Der Kulturstoffel
Oft treibt es uns mittags ins winzige italienische Café Centrale. Nachdem der Wirt, der uns längst duzt und mit jovialem Handschlag begrüßt, mir unlängst auf Nachfrage die Pluralform von „doppio“ erläutert hat, bestelle ich heute forsch „Zwei Espressi doppi, bitte!“
Während er sich eilfertig ans Werk begibt, nutzt der Franke die Gelegenheit zur harschen Kritik an meiner Bestellmethode. Er – ausgerechnet er, dessen seltsamen Sprachfehler man südlich des Mains völlig vergebens als „fränkischen Zungenschlag“ zu folklorisieren versucht – er also behauptet frech, sofern er geordert hätte, wäre das Ganze komplett italianisiert abgelaufen, nämlich inklusvie des Zahlworts „due“.
Ich brause sogleich auf. Nein, nein, das wäre ganz falsch gewesen, widerspreche ich erregt, zwar nicht grammatikalisch, aber aus einem anderen Grund: Gerade die komplett italienisch artikulierte Phrase, womöglich gar beendet mit einem geschnarrten „Per favore!“, hätte die Grenze zwischen höflichem Entgegenkommen und eitler, anbiedernder Affigkeit deutlich überschritten, und zwar ganz ohne Not.
Die von mir gebrauchte Mischform hingegen, so versuche ich dem Begriffsstutzigen mühsam beherrscht zu verklickern, habe dem Wirt einerseits meinen guten Willen signalisiert, ihm aber auch klar verdeutlicht, dass ich keineswegs vorgehabt habe, sein ureigenes Territorium zu okkupieren.
Von derart spitzfindigen theoretischen Unterfütterungen meines Vorgehens ist der Franke naturgemäß überfordert, weshalb er sturköpfig einfach noch mal wiederholt, wie er bestellt hätte: „Nein, duä Äsbräsi dobbi!“
Aha, also ohne „Per favore“? Banausenfranke, Kulturstoffel, Nichtsmehrmerker!, schießt es mir stakkatisch durch den längst zornesroten Kopf. Doch noch während wir uns kabbeln, bringt uns der Wirt zum Schweigen – mit zwei Doppelespressi und ebensovielen Stücken unfassbar guten Apfelmarzipanwalnusskuchens.
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
Während er sich eilfertig ans Werk begibt, nutzt der Franke die Gelegenheit zur harschen Kritik an meiner Bestellmethode. Er – ausgerechnet er, dessen seltsamen Sprachfehler man südlich des Mains völlig vergebens als „fränkischen Zungenschlag“ zu folklorisieren versucht – er also behauptet frech, sofern er geordert hätte, wäre das Ganze komplett italianisiert abgelaufen, nämlich inklusvie des Zahlworts „due“.
Ich brause sogleich auf. Nein, nein, das wäre ganz falsch gewesen, widerspreche ich erregt, zwar nicht grammatikalisch, aber aus einem anderen Grund: Gerade die komplett italienisch artikulierte Phrase, womöglich gar beendet mit einem geschnarrten „Per favore!“, hätte die Grenze zwischen höflichem Entgegenkommen und eitler, anbiedernder Affigkeit deutlich überschritten, und zwar ganz ohne Not.
Die von mir gebrauchte Mischform hingegen, so versuche ich dem Begriffsstutzigen mühsam beherrscht zu verklickern, habe dem Wirt einerseits meinen guten Willen signalisiert, ihm aber auch klar verdeutlicht, dass ich keineswegs vorgehabt habe, sein ureigenes Territorium zu okkupieren.
Von derart spitzfindigen theoretischen Unterfütterungen meines Vorgehens ist der Franke naturgemäß überfordert, weshalb er sturköpfig einfach noch mal wiederholt, wie er bestellt hätte: „Nein, duä Äsbräsi dobbi!“
Aha, also ohne „Per favore“? Banausenfranke, Kulturstoffel, Nichtsmehrmerker!, schießt es mir stakkatisch durch den längst zornesroten Kopf. Doch noch während wir uns kabbeln, bringt uns der Wirt zum Schweigen – mit zwei Doppelespressi und ebensovielen Stücken unfassbar guten Apfelmarzipanwalnusskuchens.
