Die sardische Verwandtschaft
Heute kam mal wieder eine umfangreiche Käselieferung, geschickt von den sardischdeutschen Schwiegereltern aus Wolfsburg. Prompt erinnere ich mich daran, wie Ms. Columbo mir damals süffisant lächelnd das Buch „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ überreichte. Darin beschreibt der Autor Jan Weiler, wie haarsträubend lustig es ist, in eine italienische Sippe einzuheiraten. „Nun hast du selbst in eine italienische Sippe eingeheiratet“, begann Ms. Columbo ihre muntere Widmung, „und du wirst sie nie wieder los!“
Das Buch, stellte sich bald heraus, hätte eindeutig ich geschrieben haben sollen. Aber Jan Weiler tat’s und wurde reich damit. Wenn ich es geschrieben hätte, bloggte ich jetzt vielleicht aus dem Bergdörfchen Montresta, wo Onkel Lino wohnt. Lino ist ein sardischer Pascha, und er glüht vor Stolz auf seine klimatisierte Villa, seinen Weinkeller und seine recht undezent herausgeputzte Frau.
Ich erinnere mich noch: Es war Vormittag, draußen brüllten 40 Grad im Schatten, und Lino kredenzte mir auf eine Weise, die mein jovial abwehrendes Grinsen pulverisierte, einen Süßwein namens Mavasia. Lino persönlich hatte ihn mit irgendeiner Methode, für die man im Rheingau wahrscheinlich in Handschellen aus dem Weinberg geholt worden wäre, auf mehr als 16 Prozent Volumenalkohol hochgepeitscht. Nach leider erst zwei Gläsern gelang es mir unter bereits großen Mühen, die Zufuhr zu drosseln. Lino lachte barock, und zwar so, dass die Botschaft „Weichei“ subtil mittransportiert wurde.
Nun hielt er die Zeit für gekommen, der deutschen Filiale der sardischen Sippe ein gewaltiges Menü zu offerieren. Ein die einzelnen Gänge zuverlässig verschmelzendes Element war der von Lino persönlich hergestellte Rotwein aus der Cannonau-Traube, den er – wie mir begeistert übersetzt wurde – ebenfalls über die 16-Prozent-Grenze gejubelt hatte, weiß der Teufel wie.
Mein höfliches Mitnippen fatal missinterpretierend, ernannte Lino mich unter deutlichen Anzeichen der Neubewertung meiner Person („Matteo: sommeliere!”) zu seinem offiziellen Leibschenk. Meine vordringlichste Pflicht bestand nach Linos Vorstellungen hinfort aus zweierlei: a) ihm bei der inbrünstig hervorgestoßenen Doppelsilbe „Vino!“ sofort das Glas mit dem 16-Prozent-Monster randhoch zu füllen und b) bei meinem eigenen Glas in exakt gleicher Weise zu verfahren. Versteckt in der Arbeitsplatzbeschreibung lauerte zudem die Lino’sche Erwartung, sein Leibschenk dürfe beim Trinktempo nur unwesentlich hinter ihm zurückbleiben. Eigentlich gar nicht.
Die Situation hatte aus meiner Sicht einige nachteilige Aspekte. Ich versuchte sie durch kleine taktische Manöver abzufedern. So begab ich mich etwa wie zufällig eine Etage tiefer, wo ein Baby herumkrabbelte, und versuchte den Eindruck zu erwecken, der kleine Racker (oder waren es zwei? Drei?) würde ganz Sardinien zusammenbrüllen, fände er nicht augenblicks einen Spielkameraden. Doch vergebens. Sogleich erscholl ein barocker Bass aus dem ersten Stock: „Matteo, vino!“
Es gibt Tage in meinem Leben, an die ich mich besser erinnere. Im September fahren wir wieder hin.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Dandys lungern durch die Nacht“ von Bohren & Der Club of Gore, „King of the road“ von Rufus Wainwright & Teddy Thompson und „Thrasher“ von Neil Young.
Das Buch, stellte sich bald heraus, hätte eindeutig ich geschrieben haben sollen. Aber Jan Weiler tat’s und wurde reich damit. Wenn ich es geschrieben hätte, bloggte ich jetzt vielleicht aus dem Bergdörfchen Montresta, wo Onkel Lino wohnt. Lino ist ein sardischer Pascha, und er glüht vor Stolz auf seine klimatisierte Villa, seinen Weinkeller und seine recht undezent herausgeputzte Frau.
Ich erinnere mich noch: Es war Vormittag, draußen brüllten 40 Grad im Schatten, und Lino kredenzte mir auf eine Weise, die mein jovial abwehrendes Grinsen pulverisierte, einen Süßwein namens Mavasia. Lino persönlich hatte ihn mit irgendeiner Methode, für die man im Rheingau wahrscheinlich in Handschellen aus dem Weinberg geholt worden wäre, auf mehr als 16 Prozent Volumenalkohol hochgepeitscht. Nach leider erst zwei Gläsern gelang es mir unter bereits großen Mühen, die Zufuhr zu drosseln. Lino lachte barock, und zwar so, dass die Botschaft „Weichei“ subtil mittransportiert wurde.
