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Die Rückseite der Reeperbahn

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Mein Foto
Name: Matthias Wagner
Standort: Hamburg, Germany

Schreiberling




05 März 2010

Udo Lindenberg wird immer präsenter



Manche dürften an der Wachsversion von Udo Lindenberg vor allem die Tatsache schätzen, dass sie nicht so was wie „Keine Panik!“ nuscheln kann. Ich zum Beispiel.

Die Figur ist die jüngste Errungenschaft des Hamburger Panoptikums am Spielbudenplatz, nur wenige Meter entfernt von Lindenbergs Stern auf der Reeperbahn. Verantwortlich für die erschreckend lebensechte Nachbildung des sog. „Panikrockers“, der seit vielen Jahren in der Atlantic-Bar ungestraft verhaltensauffällig werden darf, indem er absichtlich Likör verschüttet, ist die Bildhauerin Saskia Ruth.

Die Kleidung des wächsernen Udo – samt Hut und Sonnenbrille – wurde übrigens vom Original höchstpersönlich getragen und dann gespendet. Sie ist also durch und durch mit Udos DNS imprägniert, und wer die Figur stibitzt oder auch nur den hässlichen Hut, der könnte Lindenberg klonen.

Doch wer will das schon.

Foto: Panoptikum


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02 März 2010

Fundstücke (69): Netter Versuch



Entdeckt in einer Konditorei in der Wohlwillstraße.


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28 Februar 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (24)



Im Klartext: Du kannst dir bei uns die Kante geben, bis du delirierst, aber fürs Pieseln zahlst du 50 Cent extra, denn wir kennen dich nicht.

Entdeckt in der Kleinen Schänke, Wohlers Allee.

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27 Februar 2010

Fundstücke (68): „Sie sparen: EUR 0,01“

1. Sehr merkwürdige Fehlermeldung meines Powerbooks:


2.
„Jeder Mensch sollte zu etwas gut sein. Manche verändern den Lauf der Weltgeschichte oder schreiben Sinfonien. Andere trinken Bier.“ Kramer über den Franken.

3. Aus der schriftlichen Einladung zur Mitgliederversammlung des FC St. Pauli: „Es unterbleibt vor und während der Versammlung der Ausschank alkoholhaltiger Getränke.“ Sag mal, FC St. Pauli, was denkst du eigentlich, wer wird sind – Prolls???

4. „Mich füttert keiner, ich kann in jede Hand beißen.“ Entdeckt bei Don Alphonso.

5. Geile Rabattaktion von Amazon, ein Killer:

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26 Februar 2010

Der Sandalenbuddha

Im 112er-Bus auf der letzten Bank hinten links, wo ich immer gern sitze, weil ich dort den linken Fuß schön hochstellen und mich überhaupt recht bequem und breitbeinig hinfläzen kann, da sitzt schon einer. Ich setze mich daneben.

Augenblicks hüllt mich seine Dunstglocke ein. Es ist ein Mix aus dieses Jahr noch nicht geduscht und letztes Jahr auch nicht.

Aus dem Augenwinkel sehe ich seine struppigen langen, mit Grau durchwirkten Haare, die trägt er auf dem Kopf genauso wie vorne im Gesicht, seine Jacke hat Weltkriegspatina.

Den linken Fuß – das finde ich rührend vertraut – hat er schön hochgestellt, etwa so, wie ich es tun würde. Allerdings trage ich gemeinhin feste Schuhe, zumal im Winter, und seine fahlgelben Füße stecken barfuß in halb zerfallenen Sandalen.

Ein bemitleidenswertes Wesen, dessen Äußeres nicht mit der buddhaesken, ja geradezu sandalesken Ruhe in Einklang zu bringen ist, die es ausstrahlt. Doch der Mann strahlt noch mehr aus, und das kann meine Nase nun schlicht nicht mehr ertragen.

Ich setze mich zwei Reihen weiter nach vorne. An der Haltestelle Reeperbahn steigt ein großer Mann afrikanischer Provenienz zu, sein dicker Stoffmantel mit dem Riesenkragen wirkt edel. Zielsicher steuert er (natürlich) die Rückbank an, setzt sich – und steht zwei Sekunden später wieder auf, um mir gegenüber Platz zu nehmen, obwohl er jetzt rückwärts fahren muss. Ich schmunzle, aber natürlich weiß er nicht warum.