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
18 Comments:
So ist der Franke. Bestelle ihm doch das nächste mal einfach einen Persipankuchen und freue Dich heimlich darüber.
Ein paar leckere Gnodschis Gorgonnsola, dazu mit dem Lambordschini ein paar Expresso holen. Kommt gut. Ehrlich.
Ich persönlich bestelle übrigens „zwei Espressos bitte“. Und zwar deswegen, weil ja Fremdwörter beim Entlehnen aus der anderen Sprache normalerweise der Muttersprache angeglichen werden. Und daher wäre im Deutschen die Bestellung zweier Espressos eigentlich richtig.
Schließlich bestellt man ja auch Pizzen oder Pizzas, keinesfalls aber Pizze, wie es die italienische Sprache vorsieht.
Hallöchen Matt
Ich habe mich jetzt (krankheitsbedingt auf dem Sofa rumlümmelnd und den Schlepptopp strapazierend) seit etwas mehr als einer Stunde durch Ihr Blog gelesen und bin begeistert.
Wollte ich Ihnen einfach nur kurz mitteilen.
Herzliebe Grüße
FranMaBe
(PS: zum Eintrag vom 16.02.06: soweit mir bekannt ist, gibt es zum Verb flanieren die durchaus ausreichende Substantivierung "das Flanieren". Wollte ich, als notorische Klugscheißerfee,nur mal kurz loswerden;) )
Als Klugscheißerfee sind Sie hier hochwillkommen – schließlich sind Sie eine Geistesverwandte … ;-)
Zum Flanieren: Ist nicht „Flanage“ eine weitaus arrogantere, schnippische, elitärere Variante? Zumal sie niemand benutzt außer mir.
Ach ja, gute Besserung!
GP, ich muss gestehen, mir käme „Espressos“ nie über die Lippen, obgleich laut Duden auch diese Variante richtig ist. Aber eben auch „Espressi“. Und das mag ich, klangästhetisch gesehen, lieber.
Bei „Pizze“ gebe ich Ihnen recht. Klingt doof.
Ich bin da auch eher in der Espressos-Fraktion beheimatet. Aber weniger aus ideologischen Gründen als viel mehr traumatischen. Vor ich weiß nicht wie viel Jahren habe ich aus Versehen beim Umschalten des Fernsehers die niemals guten dafür häufig schlechten Zeiten erwischt.
Und da bestellte gerade ein alter Mannn in einem zum verrückt werden szenigen Lokal waaaahnsinnig lässig "zwei Espressi". Seitdem bestelle ich Espressos, wohl wissend, dass der italienische Plural es anders will.
Gegen solche Geschichten kommt übrigens kein Klugscheißer der Welt an. Emotionale Intelligenz schlägt intellektuelle Intelligenz. Hab ich so gelernt.
Wie wird eigentlich in der Runde das kompromisslerische, aber nicht uncharmante „Zwei Espresso“ beurteilt?
Hat was Salomonisches, wie ich finde.
Dann doch lieber „zwei Tassen Espresso, bitte!“, das wäre nicht nur salomonisch, sondern auch noch richtig.
Oder, etwas bemüht: „Zweimal einen Espresso, bitte!“
Oder einfach: „Hömma! Mach ma zwei kleine Schwarze klar!“
Kann in bestimmten Gegenden aber mißverstanden werden.
Hallöchen nochmal.
Ersteinmal bedanke ich mich recht herzlich für die Genesungswünsche.
Was die Flanage angeht, muß ich Ihnen, so leid es mir tut, tatsächlich zustimmen. Es hört sich tatsächlich elitärer, arroganter und schnippischer an ... :D
Zum heutigen Esspresso ... (den ich momentan leider auch nicht trinken darf und daher schmachtend das Foto betrachte) ... ich finde auch, dass wenn man sich schon als nicht italienisch sprechender Mensch auf dieses köstliche Heißgetränk einläßt, hier im deutschen Sprachraum das ganze in der Mehrzahl eindeutschen darf.
