Die Bettelblickattacke
Durch den Regen bin ich mit dem Franken zum Lunch in die Filmhauskneipe gehuscht. Neben dem Nachbartisch hockt ein netter grauweißer Zottelköter, irgendetwas Bobtail-artiges von erbarmungswürdiger Harmlosigkeit. Gäbe es nur Hunde wie ihn, die Maulkorbindustrie ginge genauso schnell pleite wie in Matts Welt Bill Gates.
Ich spüre seinen Hundeblick deutlich auf der linken Wange, es ist ein Bettelblick. Weil der Franke und ich es uns schon schmecken lassen, Frauchen und Herrchen aber noch aufs Essen warten, hat Waldi sich mit großer Konsequenz von ihnen ab- und uns zugewandt. Jetzt mustert er uns durch seine Zottelhaare mit treuherziger Traurigkeit. Sein Blick ist starr, er blinzelt nie. Können Hunde überhaupt blinzeln, oder befeuchten sie ihre Augen irgendwie anders? Immer dieses Viertelwissen.
Ich grinse ihn mit gespieltem Bedauern, in Wahrheit aber erschreckend herzlos an und nehme einen weiteren Bissen von der gebratenen Putenunterkeule, die ich auf der Gabel geschickt mit einem Stückchen Salzkartoffel und gedünstetem Walzenkürbis kombiniere. Zottels Blick scheint sich leicht ins Anklagende zu verschieben, wie ich aus dem Augenwinkel zu erkennen glaube.
„Man müssde“, mümmelt der Franke zwischen zwei Bissen seines blutigen Rindersteaks, welches im Begleitschutz einer quarkgefüllten Ofenkartoffel und eines unverschämt üppigen Salates unterwegs ist, „man müssde ihn auslachen, bevor man sich dann die letzde Gabel reinschiebd!“ Ein Vorschlag, der auf die in jedem von uns glosende dunkle Seite anspielt; insofern ein guter Vorschlag. Wir müssen zu dem stehen, was und wie wir sind.
Inzwischen ist auch der Nachbartisch bedient worden, Waldi wird mit kleinen Leckerlis versorgt. Nur noch ab und zu schaut er kurz zu uns rüber, und mir wäre es allmählich lieber, unsere dunklen Seiten verzögen sich recht zügig wieder ins Off.
Der Nachhall der Putenunterkeulenbratensoße überdeckt jedoch schon bald diesen trüben Gedanken, und der Rest des Tages verläuft ohne weitere Appelle an unser ethisches Empfinden.
(Bild: Maria Maehler)
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
Ich spüre seinen Hundeblick deutlich auf der linken Wange, es ist ein Bettelblick. Weil der Franke und ich es uns schon schmecken lassen, Frauchen und Herrchen aber noch aufs Essen warten, hat Waldi sich mit großer Konsequenz von ihnen ab- und uns zugewandt. Jetzt mustert er uns durch seine Zottelhaare mit treuherziger Traurigkeit. Sein Blick ist starr, er blinzelt nie. Können Hunde überhaupt blinzeln, oder befeuchten sie ihre Augen irgendwie anders? Immer dieses Viertelwissen.
Ich grinse ihn mit gespieltem Bedauern, in Wahrheit aber erschreckend herzlos an und nehme einen weiteren Bissen von der gebratenen Putenunterkeule, die ich auf der Gabel geschickt mit einem Stückchen Salzkartoffel und gedünstetem Walzenkürbis kombiniere. Zottels Blick scheint sich leicht ins Anklagende zu verschieben, wie ich aus dem Augenwinkel zu erkennen glaube.
„Man müssde“, mümmelt der Franke zwischen zwei Bissen seines blutigen Rindersteaks, welches im Begleitschutz einer quarkgefüllten Ofenkartoffel und eines unverschämt üppigen Salates unterwegs ist, „man müssde ihn auslachen, bevor man sich dann die letzde Gabel reinschiebd!“ Ein Vorschlag, der auf die in jedem von uns glosende dunkle Seite anspielt; insofern ein guter Vorschlag. Wir müssen zu dem stehen, was und wie wir sind.
Inzwischen ist auch der Nachbartisch bedient worden, Waldi wird mit kleinen Leckerlis versorgt. Nur noch ab und zu schaut er kurz zu uns rüber, und mir wäre es allmählich lieber, unsere dunklen Seiten verzögen sich recht zügig wieder ins Off.
Der Nachhall der Putenunterkeulenbratensoße überdeckt jedoch schon bald diesen trüben Gedanken, und der Rest des Tages verläuft ohne weitere Appelle an unser ethisches Empfinden.
(Bild: Maria Maehler)
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
Labels: essen, franke, restaurant, tiere
2 Comments:
Schon wieder Pute. Wohin ist die Menschheit bloß gekommen.
Truthahn, den häßlichsten Vogel der Welt verspeisen gewisse Gourmets mit Genuß und von Waldi würden sie keinen Bissen hinunterkriegen.
Was zu beweisen wäre … Am besten im Rahmen einer Blindverkostung.
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