So sorgt der struppige ungeduschte Sandalenbuddha die ganze Zeit für Verkehr im Bus, obwohl er nichts weiter tut, als ganz hinten links schön den Fuß hochzustellen und ansonsten sinnierend aus dem Fenster in eine wenig verheißungsvolle Zukunft zu starren.

Seine Barfüßigkeit erinnert mich an den Frühling, und das ist doch ein recht schönes Gefühl.


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25 Februar 2010

Ohne Worte (71): Freiheit pur



Entdeckt an üblicher Stelle in der Simon-von-Utrecht-Straße.


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24 Februar 2010

Was Kirche und Kiez trennt



Wer aktuell erwägt, zum Christentum zu konvertieren, hat die Qual der Wahl, aber buchstäblich.

Wo soll er bloß hin – zu den Kinderf*ckern, die vor jeder neuen Vergewaltigung die letzte einfach wegbeichten? Oder doch lieber zu den Suffköppen, die den Abendmahlswein wegkippen, als gäbe es selbst für sie kein Morgen?

Hach, es ist ein Krux mit dem Kreuz. Da lobe ich mir doch den Kiez: Hier ist der Sex nicht ganz so tabulos, und wer besoffen Auto fährt, ist in der Regel noch clever genug, sich nicht erwischen zu lassen.

Womit wir völlig unelegant überleiten können zum legendären Tittenmaler Erwin Ross, den Günter Zint, der unermüdlichste Kiezfotograf aller Zeiten, unzählige Male in seinem Leben abgelichtet hat.

Heute mailte mir Günter – selbst ein Kiezoriginal wie viele seiner Motive – einige sehr schöne Ross-Fotos, von denen ich hier eins dokumentiere.

Will sagen: Wer für Bücher, Filme oder was weiß ich St.-Pauli-Bilder aus knapp fünf Jahrzehnten braucht, der kommt an Günters Archiv nicht vorbei – und sollte sich einfach mal mit ihm in Verbindung setzen.

PS: Nein, er bezahlt mich NICHT für diesen Blogbeitrag.
Er wusste nicht mal was davon.


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23 Februar 2010

Skurrilitäten des Alltags

Im Hans-Albers-Eck mitten im Rotlichtviertel sahen wir vier Jungs von allenfalls knapp 18, die wie an der Schnur aufgereiht an einem Wandtresen saßen.

Die Wand vor ihnen war verspiegelt, und statt miteinander zu sprechen, starrten die Jungs die ganze Zeit ihr jeweils eigenes Spiegelbild an. Ab und zu nippten sie an ihrem (höchstwahrscheinlich illegal ausgeschenkten) Bier, ansonsten waren sie sich selbst genug. Ein irgendwie friedliches Bild. So voller Narzissmus und vielversprechender Zukunft.

Ein irgendwie unheimliches Bild
hingegen präsentierte sich mir heute Mittag im Ottenser Restaurant Zinken. Auf der Herrentoilette gibt es zwei Waschbecken im Meterabstand, und wenn du bei einem den Hahn aufdrehst, läuft synchron auch der andere. Verblüfft deklinierte ich alle Möglichkeiten durch: Der Effekt war immer der gleiche.

Zurück im Gastraum sprach ich einen Kellner darauf an. „Auf dem Herrenklo laufen immer beide Wasserhähne, wenn man einen aufdreht. Wissen Sie das eigentlich?“ Kellner: „Ja.“ Matt: „Und welchen Zweck hat das?“ Kellner: „Das ist ein Defekt.“

… Der allerdings schon jahrelang besteht, wie ich später vom Franken hörte, der diese Geschichte dereinst bereits vom Syrer erzählt bekommen hatte (der Franke selbst nämlich besucht niemals Toiletten in Gaststätten und richtet es immer so ein, dass er zu Hause … Aber lassen wir das.).

Die Waschbecken des Zinken jedenfalls verbrauchen seit Jahren ungestraft eine doppelt so hohe Wassermenge wie nötig, dabei würde man in der Sahelzone töten für zwei Tropfen davon und auf Haiti …

Aber lassen wir das.

PS: Mein Beispielfoto ist schon älter. Inzwischen heißt der Laden Zum kleinen Zinken, Untertitel: „Restaurant für Arm und Reich“. Die Herrenklohähne übten sich aber auch schon zum damaligen Zeitpunkt im Synchronfließen.


