Der Unfall
Erschreckend, wie leicht man Alltagsrollen wechselt und zugleich die Fähigkeit verliert, darüber zu reflektieren. Als Autofahrer erregst du dich über Radfahrer, die dir in der Einbahnstraße entgegenkommen, als Fußgänger nerven dich um Haaresbreite vorbeizischende Drahtesel, und als Radfahrer plagen dich VERDAMMT NOCH MAL BRÄSIGE FUSSGÄNGER, DIE BLIND AUF RADWEGE ZUSTOLPERN, OHNE AUCH NUR EINE SYNAPSE IHRES SPATZENHIRNS AUF DEN GEDANKEN ZU VERWENDEN, NACH LINKS UND RECHTS ZU SCHAUEN!
Zurzeit bin ich immer noch überwiegend Radfahrer, daher das Geschrei. Kleinen Kindern bringt man bei, sich sorgfältig umzusehen, bevor sie Wege oder Straßen betreten. Spätestens mit der Pubertät scheint diese nützliche zivilisatorische Fähigkeit wieder verloren zu gehen. Dabei hilft sie doch dabei, die eigenen Gene weiterzugeben. Merkwürdige Evolution.
Dumpf einherwankende Fußgänger sind für unsereins dennoch das kleinere Übel. Schlimmer sind (natürlich) Autos. Mich hat mal in der Louise-Schroeder-Straße eine Fahrerin auf die Kühlerhaube genommen, als sie den von mir gerade benutzten Radweg zeitgleich passieren wollte. Fahrrad und ich flogen auf die zweispurige Straße, ich fand mich etwa in der Mitte wieder, und als ich mich etwas verwirrt umschaute, sah ich in wenigen Metern Entfernung eine Phalanx von Autos gleichmütig an der roten Ampel stehen, bereit zum Losfahren.
Die Autofahrerin saß schreckensstarr in ihrem Wagen, neben mir lag die zerklumpte Drahtstahlgummiskulptur, die mal mein Rad gewesen war. Ich erhob mich vorsichtig und versuchte, innerlich irgendwelche immobile oder schmerzende Körperzonen zu sondieren, konnte aber nichts feststellen. Ich war komischerweise komplett unversehrt. Der Clark Kent von Hamburg.
„Keine Polizei!“, wimmerte die unter Schock stehende Fahrerin, die sich als Türkin erwies. Ich fand unter Verweis auf meine nicht beeinträchtigte Physis trostreiche Worte und schlug vor, sie möge mir doch das Rad unter Umgehung aller Instanzen einfach informell ersetzen, und die Sache sei erledigt. Ein Betrag von 125 Euro für das einige Monate zuvor fürs Doppelte erstandene Gefährt schien mir fair. Ihr auch – wobei sie wahrscheinlich zu allem Ja und Amen gesagt hätte, in ihrem Zustand.
Abends klingelte das Telefon. Sie war dran; ob wir nachverhandeln könnten. Im Hintergrund war die Stimme ihres Mannes zu hören, der Anweisungen und Gesprächstaktik soufflierte. Ich war zu verblüfft und zugleich amüsiert, um dem aufsteigenden Ärger Raum zu geben. So ließ ich mich um 25 Euro runterhandeln.
Irgendwann später wurde mir klar, dass ich den Radweg in die falsche Richtung befahren hatte. Aber sie hätte wirklich auch mal gucken können.
Das Foto zeigt übrigens, wo man im Bedarfsfall gut ein neues gebrauchtes Rad beschaffen könnte. Ist aber leider Amsterdam.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Touch me in the Morning“ von MFSB, „Be thankful for what you've got“ von William Devaughn und „Lichterloh“ vom Kammerflimmer Kollektiv.
Zurzeit bin ich immer noch überwiegend Radfahrer, daher das Geschrei. Kleinen Kindern bringt man bei, sich sorgfältig umzusehen, bevor sie Wege oder Straßen betreten. Spätestens mit der Pubertät scheint diese nützliche zivilisatorische Fähigkeit wieder verloren zu gehen. Dabei hilft sie doch dabei, die eigenen Gene weiterzugeben. Merkwürdige Evolution.
Dumpf einherwankende Fußgänger sind für unsereins dennoch das kleinere Übel. Schlimmer sind (natürlich) Autos. Mich hat mal in der Louise-Schroeder-Straße eine Fahrerin auf die Kühlerhaube genommen, als sie den von mir gerade benutzten Radweg zeitgleich passieren wollte. Fahrrad und ich flogen auf die zweispurige Straße, ich fand mich etwa in der Mitte wieder, und als ich mich etwas verwirrt umschaute, sah ich in wenigen Metern Entfernung eine Phalanx von Autos gleichmütig an der roten Ampel stehen, bereit zum Losfahren.
