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13 Februar 2006

Deudsche Schbrache, schwäre Schbrache

Mir wurde unlängst durch inzwischen wieder vergessene Umstände klar, wie mühsam sich ein deutsch lernender – sagen wir – Moldawier den schönen Plural „Münzautomaten“ erschließen müsste, wenn er lediglich den Rechtschreibduden besäße, aber kein Semantikwörterbuch.

Er würde nach einem herzhaften moldawischen Fluch auf Komposita das Wort in seine Teile zerlegen und sie einzeln nachschlagen. Er erführe zunächst von einem Geldstück, welches sein Endungs-e zugunsten einer geschmeidigeren Bindung ans Folgewort eingebüßt hat: „Münz“.

Sodann, erklärte ihm ungerührt der Duden, folge ein kurzer Schmerzenslaut, wie er sich etwa beim Gekniffenwerden seit Äonen großer Popularität erfreue („au!“). Und abgerundet würde dieses Kompositagetüm mit einem verehrungswürdigen roten Gemüse im Plural.

Spätestens hier müsste unser gepeinigter – sagen wir – Moldawier den Duden böse anfunkeln. Geldstück plus Schmerz plus Tomaten: Was soll dabei herauskommen? Auf Apparate, wo man oben Geld reinschmeißt und unten nie Gemüse rausfällt, käme er nie.

Erschwerend könnte er von landsmännischen Sprachfärbungen verwirrt werden. „Ein Hesse lässd die Konsonande aus'm Maul falle“, wusste etwa neulich der Schwabe zu berichten. In der Redaktion gehört es nämlich wegen der erwiesen interessanten Phonetik der Hessen zur Folklore, mich, obzwar ich unter hanseatischem Einfluss längst diesen Zungenschlag einbüßte, zur möglichst authentischen Aufführung des Wortes „Oaschebäschäää“ (vulgo „Aschenbecher“) zu animieren.

Besten Dank auch, Maddin. Ich tue ihnen sporadisch den Gefallen, zumal keiner der vertretenen Volksstämme in der Lage ist, diesen schönen Viersilber ausreichend breit zu zerdehnen und zerwälzen. Stets unterläuft ihnen ein verbaler Ejaculatio praecox; also muss ich's noch mal vormachen. „Oaschebäschäää“, hinten mit drei ä. Ist doch ganz einfach.

Manchmal liegen die Schwierigkeiten des Deutschen aber auch schlicht in regional unterschiedlichen Bezeichnungen. Neulich im MiniMal-Markt sah ich plötzlich den Franken mit meterlangen Dickmannskartons hantieren, die letztlich aber nicht seine Kauflust wecken konnten; doch schon Sekunden später schnürte er um die Konditortheke, sein Blick schweifte unstet über Apfelzimtringe und Streuselschnecken. Er hatte aber in Wahrheit ganz andere Vorstellungen von baldiger oraler Versorgung, denn er fragte mich: „Wie heißen hier Krapfen?“ In Hamburg natürlich Berliner.

Und das alles – von Münzautomaten über Oaschebäschäää bis zu einem Süßgebäck, das so heißt wie die Bewohner der Bundeshauptstadt – das erklär mal einem Moldawier.

Das Foto zeigt übrigens einen Ausschnitt der Neonschrift an einer Wand in unserem Fitnessclub, die Smudo nie zu Gesicht bekommt, weil er nur Hanteln macht, aber nie Zirkeltraining.


Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Zungenschlag
1. „Kreuzberger Walzer“ von Klaus Hoffmann
2. „Dat du meen Leefste büst“ von Hannes Wader
3. „Willi“ von Konstantin Wecker

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14 Comments:

Anonymous Joshuatree said...

Danke für den Streifzug durch die Sprachbarrieren. Ja, der Vielvölkerstaat vor 1848 ist eigentlich immer noch gültig. Was für die USA New York mit der UNO weltweit bedeutet, ist für die Kurpfalz in sprachlicher Hinsicht der Duden-Verlag in Mannheim. UNO und Duden haben auch gemeinsam ein Problem: Kaum einer versteht, was sie tun, und sie brauchen beide übergeordnete politische Partner. Ich wünsche beiden ein besseres Händchen in Zukunft, vielleicht versteht der Moldawier, der Hesse und der Franke dann bald alles besser. Und das ist ja der Sinn der Sache.

