Laggs auf vier Uhr
Über das Restaurant Tai-Pan („Sushi all you can eat!“ abends für laue 14,90) habe ich schon einmal berichtet, und zwar recht positiv. Damals gab es das Sushi aber auch noch mit Fisch …
Zwischen zwei WM-Spielen laufen Ms. Columbo, der Franke und ich dort wohlgemut auf. Doch nachdem wir eine Viertelstunde lang ratlos suchend auf die kreisenden Gemüsetellerchen, frittierten Hähnchenunterschenkel, Gurkenstücke in Reisröllchen und pappigen Dim Sums gestarrt haben, moniere ich bei der schüchternen deutschen Bedienung die erschütternde Fischarmut, die vermutlich exakt jener der Elbe bei Dresden in den 70er Jahren entspricht. Das sage ich zwar nicht explizit, lasse es aber mitschwingen.
Der Sushikoch, beschwichtigt die junge Frau mich daraufhin eilends, sei im Verborgenen – nämlich der Küche – bereits fleißig tätig, und bald würde der Kreisverkehr, so fuhr sie sinngemäß fort, nur so strotzen vor Köstlichkeiten maritimer Herkunft.
Nach weiteren fünf Minuten des traurigen Betrachtens fischloser Sushischälchen wende ich mich erneut an die zuständigen Instanzen, diesmal aber auf höherer Entscheidungsebene, der chinesischen. Der Mann lächelt ebenso peinlich berührt wie deeskalierend und versichert mir unter unablässigem Nicken die baldige, ja gleichsam sofortige Niveauanhebung der Setlist. Murrend gehe ich zurück Ms. Columbo und dem Franken, und kaum sitze ich, liefert uns der Chinese unter Umgehung des Kreisverkehrs umstandslos eine kleine Kollektion von Lachssushi direkt an den Tisch.
Sogleich besänftigt danken wir herzlich und tun uns gütlich daran, ohne freilich zu den anderen Gästen aufzublicken, die zweifellos unsere Vorzugsbehandlung kräftig zu missbilligen wissen. Andererseits hatte ich – nur ich! – mich zweimal zum Widerstand aufgerafft, während die dumpfe Masse sich stumm in ihr Schicksal fügte. Sie sollen sich also bitte nicht so anstellen und die Zeit bis zur regulären Lieferung des Fischsushi eben mit Omelettstreifen verbringen, die rücklings auf Reisbällchen geschnallt sind.
Und siehe da: Allmählich zeichnet sich auch offiziell eine Besserung der Lage ab. Was auch dringend nötig ist, denn unsere außer der Reihe servierte Lieferung ist schon nach Sekunden aufgeteilt und verputzt. Allerdings wird uns nun auch die schlechte strategische Lage unserer Sitzposition deutlich. Wir sitzen sehr weit entfernt vom Ort der Laufbandbestückung. Jeder Lachs, alle Muscheln müssen, nachdem sie ins Rennen gegangen sind, fast eine komplette Runde absolvieren, ehe sie überhaupt in unsere Reichweite kommen. Und man kann sich vorstellen, wie schwer das angesichts der auf echtes Sushi geiernden Tai-Pan-Gäste selbst einem Fisch wie dem Lachs fallen muss, der in der freien Natur ja sogar Schleusen, Bärentatzen und wahrscheinlich auch Staudämme zu überwinden vermag, während er tapfer flußaufwärts strebt zum Ort seiner Geburt, wo er nach all der Mühsal schließlich umstandslos ablaicht und kurz darauf verstirbt.
Kurz: Es kommt weiterhin nichts Fischiges bei uns an. Von meiner Sitzposition aus sehe ich zwar mit Bassettblick, welche Must-have-Tellerchen aufs Band gestellt werden, doch der mir gegenüber sitzende Franke verfolgt kommentierend ihr Schicksal bis zu jener Sekunde, in der die besser postierte Konkurrenz sie betrüblicherweise runterklaubt.
Doch mit der Zeit schlägt sich wirklich hie und da eins durch bis zu uns. „Laggs auf vier Uhr“, raunt der Franke dann konspirativ zu uns herüber, „jetzt auf drei Uhr, auf zwei … jetzt!“, und die prächtige Ms. Columbo, perfekt platziert direkt am Band, greift beherzt zu und erlegt für unsere kleine Schicksalsgemeinschaft ein Sushischälchen – eins mit echtem Fisch!
Mit dieser perfekten Koordination, einer geradezu patentierbaren Schleppnetzfangmethode fürs Fischen in Innenräumen, entgehen uns hinfort keine relevanten Schälchen mehr, obgleich sie den ganzen Abend über kaum häufiger vorbeikommen als die Queen Mary 2 im hiesigen Trockendock.
Egal: Irgendwie werden wir jedenfalls satt.
Trotz „all you can eat“.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über die Vorzüge des Teamwork
1. „Let's work together“ von Canned Heat
2. „Allein machen sie dich ein“ von Ton Steine Scherben
3. „Smells like team spirit“ (haha!!!) von Nirvana
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
Zwischen zwei WM-Spielen laufen Ms. Columbo, der Franke und ich dort wohlgemut auf. Doch nachdem wir eine Viertelstunde lang ratlos suchend auf die kreisenden Gemüsetellerchen, frittierten Hähnchenunterschenkel, Gurkenstücke in Reisröllchen und pappigen Dim Sums gestarrt haben, moniere ich bei der schüchternen deutschen Bedienung die erschütternde Fischarmut, die vermutlich exakt jener der Elbe bei Dresden in den 70er Jahren entspricht. Das sage ich zwar nicht explizit, lasse es aber mitschwingen.