Die Autofahrerin saß schreckensstarr in ihrem Wagen, neben mir lag die zerklumpte Drahtstahlgummiskulptur, die mal mein Rad gewesen war. Ich erhob mich vorsichtig und versuchte, innerlich irgendwelche immobile oder schmerzende Körperzonen zu sondieren, konnte aber nichts feststellen. Ich war komischerweise komplett unversehrt. Der Clark Kent von Hamburg.
„Keine Polizei!“, wimmerte die unter Schock stehende Fahrerin, die sich als Türkin erwies. Ich fand unter Verweis auf meine nicht beeinträchtigte Physis trostreiche Worte und schlug vor, sie möge mir doch das Rad unter Umgehung aller Instanzen einfach informell ersetzen, und die Sache sei erledigt. Ein Betrag von 125 Euro für das einige Monate zuvor fürs Doppelte erstandene Gefährt schien mir fair. Ihr auch – wobei sie wahrscheinlich zu allem Ja und Amen gesagt hätte, in ihrem Zustand.
Abends klingelte das Telefon. Sie war dran; ob wir nachverhandeln könnten. Im Hintergrund war die Stimme ihres Mannes zu hören, der Anweisungen und Gesprächstaktik soufflierte. Ich war zu verblüfft und zugleich amüsiert, um dem aufsteigenden Ärger Raum zu geben. So ließ ich mich um 25 Euro runterhandeln.
Irgendwann später wurde mir klar, dass ich den Radweg in die falsche Richtung befahren hatte. Aber sie hätte wirklich auch mal gucken können.
Das Foto zeigt übrigens, wo man im Bedarfsfall gut ein neues gebrauchtes Rad beschaffen könnte. Ist aber leider Amsterdam.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Touch me in the Morning“ von MFSB, „Be thankful for what you've got“ von William Devaughn und „Lichterloh“ vom Kammerflimmer Kollektiv.
5 Comments:
Da ich vor kurzem ja gerade in Amsterdam war kann ich dir sagen, das man da definitiv keine Fahrräder klauen kann. In Amsterdam ist jedes Schrottrad mit mindestens einer Mörder Panzer Kette befästigt. No chance.
Bei deinem Beitrag fällt mir ein das ich mir längst mal wieder einen neuen (alten) Drahtesel zulegen wollte. Seit ich am 2. April diesen Jahres mich nach dem Genuss von ca. 4 Litern Bier dermassen auf die Schnauze gelegt habe (ohne Fremdeinwirkung, denn Alkohol ist keine Person) habe ich kein Rad mehr. Das scheiss Ding war nach dem Crash nicht mehr zu gebrauchen, genau wie ich für 14 Tage.
Was ich bemerkenswert fand, dass man im Schockzustand echt nur noch scheisse baut, das erste was ich gemacht hab als ich nach dem Sturz zuhause war: Digicam raus und Bilder machen [jaja die unvernünftige Jugend].
Sah ungefähr so aus (nicht vorm Frühstück angucken):
http://www.elbebass.com/blog/04020070.JPG
Aua, das tut ja sogar beim Hinschauen weh. Ich hoffe, davon ist nicht allzuviel zurückgeblieben ...
Wie heisst es so schön: "Die grössten Kritiker der Elche waren früher selber welche!"
Bei mir hat mal Fahrradfahren nach ähnlichem Alkoholgenuss wie bei daiko dazu geführt, dass ich mein Fahrrad nicht etwa demoliert, sondern VERLOREN habe. Ich kann mich noch vage daran erinnern, dass ich mich von der mittlerweile verschwundenen Kneipe "Zwiebel" in Neumühlen aus in Bewegung gesetzt habe und zweimal aufgrund von mangelnder Fähigkeit zum Geradeausfahren zu Boden gegangen bin. Dann setzt der Blackout ein, und in meiner Erinnerung tauche ich erst Stunden später wieder auf, als ich nämlich extrem verkatert aus einem Taxi vor meinem Haus steige. Unnötig zu erwähnen, dass ich am nächsten Tag die gesamte Strecke nach meinem Rad abgesucht habe und dass es natürlich nicht mehr aufzufinden war. Eine gerechte Strafe für mein Verhalten, fürchte ich. Und immerhin sind mir Blessuren wie die von daiko erspart geblieben (sehenswertes Foto, übrigens!).
Die Radstorys hören nicht auf. Morgen (Montag, 28. November) gibt es auch mal wieder was Verwandtes, versprochen.
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