Ich finde nichts schlimmer, als seelig verträumt schauende Personen, die im gröbsten Rhurpottslang >>Hömma Enrice, kannste uns ma zwei von die ESPRESSI fettichmachen?<< durch´s Lokal brüllen und dann nahtlos dazu übergehen darüber zu fachsimplen, dass sich ja im letzten Urlaub am Gardasee oder in der Toskana ÜBERHAUPT kein richtiges Italiengefühl mehr eingestellt habe, weil da soviele deutsche Touristen rumlungern würden. Natürlich werden die beiden Espressotässhen vorher unter einem Zuckerberg begraben und je entrüsteter das gemeinsame Miteinander wird, desto heftiger und lauter werden die Umrührgeräusche, welche nur von abrupten lauten Schlürfgeräuschen unterbrochen werden.
aber ja doch....Können kein Deutsch, aber machen die nette Kellnerin an, die beim Abkassieren fragt, ob denn die beiden Espressos getrennt oder zusammen bezahlt werden (woraufhin dann die Grundsatzdiskussion beginnt, wie denn nun ital. "Fachbegriffe" richtig verwendet würden ... usw.)
Das Schlimme ist, dass ich bei solchen Leuten oft das Gefühl habe, dass ihnen der Espresso (und dessen sprachlich korrekt verwendete Mehrzahl) eigentlich scheißegal ist, und sie das Getränk eh nur trinken, weil das "Doltsche Vitta" gerade so in ist und man ja mitreden können muss....
*geruselig*!
Herzliche Grüße
FranMaBe
GP, in unserem Fall hätte man sogar von „zwei großen Schwarzen“ sprechen müssen, was möglicherweise auch das Missverständnis verdoppelt hätte.
Sie machen da ein weiteres Fass auf, verehrte FranMaBe, nämlich das mit dem Zucker. Ich bin ja ein Purist und lehne Zucker im Espresso kategorisch ab, während Ms. Columbo damit nicht nur die Konsistenz der Crema überprüft, sondern wirklich den Süßungseffekt zu schätzen weiß.
Auch bei meinem Schwiegervater, einem waschechten Sarden, stieß meine Zuckerverweigerung auf kaum verhohlenes Entsetzen. Dennoch bekenne ich mich tapfer (manche sagen: störrisch) dazu und habe es im letzten Herbst sogar in Rom fast zwei Wochen lang durchgezogen, ohne gelyncht zu werden.
Kurz: Ich plädiere unbedingt für zuckerfreien Espresso. Wer noch?
Zucker ist Nervennahrung und Unterzuckerung die Ursache für geistige Trägheit. Zucker und Kaffee - in welcher Form auch immer - ergänzen sich vortrefflich. Am besten mit einem ordentlichen Batzen süßer Sahne drauf.
FranMaBe, Sie sprechen mir so aus der Seele! Dieses typisch deutsche auf-Deutschsein-Geschimpfe (das ich hiermit natürlich auch tue, eine Ebene drunter oder drüber, aber natürlich genauso, reihe mich somit natürlich in das "typisch deutsch" perfekt ein, indem ich es ablehne. Aber ich lehne es ja eigentlich nicht ab, sondern nur das Sich-darüber-aufregen, was aber leider nunmal schon wieder typisch ist und somit... ach, scheiße. Ich fang nochmal an:
In New York hörte ich letztens eine ostdeutsche junge Dame ihrer Freundin beim Verlassen eines beliebigen Plattenladens in der Nähe des Times Squares zubrüllen: „Mann, hier sind ja überall deutsche Touristen, wie scheiße“. Ich ging an ihnen vorbei und heuchelte Verständnis: „Finde ich auch.“ Ich bin mir sicher, daß sie die Ironie der Situation kein bißchen begriffen haben. Ich aber lachte mich mit meiner Kollegin noch stundenlang darüber tot.
