VolksbŸhnen-Dramaturg Carl Hegemann in eine Reihe mit Vergil, Walter und Hšlderlin stellt – und das nicht nur ironisch meint. Wirst du da nicht schamrot?

Liwa: Sagen wirÕs mal so: Ich bete jeden Tag zu Gott, er mšge mich vor meinem Ego schŸtzen. Aber natŸrlich schmeichelt so was, klar. Danach bin ich schon zwei Tage aufrechter gegangen.

mw: Trotzdem singst du: ãFehler fŸr Fehler kommÔ ich mir nŠherÒ. Wo soll das blo§ hinfŸhren É?

Liwa: Ich habe die Illusion verloren, alle Fehler Ÿberwinden zu kšnnen. Wenn es eine grundsŠtzliche PrioritŠt fŸr mich gibt, dann die: ein Leben in WŸrde. Und dazu gehšrt ein gehšriges Ma§ an Demut – also auch, sich Fehler zuzugestehen.

 

(citymag, 2000)