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18 Februar 2010

Fundstücke (67)



Die Kneipe Blauer Peter am Hamburger Berg übt sich in Galgenhumor.

Danke für Hinweis und Beweisfoto an Meister Miele.

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17 Februar 2010

Rubens ist tot



Wieder ein Kiezoriginal weniger.

Nach Stefan Hentschel, Käse-Renate, Opa Edi und Domenica hat es nun auch den Maler Erwin Ross erwischt.

Bis zuletzt hat der 83-Jährige – Kampfname: Rubens von der Reeperbahn – in seinem Atelier Bilder produziert. Seine saftigen Porträts draller Nackter zieren flächendeckend den Kiez. Auch die gespreizten Beine, durch die man die Ritze an der Reeperbahn betritt, sind sein Werk, und zwar sein berühmtestes.

Ross’ malte Frauen immer so, wie Klischeemachos sie sich vorstellen: üppig, kurvig, verspielt und mit sinnlichem Blick.

Die Härte des Sexgeschäfts, den Schmuddel, die emotionale Verrohung, die auf dem Kiez ja auch zu Hause sind, hat er stets rausgehalten aus seinen Bildern. Stattdessen verkörpern sie das Versprechen auslebbarer Lust – und zugleich die Chance, dass die porträtierte Sexbombe dir irgendwann zwei Kinder schenkt und ihr glücklich werdet im Treppenviertel mit Elbblick.

Seit dem 12. Februar ist Ross nicht mehr da. Seine Nackten aber werden es noch lange sein.



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16 Februar 2010

Karneval bei Lillo



Lillo ist ein untersetzter schwarz- und kulleräugiger Italiener sowie unumschränkter Cheffe des Restaurants Don Camillo e Peppone in der Seilerstraße, wo wir heute zu viert einfielen.

Lillo musste einige Pannen erklären im Laufe des Abends, zum Beispiel die rhythmischen Stromausfälle, die zum Glück durch die vorsorglich aufgestellten Kerzen vorzüglich kompensiert wurden. Oder die vergessenen Antipasti. Und er tat das mit so viel Charme und – was noch wichtiger war – generös spendierten Likören, Schnäpsen und Weinflaschen, dass wir ihm nicht die Spur böse sein konnten, ganz im Gegenteil.

„Tute mir leide mit de vergessene Antipasti“, barmte er kulleräugig. „Macht nix“, kalmierte ich verständnisvoll die Lage, „wir kommen trotzdem wieder.“ Lillo erstrahlte wie eine Lichterkette und rief: „I love you!“, wobei er eine irgendwie kugelrunde römische Version von Michael Jackson abgab, nur vokal tieffrequenter.

Zwischendurch erfreute er uns mit einer kaluaähnlichen Kreszenz namens „Jack Russell“. „So etwasse habese noch nie e-getrunke!“, versprach Lillo beim Verteilen des pechschwarzen Trunks, den ich auf 16 Umdrehungen schätzte.

„Nein, sinde 42“, korrigierte er mit plötzlich verschwörerhaft gedämpfter Stimme und informierte uns über einen erst neulich stattgefundenen Exzess zu viert, an dem er federführend beteiligt war und dessen Bilanz am Ende einen Verbrauch von sechs Flaschen Jack Russell ergab.

„Und wisse was? Wir ware nich betrunke!“, schwor Lillo und schickte einen Gehilfen aus, damit wir den kaluaähnlichen Geschmack zeitnah mit einem Kräuterlikör übertünchen konnten.

Schließlich beschwor er uns, unbedingt zu seiner Karnevalsparty am 27. Februar zu kommen. „Aber übermorgen ist doch schon Aschermittwoch“, staunte Ms. Columbo, „dann ist doch alles vorbei.“

Lillo schaute mitleidig. „In welche Monat isse Karneval?“, fragte er rhetorisch. „Im Februar“, antworteten wir unisono. „Un sibbe un zwansiste? Isse nich Fäbbuar?“, triumphierte der Philosoph vom Appenin.

Dieser Logik konnten wir uns natürlich nicht verschließen, zumal wir nach Jack Russell, Averna und sizilianischem Vino Bianco eh zu jeder Konzession bereit gewesen wären. „Bitte kommese vorbei am
sibbe un zwansiste un bringe Freunde mit“, sagte Lillo, während er die Gesamtrechnung um acht Prozent kürzte, wegen der ganzen Pannen. Man müsse sich nicht mal verkleiden, versprach er, für Getränke sei ebenfalls gesorgt, alles natürlich kostenlos. „Machese Werbung für de Karneval!“, rief Lillo.

