Der Polizeieinsatz
Wildes Hupen hallt durch die Seilerstraße, nachts um halb zwei. Durchdringend, langanhaltend. Wenn dieses Hupen einen Gemütszustand verkörpert, dann ist es: Wut. Ich betrete den Balkon und sehe die Bescherung. Eine junge Frau hat auf dem Gehweg geparkt und ist dann von einem weiteren Illegalen zugestellt worden. Jetzt geht nach hinten nix mehr und nach vorn erst recht nicht: ein Bauanhänger, Verkehrsschilder und ein weiterer Gehwegparker sorgen für einen vollverstellten Fluchtweg – es ist wie verhext.
Sie hupt, sie steigt aus, regt sich auf, verflucht ihr Schicksal. Was soll sie auch sonst tun – die Polizei rufen, als Gehwegparkerin? Verflixt. Inzwischen sind zwei Freunde von ihr eingetroffen, die helfen wollen. Allerdings erweist sich das Imaginationsvermögen dieses Trios als zutiefst erschütternd.
Wie man auf dem schlechten, aber dennoch aussagekräftigen Foto sieht, ist kein Meter Platz zwischen dem Halteverbotsschild und dem blauen Wagen in der legalen Parkbucht; trotzdem rangiert die Fahrerin auf engagierte Anweisungen eines ihrer Begleiter das Auto unablässig hin und her – in der Absicht, sich durchzuquetschen. „Komma, komma, komma“, lallt der dickliche Nachtschwärmer lautstark, „un’ schdobb! Un’ surügg, einschlan’g, un’ vor – schdobb!“
So geht das eine Viertelstunde lang, obwohl das Ganze ungefähr so sinnvoll ist wie der Versuch, ein Nilpferd in eine Hundehütte zu quetschen. Gleichwohl bleibt das Trio eifrig bei der Sache, drückt sogar an jenen Wagen herum („Scheise, der haddi Hannbremse ange’sogen!“), deren Abwesenheit sich die wütende Frau jetzt wohl noch sehnlicher wünscht als als eine IQ-Verdopplung ihrer Hilfstruppen.
Als die beiden Herren allerdings anfangen, die umliegenden Verkehrsschilder abzubauen, beschließe ich, die Polizei zu rufen. Schließlich sollte man weiterhin erfahren, dass die Seilerstraße ab diesem Punkt nur in eine Richtung befahren werden darf. Fünf Minuten später: Ein Streifenwagen zischt heran, zwei Polizisten springen heraus. Die beiden Begleiter der Frau verdrücken sich unauffällig, sie bleibt notgedrungen zurück.
Doch zu meiner Verwunderung stürzen die Ordnungskräfte sich plötzlich auf einen korpulenten Typen im T-Shirt, der ein paar Meter weiter vor der Spielhalle steht. Sofort werden die üblichen Klischeeschikanen durchdekliniert: Arme hoch, an die Wand, Beine auseinander. Gebrüll, Protest, das ganze Programm. Hier oben auf dem Balkon macht sich Verwunderung breit. Hallo, was ist denn nun mit dem abgebauten Einbahnstraßenschild? Ihr habt den falschen Mann!
Die Polizisten führen ihn zu einem Wagen hinter jenem, der die Frau zugeparkt hat. Auch der steht illegal auf dem Gehweg. Und er hat eine eingeschlagene Windschutzscheibe, wie ich jetzt sehe; der T-Shirt-Typ gilt offenbar als hauptverdächtig. Allerdings schwört er „bei meiner Mudder”, diese Scheibe noch nie im Leben gesehen, geschweige denn eingeschlagen zu haben.
Der Schauplatz des Geschehens hat sich verlagert, eindeutig. Schließlich lassen die Polizisten ihn doch laufen, obwohl sie das Entlastungspotenzial seines Mudderschwurs zunächst als nicht ausreichend hoch eingestuft hatten. Noch während sie Spuren am beschädigten Auto sichern, kommt endlich der Zuparker zurück. Und die Frau, die während der polizeilichen Investigation das unauffällige Mäuschen spielte, stürzt jetzt auf ihn zu, hält ihm den ausgestreckten Zeigefinger unter die Nase und faltet ihn zusammen wie eine Kiezhure ihren insolventen Freier.