Der Sushikoch, beschwichtigt die junge Frau mich daraufhin eilends, sei im Verborgenen – nämlich der Küche – bereits fleißig tätig, und bald würde der Kreisverkehr, so fuhr sie sinngemäß fort, nur so strotzen vor Köstlichkeiten maritimer Herkunft.
Nach weiteren fünf Minuten des traurigen Betrachtens fischloser Sushischälchen wende ich mich erneut an die zuständigen Instanzen, diesmal aber auf höherer Entscheidungsebene, der chinesischen. Der Mann lächelt ebenso peinlich berührt wie deeskalierend und versichert mir unter unablässigem Nicken die baldige, ja gleichsam sofortige Niveauanhebung der Setlist. Murrend gehe ich zurück Ms. Columbo und dem Franken, und kaum sitze ich, liefert uns der Chinese unter Umgehung des Kreisverkehrs umstandslos eine kleine Kollektion von Lachssushi direkt an den Tisch.
Sogleich besänftigt danken wir herzlich und tun uns gütlich daran, ohne freilich zu den anderen Gästen aufzublicken, die zweifellos unsere Vorzugsbehandlung kräftig zu missbilligen wissen. Andererseits hatte ich – nur ich! – mich zweimal zum Widerstand aufgerafft, während die dumpfe Masse sich stumm in ihr Schicksal fügte. Sie sollen sich also bitte nicht so anstellen und die Zeit bis zur regulären Lieferung des Fischsushi eben mit Omelettstreifen verbringen, die rücklings auf Reisbällchen geschnallt sind.
Und siehe da: Allmählich zeichnet sich auch offiziell eine Besserung der Lage ab. Was auch dringend nötig ist, denn unsere außer der Reihe servierte Lieferung ist schon nach Sekunden aufgeteilt und verputzt. Allerdings wird uns nun auch die schlechte strategische Lage unserer Sitzposition deutlich. Wir sitzen sehr weit entfernt vom Ort der Laufbandbestückung. Jeder Lachs, alle Muscheln müssen, nachdem sie ins Rennen gegangen sind, fast eine komplette Runde absolvieren, ehe sie überhaupt in unsere Reichweite kommen. Und man kann sich vorstellen, wie schwer das angesichts der auf echtes Sushi geiernden Tai-Pan-Gäste selbst einem Fisch wie dem Lachs fallen muss, der in der freien Natur ja sogar Schleusen, Bärentatzen und wahrscheinlich auch Staudämme zu überwinden vermag, während er tapfer flußaufwärts strebt zum Ort seiner Geburt, wo er nach all der Mühsal schließlich umstandslos ablaicht und kurz darauf verstirbt.
Kurz: Es kommt weiterhin nichts Fischiges bei uns an. Von meiner Sitzposition aus sehe ich zwar mit Bassettblick, welche Must-have-Tellerchen aufs Band gestellt werden, doch der mir gegenüber sitzende Franke verfolgt kommentierend ihr Schicksal bis zu jener Sekunde, in der die besser postierte Konkurrenz sie betrüblicherweise runterklaubt.
Doch mit der Zeit schlägt sich wirklich hie und da eins durch bis zu uns. „Laggs auf vier Uhr“, raunt der Franke dann konspirativ zu uns herüber, „jetzt auf drei Uhr, auf zwei … jetzt!“, und die prächtige Ms. Columbo, perfekt platziert direkt am Band, greift beherzt zu und erlegt für unsere kleine Schicksalsgemeinschaft ein Sushischälchen – eins mit echtem Fisch!
Mit dieser perfekten Koordination, einer geradezu patentierbaren Schleppnetzfangmethode fürs Fischen in Innenräumen, entgehen uns hinfort keine relevanten Schälchen mehr, obgleich sie den ganzen Abend über kaum häufiger vorbeikommen als die Queen Mary 2 im hiesigen Trockendock.
Egal: Irgendwie werden wir jedenfalls satt.
Trotz „all you can eat“.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über die Vorzüge des Teamwork
1. „Let's work together“ von Canned Heat
2. „Allein machen sie dich ein“ von Ton Steine Scherben
3. „Smells like team spirit“ (haha!!!) von Nirvana
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
Labels: essen, franke, ms. columbo, st. pauli
4 Comments:
Großartig! Ein makelloser Text. Ich habe keine Fehler gefunden.
Ich fand es ganz aufregend den Text zu lesen. Schließlich handelt es sich bei diesem Restaurant um eins von denen, in die ich freiwillig nie gehen würde. Jetzt weiß ich auch wieder warum es sich nicht lohnt, doch mal reinzugehen.
Ich schließe mich der Lobhudelei an.
Ansonsten wundert es mich nicht - ich vermute die 09,90 Euronen stehen in keinem Verhältnis zu den Ausgaben die ein echtes AllYouCanEat Sushi verursacht. Vermutlich waren die Fische, die dann kamen, allesamt in einem russischen Atommüllablagerungshafen gezüchtet worden.
Hm, unter diesen Umständen war es ja geradezu eine Gnade, nur fischloses Sushi vorgesetzt zu bekommen. Danke für die Aufmunterung! ;-)
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