Doch dieses Blog ist werbefrei, das würde ich natürlich niemals tun.


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15 Februar 2010

Fundstücke (66)



Dieser reizvolle Veranstaltungshinweis findet sich auf dem Monatsprogramm des Sommersalons am Spielbudenplatz – ein Killerargument für einen baldigen Besuch.

Außerdem kann man im Rahmen der Veranstaltung „SCHEISSE AUSSEHEN – SCHEISSE TANZEN“ seine hässlichste Klamotte gegen ein Astra tauschen.


Ich wühl schon mal im Kleiderschrank.


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10 Februar 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (23)



Gehwegaktualität auf dem Kiez.


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08 Februar 2010

Zwischen Ballett und Bockwurst

Abends waren wir beim Konzert der jungen russischen Klaviervirtuosin Olga Scheps in der Laeiszhalle.

Sie spielte Schumann, Mozart und Chopin auf einem Steinwayflügel, und zwar mit verblüffender physischer Eleganz. Ihre Armbewegungen ließen mich seltsame Allegorien assoziieren, zum Beispiel an Seeschlangen, die durch ein Meer aus Gelatine schwimmen.

Und wenn sie eine Taste mit dem kleinen Finger anschlug und die ganze Hand dabei aufstellte, erinnerte das an eine Ballettänzerin, die einbeinig auf der Zehenspitze balanciert.

In der Pause gab es am Laeiszhallentresen übrigens Bockwurst und Brezeln, wohl als Kontrast zur Grazie der Pianistin. Auf dem Heimweg, der dank Scheps von Euphorie überzuckert war, hörten wir dann im Vorübergehen folgenden Dialog.

Mann (steht vor seinem geparkten Wagen): „Ach du Scheiße!“
Begleiter: „Was denn – hast du etwa schon wieder einen Strafzettel bekommen?“
Mann: „Nein, ich hatte extra einen hingehängt – und der ist jetzt weg.“

Manche Leute haben Sorgen.



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07 Februar 2010

Der Umdreher

Beim Konzert von Laura Veirs im Uebel & Gefährlich steht vor uns der abgebildete Typ mit Entenfußhaltung. Seine Eigenheit: Er dreht sich alle paar Sekunden um.

Anfang dachte ich noch, er missbillige unser kurzes Geplauder, doch diese Theorie wird bald falsifiziert. Denn er dreht sich ständig um, auch nachdem wir längst verstummt sind. Mindestens viermal die Minute, erst nach links, dann nach rechts.

Sein Blick scannt dabei jedesmal die Umgebung hinter uns ab, als suchte er jemand oder fühlte sich verfolgt. Vielleicht stimmt ja auch beides. Jedenfalls fängt der Umdreher mich mächtig an zu nerven.

Statt mich aufs Konzert zu konzentrieren, entwickle ich innerhalb kurzer Zeit Zwangshandlungen. Zum Beispiel beginne ich die Sekunden zu zählen, bis der Entenfüßler erneut den Kopf wendet – da: schon wieder.

Mir schwillt der Kamm. Aber warum eigentlich? Der Typ dreht sich doch nur um. Und er schaut nicht mal uns an, sein Blick streift uns nicht mal.

Trotzdem fühle ich mich belästigt. Ms. Columbo übrigens auch, doch das stellt sich erst später heraus, als wir in stiller Übereinkunft an die Theke geflüchtet sind, um dem Umdreher zu entgehen. „Als hätte er ein Recht darauf, neugierig zu sein“, erregt sich Ms. Columbo, und zwar mit meiner nachdrücklichsten Billigung.

In mir keimt ein peinliches Verständnis für die „Was guckst du?“-Aggressoren, die nichts weiter brauchen als einen vermeintlich ungebührlichen Blick, um zuzuschlagen. Irgendwo tief in uns steckt wohl noch immer das vorzivilisatorische Instinkttier, das alles, was uns widerfährt, nach archaischen Maßstäben interpretiert – und uns entsprechend vorzivilisatorische Reaktionen nahelegt.

Allerdings sind wir nur an die Theke geflüchtet, anstatt ihm die Kauleiste zu zerdellen. Und auf diese Kulturleistung dürfen wir zu Recht sehr, sehr stolz sein.