Bis dahin darf ich erwähnen, daß "Mannheimer Dreck" eine köstliche Schokoladenspezialität darstellt, die kulinarisch weit über Salzburgs "Mozartkugeln" steht.

00:39  
Blogger Matt said...

Wie hoch ist der Kakaogehalt des Mannheimer Drecks? Ab 60 % fängt es für mich allmählich an, interessant zu werden.

00:58  
Anonymous Joshuatree said...

Nun, bei der Zubereitung kann und sollte auch aphrodisiakisch gesehen höherwertiger Kakao stärker eingesetzt werden. Je nach Gusto - Kurpfalz, Lebensfreude und Liberalismus gehören nicht nur als Worte eng zusammen.

http://www.rezeptdatenbank.de/show.php?category_id=124&recipePage=9&recipe_id=11325

01:13  
Blogger Matt said...

Klingt absolut g-r-o-ß-a-r-t-i-g. Bis auf den Zimt, aber das liegt an mir.

01:18  
Anonymous Joshuatree said...

Oh - in der indischen Küche ist Zimt, ebenfalls aphrodisiakisch und geschmacklich betrachtet, gern gesehen.

Ist klar, wenn ein Gewürz nicht passt, passt es nicht. Bei mir ist es z.B. Kümmel. *schauder*

01:27  
Anonymous Zahnwart said...

"Hessisch ist keine Mundart, sondern der Versuch, einen Hustenreiz zu unterdrücken" (Die Zeit, vor Jahren).
Zu den besten Songs mit Zungenschlag würde ich noch unbedingt die einge"deutsch"te Version von "Walk on the wild side", "Lueg erscht amol wo dr Wind wäht" von Züri West, zählen. Züri West sind übrigens Schweizer, und Schweizer nennen alle Deutschen Schwaben (ja, auch dich!). Wahlweise sagen sie aber auch Nazis.

09:46  
Blogger Matt said...

Ich will weder Schwabe noch Nazi sein! Was meint eigentlich „lueg“? „Lügen“ kann ja nicht gemeint sein. Eher „lugen“, also „schauen“? Das ergäbe Sinn, halbwegs.

10:41  
Anonymous Sebastian said...

Es sind aber auch die kleinen, feinen Unterschiede. Hier heißt ein "normales" Brötchen, "Krosses", in Wilhelmshaven - "Normales", in Hamburg "Schrippe", in Bayern "Semmel".

10:52  
Anonymous trillian said...

Da gibt es ein Buch, das sämtliche Probleme dieser Art aus der Welt schafft. Der DTV-Atlas Deutsche Sprache. ISBN 3423030259

Viel Spaß damit!

Und im Übrigen finde ich die Sprachvielfalt hier ziemlich toll und geniesse die interkulturelle Kommunikation.

10:57  
Blogger Matt said...

Ich ja auch, trillian! Aber aus Sicht des Moldawiers … ?

11:44  
Blogger ramses101 said...

Vielen Dank für den vergnüglichen Moment. eigentlich sollten sich viel mehr Leute über die Sprache Gedanken machen. Jedenfalls so lange es sich noch lohnt. In 20 Jahren, wenn mich selbst das Frollein vom Amt mit "krass Digga" begrüßt, ist es jedenfalls zu spät.

13:20  
Blogger Matt said...

Das „Frollein vom Amt“ – das gibt's noch? Sein letztes Auftauchen habe ich bisher auf irgendeinen mittleren Heinz-Rühmann-Film datiert.

10:33  
Blogger Oles wirre Welt said...

scharfsinnig! klasse Idee und Umsetzung. Umgekehrt war ich ja einmal im Wendland zugegen, als ein Brite in einem Restaurant nachfragte, was denn ein "Bauernfrühstück" sei... und die Bedienung sagte nach einigem Ringen nach Worten: "It is a farmer's eary piece." Bis dato kannte ich genau das als Witz, hier wurde es scheinbar ernst gemeinte Wirklichkeit.

00:34  
Blogger Matt said...

Ich kannte nicht mal den Witz … Aber er wird nur einer, wenn es „early“ heißt, nicht wahr?

Obwohl: ein „ohriges Stück“ ist auch nicht schlecht! ;-))

00:48  

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