Nun hielt er die Zeit für gekommen, der deutschen Filiale der sardischen Sippe ein gewaltiges Menü zu offerieren. Ein die einzelnen Gänge zuverlässig verschmelzendes Element war der von Lino persönlich hergestellte Rotwein aus der Cannonau-Traube, den er – wie mir begeistert übersetzt wurde – ebenfalls über die 16-Prozent-Grenze gejubelt hatte, weiß der Teufel wie.
Mein höfliches Mitnippen fatal missinterpretierend, ernannte Lino mich unter deutlichen Anzeichen der Neubewertung meiner Person („Matteo: sommeliere!”) zu seinem offiziellen Leibschenk. Meine vordringlichste Pflicht bestand nach Linos Vorstellungen hinfort aus zweierlei: a) ihm bei der inbrünstig hervorgestoßenen Doppelsilbe „Vino!“ sofort das Glas mit dem 16-Prozent-Monster randhoch zu füllen und b) bei meinem eigenen Glas in exakt gleicher Weise zu verfahren. Versteckt in der Arbeitsplatzbeschreibung lauerte zudem die Lino’sche Erwartung, sein Leibschenk dürfe beim Trinktempo nur unwesentlich hinter ihm zurückbleiben. Eigentlich gar nicht.
Die Situation hatte aus meiner Sicht einige nachteilige Aspekte. Ich versuchte sie durch kleine taktische Manöver abzufedern. So begab ich mich etwa wie zufällig eine Etage tiefer, wo ein Baby herumkrabbelte, und versuchte den Eindruck zu erwecken, der kleine Racker (oder waren es zwei? Drei?) würde ganz Sardinien zusammenbrüllen, fände er nicht augenblicks einen Spielkameraden. Doch vergebens. Sogleich erscholl ein barocker Bass aus dem ersten Stock: „Matteo, vino!“
Es gibt Tage in meinem Leben, an die ich mich besser erinnere. Im September fahren wir wieder hin.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Dandys lungern durch die Nacht“ von Bohren & Der Club of Gore, „King of the road“ von Rufus Wainwright & Teddy Thompson und „Thrasher“ von Neil Young.
11 Comments:
hmmmm, dann müsste nun mein Buch "Liebling, er nimmt den Zündschlüssel" heißen :-)
Amüsant, das Buch und Deine Geschichte :-)
herrlich! wenigstens eine sauforgie mit gewissem stil und keine dumpfe schnapsbefüllung. gibt es fotos?
Leider keine Fotos. Damals war ich noch nicht im Besitz einer Digitalkamera. Aber wahrscheinlich hätte ich sie eh nicht mehr bedienen können.
16%iger Süßwein bei 40 Grad Außentemperatur - ja, das schreit nach einer hohen Dosis Acetylsalicylsäure. Darf ich Fragen, ob auch regionale Speisen aufgetischt wurden, die Du für erwähnenswert erachtest?
Oh, ja, dieser Urlaub war auch kulinarisch prägend. Die diversen Pecorino-Käsesorten, die frischen Feigen direkt vom Baum, die Antipastiparadiese, die lustig schwabbelenden Lammfüße, das Spanferkel, das windhauchdünne Knusperfladenbrot …
Frische Feigen? Nie gegessen.
Es hilft, einen Feigenbaum im Garten zu haben. Ach, ich liebe Sardinien …
Dann hätte ich aber nicht die Chance, völlig zusammenhangslos den Alten aus "Das Boot" zu zitieren.
Erstaunlich, welche Filme Sie alle auswendig kennen. Ich vergesse immer alles. So ist zum Beispiel der einzige Bucheinstieg, an den ich mich erinnere, „Nennt mich meinethalben Ismael“ (bzw. „Call me Ismael“) aus Melvilles „Moby Dick“. Sogar den ersten Satz aus meinem Lieblingsbuch, Nabokovs „Lolita“, kriege ich nur teilweise zusammengekratzt.
Wie machen Sie das? Ich bewundere ja Leute, die Filmdialoge runterrasseln können. Fehlt mir ein Gen?
Wunderbare Geschichte. Bis September ist es ja noch ein bißchen hin. Mit ein wenig Training im Hochsommer ließe sich Onkel Lino sicher Paroli bieten.
Ich habe auch schon mal an ein Double gedacht. Sämtliche in Frage kommenden Kandidaten gingen aber in Deckung oder schützten dringende Termine im September vor. Für ein Trainingslager im Sommer habe ich keine Zeit – ich will doch klaren Kopfes die WM-Spiele sehen!
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