Ich lebe noch, liegt aber nur am Espresso. Mit Zucker, natürlich, der bringt ja erst die Geschmacksstoffe so richtig zur Geltung. Sonst überlagern doch die Bitterstoffe das gesamte Geschmacksempfinden.
In dem Sinn: Noch einmal „Man spricht Deutsch“ ansehen und verstehen, warum unsere Generation so viel Angst vorm Deutschsein im Urlaub hat!
Mir wurde übrigens sowohl in den USA als auch in Spanien recht glaubhaft versichert, daß der deutsche Tourist an sich keinesfalls den Ruf genießt, den er zu haben glaubt.
Obwohl ich mich wirklich gerne daneben benehme.
Ich fasse es selbst kaum, dass ich das jetzt tue, aber korrekt heißt der Film „Man spricht Deutsh“.
Fürs Protokoll: Ich verbessere Sie, indem ich einen Fehler verteidige.
Ist Espresso ohne Zucker nicht auch eine recht deutsche Angelegenheit? Weiß ich jetzt aber nicht genau. Was ich hingegen sehr genau weiß, ist, dass Espresso magenfreundlicher ist als Filterkaffee. Und leckerer sowieso.
Man findet zumindest in Italien weniger Leute, die keinen Zucker reinkippen, aber es gibt sie.
Es kommt eben ganz entscheidend auf das Aroma des Espresso an. Ein hervorragend hergestellter Vertreter aus einer Spitzenbohne, bei dem Wasser- und Kaffeemenge in harmonischem Verhältnis stehen, der ausreichend heiß, aber nicht verbrannt wurde, bei dem der Druck stimmt: Der braucht keinen Zucker, der irgendwelche Bitterstoffe kompensieren muss. Ein Spitzenespresso, verehrter GP, ist nicht bitter.
Das erinnert mich an die Manie, Zitronensaft über Fisch zu träufeln. Das hat man früher, in ärmeren Zeiten, ausschließlich gemacht, um sogar angegammelten Fisch noch halbwegs hinunterwürgen zu können. Wieso die olfaktorische Übertünchung schlechter Qualität plötzlich sogar in Spitzenrestaurants einzog, das wissen die Götter.
Übrigens sollte auch Parfüm jahrhundertelang schlicht darüber hinwegtäuschen, dass man sich ewig nicht gewaschen hatte.
Ich mag beide Arten des Kaffees gerne. Sowohl die stärker gerösteten Espressobohnen, als auch die noreuropäische (neuere) Variante mit Filter und längerem Kontakt des Kaffees mit Wasser. Alles zu seiner Zeit, wie ich finde.
In der Tat ist der Zucker im Espresso eine völlig dem eigenen Geschmack überlassene Sache - es gibt hier leider noch keine bildungsdünkelhafte Belehrung im Netz. Jedenfalls habe ich keine gefunden. Somit möge Matt eben seinen Espresso genießen wie er mag.
Aber gegen einen Hauch von Zitrone über gegrilltem Fisch (bspw.) läßt sich ja nun auch nichts sagen - selbst wenn es da schon eine Begründung für gibt. Mir schmeckt es dennoch besser. Ebenso beim Wiener Schnitzel, bei dem der erste Bissen ja panierungsbedingt etwas trocken wäre ohne Zitronensaft.
Matt, wie Sie aber einen nicht-bitteren Espresso hinbekommen wollen, müssen Sie mir nochmal erklären, bitte! Jedenfalls glaube ich nicht, daß der völlige Verzicht auf Bitterstoffe a) möglich und b) erstrebenswert ist. ;-)
Bitterstoffe gehören natürlich dazu, keine Frage. Doch müssen sie harmonisch ins Gesamtkonzert der Aromen eingebunden sein.
Es ist wie beim Wein: Fehlt die Säure (etwa beim Riesling), ist der Wein nicht schmackhaft; dominiert sie zu stark, ist's auch nicht recht.
Wie immer im Leben geht es ums richtige Maß, um Ausgewogenheit, nicht wahr …
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