Der Hähnchengrill
Freddy ist Mitte 40 und heißt eigentlich gar nicht Freddy. Dafür hat er einen mehrteiligen indischen Namen, der irgendwann mit „Singh“ endet. Doch als er vor vielen Jahren den Grillimbiss in der Hein-Hoyer-Straße übernahm, stand vom Vorbesitzer „Freddy's“ draußen auf der Leuchtreklame, original mit Deppenapostroph, und Herr Singh dachte sich, ein mehrteiliger indischer Name könnte die Kundschaft irritieren. Also wurde er der neue Freddy.
Wenn man vor seinem blitzsauberen winzigen Souterrainladen auf der Hein-Hoyer-Straße steht, sieht man die Reeperbahn. Dort wogen die Menschen, dort tobt das Leben, sie liegt nur 50 Meter weit weg. Doch von den tausenden Touristen verirren sich nur wenige hierher. 50 Meter: Das ist eine Welt. Deshalb hat Freddy kaum Laufkundschaft, sondern vor allem Stammkunden aus den umliegenden Straßen, natürlich auch aus der Seilerstraße. Und wenn man den Stammkundenstatus einmal erreicht hat, wird man ihn nicht mehr los. Das ist ähnlich geregelt wie beim Nobelpreiskommitee in Stockholm.
Sonntagabend, nach einigen geflügellosen Monaten, war ich mal wieder bei Freddy auf ein Hähnchen mit Pommes Frites, und er macht die Augen groß, als ich die drei Stufen zu ihm hinuntersteige, sagt „Ah, wie geht's?“ und reicht mir begeistert die Hand. Gut geht's, und selbst? „Gut, gut“, lächelt Freddy und entfernt eilfertig irgendein Krümelchen Paprikapulver von der Anrichte. Wie gesagt: Der Laden ist blitzsauber. Die Uhr, die hinter ihm an der Wand hängt, ist sogar in Frischhaltefolie eingeschlagen. Aus irgendeinem Grund.
„Wie immer?“ fragt er. Wie immer, sagt der Stammkunde. Und muss trotz mehrmonatiger Geflügellosigkeit nicht mal mehr erwähnen, dass er die Pommes nur gesalzen, nicht gepfeffert bevorzugt. Und das Hähnchen geviertelt. Freddy hat halt ein Gedächtnis wie ein indischer Elefant. Und wenn er dir, dem Stammkunden, am Ende das Wechselgeld überreicht, schafft er es mit einer kühnen manuellen Drehtechnik, das Übergeben der Münzen in ein herzliches Händedrücken münden zu lassen. Das hatte der alte Freddy, der mit dem Deppenapostroph, bestimmt nicht drauf. Das kann nur der Herr Singh.
Große Musik, die heute aus dem iPod floss: „My back pages“ vom Keith Jarrett Trio, „Albatros“ von Peter Holler und „Night drive“ von Lynn Miles.
PS: Die Transen sind wieder da – nur zur Information.
Wenn man vor seinem blitzsauberen winzigen Souterrainladen auf der Hein-Hoyer-Straße steht, sieht man die Reeperbahn. Dort wogen die Menschen, dort tobt das Leben, sie liegt nur 50 Meter weit weg. Doch von den tausenden Touristen verirren sich nur wenige hierher. 50 Meter: Das ist eine Welt. Deshalb hat Freddy kaum Laufkundschaft, sondern vor allem Stammkunden aus den umliegenden Straßen, natürlich auch aus der Seilerstraße. Und wenn man den Stammkundenstatus einmal erreicht hat, wird man ihn nicht mehr los. Das ist ähnlich geregelt wie beim Nobelpreiskommitee in Stockholm.
Sonntagabend, nach einigen geflügellosen Monaten, war ich mal wieder bei Freddy auf ein Hähnchen mit Pommes Frites, und er macht die Augen groß, als ich die drei Stufen zu ihm hinuntersteige, sagt „Ah, wie geht's?“ und reicht mir begeistert die Hand. Gut geht's, und selbst? „Gut, gut“, lächelt Freddy und entfernt eilfertig irgendein Krümelchen Paprikapulver von der Anrichte. Wie gesagt: Der Laden ist blitzsauber. Die Uhr, die hinter ihm an der Wand hängt, ist sogar in Frischhaltefolie eingeschlagen. Aus irgendeinem Grund.
„Wie immer?“ fragt er. Wie immer, sagt der Stammkunde. Und muss trotz mehrmonatiger Geflügellosigkeit nicht mal mehr erwähnen, dass er die Pommes nur gesalzen, nicht gepfeffert bevorzugt. Und das Hähnchen geviertelt. Freddy hat halt ein Gedächtnis wie ein indischer Elefant. Und wenn er dir, dem Stammkunden, am Ende das Wechselgeld überreicht, schafft er es mit einer kühnen manuellen Drehtechnik, das Übergeben der Münzen in ein herzliches Händedrücken münden zu lassen. Das hatte der alte Freddy, der mit dem Deppenapostroph, bestimmt nicht drauf. Das kann nur der Herr Singh.
Große Musik, die heute aus dem iPod floss: „My back pages“ vom Keith Jarrett Trio, „Albatros“ von Peter Holler und „Night drive“ von Lynn Miles.
PS: Die Transen sind wieder da – nur zur Information.
Labels: einzelhandel, essen, musik, st. pauli, typen
3 Comments:
In die Seilerstrasse verirre ich mich regelmäßig in die Bar Morphine, welche eigentlich der Keller vom Café Keese ist. Herrlich.
Zu "Freddy's Imbiss" noch eine kleine Ergänzung von einem, der noch ein paar mehr St.-Pauli-Jahre auf dem Buckel hat als Matthias: Bei besagtem Freddy handelte es sich um einen damals (Anfang 90er) etwa 50 Jahren alten Lehrerbart-Träger, der mir trotz seiner unbestrittenen Kompetenz und Leidenschaft für das Grillimbiss-Handwerk nie so richtig sympathisch war - wahrscheinlich lag's an seiner Berliner Schnauze (igitt!). In meine Erinnerung ist er allerdings vor allem als Freddy der Bücherdieb eingegangen, hatte ich doch einst aus Versehen ein Buch (es war das Hamburg von A-Z der Szene Hamburg) bei ihm liegen lassen, und als ich kurz darauf zurückkam, war es schon weg, und er wusste von nichts. Seitdem schmeckten mir seine Pommes nicht mehr so richtig (was kein Problem war, da damals schon die auch heute noch bewährten Imbisse "Mini-Grill" und "Kleine Pause" (Herr Wagner, übernehmen Sie!) zur Verfügung standen.) Aber vielleicht war auch alles ganz anders, und ich tue Herrn Freddy mit meiner doch etwas nachtragenden Haltung böse Unrecht, und ganz, ganz vielleicht liest er das hier von seinem Alterssitz auf Mallorca aus und klärt mich über die wahre Geschichte meines Buches auf ...
Schöne Geschichte - zumal der Ur-Freddy für mich ein Mythos ist und hier erstmals mit so etwas wie einer realen Vorstellung gefüllt wird.
Wer inkarnieren kann, dem ist übrigens auch zuzutrauen, dass er Bücher verschwinden lässt - genau wie seine Erinnerung daran.
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