„Du Wichser hast mich zugeparkt!“, brüllt sie, „was denkst du dir eigentlich dabei, Arschloch! Ich polier dir die Fresse, Pisskopp!“ Er bleibt stumm, steigt ein und fährt schnell weg. Sie auch. Und während dieser ganzen Szene stehen die Polizisten daneben; das Ganze interessiert sie für keine zwei Cent. Verschwundene Einbahnstraßenschilder, Gehwegparker, Furien am Rande des verursachten Kieferbruchs: egal. Sie bewachen ungerührt ein Loch in einer Windschutzscheibe.
Die Show ist also vorbei. Hier gibt es nichts (mehr) zu sehen. Nur zu bloggen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Polizeibeteiligung
1. „Hurricane“ von Bob Dylan
2. „Good cop bad cop“ von Everything But The Girl
3. alles von The Police
Sie hupt, sie steigt aus, regt sich auf, verflucht ihr Schicksal. Was soll sie auch sonst tun – die Polizei rufen, als Gehwegparkerin? Verflixt. Inzwischen sind zwei Freunde von ihr eingetroffen, die helfen wollen. Allerdings erweist sich das Imaginationsvermögen dieses Trios als zutiefst erschütternd.
Wie man auf dem schlechten, aber dennoch aussagekräftigen Foto sieht, ist kein Meter Platz zwischen dem Halteverbotsschild und dem blauen Wagen in der legalen Parkbucht; trotzdem rangiert die Fahrerin auf engagierte Anweisungen eines ihrer Begleiter das Auto unablässig hin und her – in der Absicht, sich durchzuquetschen. „Komma, komma, komma“, lallt der dickliche Nachtschwärmer lautstark, „un’ schdobb! Un’ surügg, einschlan’g, un’ vor – schdobb!“
So geht das eine Viertelstunde lang, obwohl das Ganze ungefähr so sinnvoll ist wie der Versuch, ein Nilpferd in eine Hundehütte zu quetschen. Gleichwohl bleibt das Trio eifrig bei der Sache, drückt sogar an jenen Wagen herum („Scheise, der haddi Hannbremse ange’sogen!“), deren Abwesenheit sich die wütende Frau jetzt wohl noch sehnlicher wünscht als als eine IQ-Verdopplung ihrer Hilfstruppen.
Als die beiden Herren allerdings anfangen, die umliegenden Verkehrsschilder abzubauen, beschließe ich, die Polizei zu rufen. Schließlich sollte man weiterhin erfahren, dass die Seilerstraße ab diesem Punkt nur in eine Richtung befahren werden darf. Fünf Minuten später: Ein Streifenwagen zischt heran, zwei Polizisten springen heraus. Die beiden Begleiter der Frau verdrücken sich unauffällig, sie bleibt notgedrungen zurück.
Doch zu meiner Verwunderung stürzen die Ordnungskräfte sich plötzlich auf einen korpulenten Typen im T-Shirt, der ein paar Meter weiter vor der Spielhalle steht. Sofort werden die üblichen Klischeeschikanen durchdekliniert: Arme hoch, an die Wand, Beine auseinander. Gebrüll, Protest, das ganze Programm. Hier oben auf dem Balkon macht sich Verwunderung breit. Hallo, was ist denn nun mit dem abgebauten Einbahnstraßenschild? Ihr habt den falschen Mann!
Die Polizisten führen ihn zu einem Wagen hinter jenem, der die Frau zugeparkt hat. Auch der steht illegal auf dem Gehweg. Und er hat eine eingeschlagene Windschutzscheibe, wie ich jetzt sehe; der T-Shirt-Typ gilt offenbar als hauptverdächtig. Allerdings schwört er „bei meiner Mudder”, diese Scheibe noch nie im Leben gesehen, geschweige denn eingeschlagen zu haben.
Der Schauplatz des Geschehens hat sich verlagert, eindeutig. Schließlich lassen die Polizisten ihn doch laufen, obwohl sie das Entlastungspotenzial seines Mudderschwurs zunächst als nicht ausreichend hoch eingestuft hatten. Noch während sie Spuren am beschädigten Auto sichern, kommt endlich der Zuparker zurück. Und die Frau, die während der polizeilichen Investigation das unauffällige Mäuschen spielte, stürzt jetzt auf ihn zu, hält ihm den ausgestreckten Zeigefinger unter die Nase und faltet ihn zusammen wie eine Kiezhure ihren insolventen Freier.
„Du Wichser hast mich zugeparkt!“, brüllt sie, „was denkst du dir eigentlich dabei, Arschloch! Ich polier dir die Fresse, Pisskopp!“ Er bleibt stumm, steigt ein und fährt schnell weg. Sie auch. Und während dieser ganzen Szene stehen die Polizisten daneben; das Ganze interessiert sie für keine zwei Cent. Verschwundene Einbahnstraßenschilder, Gehwegparker, Furien am Rande des verursachten Kieferbruchs: egal. Sie bewachen ungerührt ein Loch in einer Windschutzscheibe.
Die Show ist also vorbei. Hier gibt es nichts (mehr) zu sehen. Nur zu bloggen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Polizeibeteiligung
1. „Hurricane“ von Bob Dylan
2. „Good cop bad cop“ von Everything But The Girl
3. alles von The Police
Labels: davidwache, polizei, seilerstraße, st. pauli
10 Comments:
Wundert es da, wenn man(n) sich doch die Zeiten herbeiwünscht, in denen man einfach mal die Schrotflinte anlegen kann und das Schlafproblem mit einer einfachen Krümmung des Zeigefingers lösen kann? :))
Ich denke, so ganz abgeneigt wären da auch weder die Herren der zweitgrößten Trachtengruppe Deutschlands, noch der Großteil der Beteiligten.
Wenn Sie das mit einer Schrotflinte machten, dann wäre wohl keiner der Beteiligten damit einverstanden. Wenn es darum gehen sollte, einzelne Mitglieder aus einer Gruppe herauszuschießen, empfehle ich definitiv ein Gewehr.
Matt: Und ich finde es immer wieder verwundernd, wie solche Menschen sich auch noch im Recht wähnen! Wäre eine sauer reagierende Fußgängerin vorbeigekommen, hätte unsere Gehwegparkerin wohl nur gesagt: "Jetzt regen sie sich mal nicht so auf!"
Ich find es absolut in Ordnung, solche Arschlöcher zuzuparken, obwohl ich es selbst nie täte.
cekado, bei der Wahl der Waffen würde ich German Psycho vertrauen – seine Sachkompetenz in dieser Frage scheint mir unstrittig.
gp, ich muss die junge Frau insofern in Schutz nehmen, als der Zuparkende zum Zeitpunkt, als er sie zuparkte, noch nicht wissen konnte, dass sie aus charakterlichen Gründen zuparkwürdig war.
"...als er sie zuparkte, noch nicht wissen konnte, dass sie aus charakterlichen Gründen zuparkwürdig war."
Ganz großes Kiezkino, das. Den Satz merk ich mir und geb' ihn demnächst mal zu Protokoll.
Wenn man die Wortbestätigung für diesen Kommentar leicht zischelnd vorliest, kann man sich in etwa den Kommentar der Davidswachenjungs vorstellen. Den Kommentar der Wache Stresemannstrasse möchte ich allerdings nicht einmal ahnen.
Deine heutige Geschichte erinnert mich spontan an Del Amitri -"Nothing Ever Happens".
"ich muss die junge Frau insofern in Schutz nehmen, als der Zuparkende zum Zeitpunkt, als er sie zuparkte, noch nicht wissen konnte, dass sie aus charakterlichen Gründen zuparkwürdig war."
Einspruch! Hat sie nicht eh schon auf dem Gehweg geparkt? Irgendwann werde ich als Fussgänger über diese Kackbratzenkarren einfach drüberlaufen; meine Fahrradfahrerskills reichen leider nicht aus, um das auch mit dem Fahrrad durchführen zu können. derartige Stunts leider nicht aus
Man sollte sich immer die Kommentare durchlesen...
(..)als er sie zuparkte, noch nicht wissen konnte, dass sie aus charakterlichen Gründen zuparkwürdig war(..)
*schallendes Gelächter*
Bin ich grade bei boogie drüber gestolpert. Wie ich sehe hat er's auch hier schon gewürdigt. Ganz grosses Kiezkino? Da hat er Recht, der Gute. Das wird gleich mal geklaut und verwendet, das ist einfach zu geil. Sowas darf nicht ungelesen untergehen. ;-)
Ein Königreich für eine solche Schreibe...
Mensch, wenn ich gewusst hätte, wie gut dieser Satz ankommt, hätte ich einen eigenen Blogbeitrag damit bestritten … Zu spät. ;-)
Hm. Also wenn ich mir das Bild so angucke, dann hätte ich wahrscheinlich auch versucht, die Verkehrsschilder beiseite zu räumen. Allerdings hätte ich wohl a.) die danach auch wieder da hin gestellt, und b.) nicht so ein Tara darum gemacht.
Komische Menschen das.
a) und b) hätte ich ja nicht wissen können - weshalb ich natürlich auch in Ihrem Fall die Polizei gerufen hätte. ;-)
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