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06 Februar 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (22)



Entdeckt an der Reeperbahn


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05 Februar 2010

Zurück aus der Zukunft



August 2018. Ich sitze in der Bar Tutto Silenzio, die seit dem Inkrafttretens des Schalleliminierungsgesetzes für Ausschank- und Gastronomiebetriebe (SchElG) unfassbar boomt, und nippe an meinem hydraulisierten Molekularshake.

Als die PVZ (Partei für Veganismus und Zwangsgesundheit) vor drei Jahren die Macht übernommen hatte, verbot sie sofort Alkohol als unethisch; und seither ersetzt der hydraulisierte Molekularshake alles mit Umdrehungen. Allerdings nur unzulänglich.

Ich sitze hier mit K., der jetzt aber viel lieber einer von 50 000 im ausverkauften Googlestadion an der Müllionisierungsanlage wäre. Dort spielen nämlich gerade den achten Abend hintereinander die famosen The Fine Arts Showcase (im Vorprogramm: The Killers, Rolling Stones), und K. jammert rum, weil er keine Karte mehr bekommen hat.

„Ich hätte auch tausend Euro statt der geforderten 330 bezahlt“, schluchzt er, „aber es gab ja nicht mal mehr einen Schwarzmarkt!“

„Und ich“, sage ich versonnen und nippe am Shake, „habe sie damals – genauer gesagt: am 4. Februar 2010 – im Molotow gesehen. Vor 36 Leuten. Mich mitgezählt.“ K. starrt mich an, als sei ich die Reinkarnation von Emmett L. „Doc“ Brown.

Dann muss ich ihm ein Autogramm geben, direkt auf sein ausrollbares 37-Zoll-iPad.

PS: Ich empfehle „Dolophine Smile“


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02 Februar 2010

Ohne Worte (70)



Entdeckt auf dem Schlachthofflohmarkt.


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31 Januar 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (21)

Skandal: Das Imperial-Theater ignoriert das Waffenverbot.

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29 Januar 2010

Medialer Wandel in der Gosse

In den späten 70er Jahren lagen manchmal halbtote „Compact-Cassetten“ im Rinnstein. Teils meterweit hatten sie in bizarren Schlingen und Mustern Magnetband ausgewürgt.

Ich fragte mich immer, was da wohl drauf sein könnte, welche Musik oder welche Stimmen, nahm aber nie eine dieser verdreckten Plastikboxen mit. Wer hatte sie überhaupt dort hingeworfen, in den Rinnstein, und warum? Ungelöste Fragen.

In den späten 80ern nahm die Anzahl der Kassetten im Rinnstein dramatisch ab, dafür fand man dort nun manchmal Floppydiscs. Das war die Urform der sogenannten „Disketten“, mit denen damals Computer gefüttert werden mussten, weil es noch kein USB oder WLAN gab.

Floppys waren ungefähr so groß wie eine 45er-Vinylsingle, aber biegbar und – wenn man die Schutzhülle aufriss – vom gleichen Braun wie das ein Jahrzehnt zuvor aus Compact-Cassetten hervorgewürgte Magnetband.

Auch die Disketten hob ich niemals auf, obwohl die Neugier, welche geheimen Daten sie wohl bergen könnten, mich durchaus umtrieb, das gebe ich zu. Doch kollateral mikroskopisch kleine Kiesel, Haare und Hundekotkügelchen ins Innere meines gigantischen 20-Megabyte-Festplattenrechners zu befördern, erschien mir allzu riskant.

Heute morgen nun, als ich kurz vorm Frühstück schlaftrunken durchs Fenster hinab auf die Seilerstraße schaute, erblickte ich weder Compact-Cassetten noch Floppys, sondern: eine größere Anzahl verstreuter, ihrer schützenden Hülle beraubter CDs, die nackt und silbrig im Morgenlicht glitzerten.

Was da wohl drauf ist? Alles ist möglich, nicht nur Musik und Stimmen: Texte, Pornos, komische Fotos, Liechtensteiner Steuerdaten. Doch ich habe sie wieder liegengelassen, wie immer in den vergangenen 30 Jahren.

All das liegt übrigens erst dann im Rinnstein, wenn seine Lebenszeit vorüber ist. Und man erfährt nie, wer es dort hingeworfen hat und warum.


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28 Januar 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (20): Die Rückseite der Reeperbahn …



… bei minus 10 Grad.


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26 Januar 2010

Busfahrers Glücksmomente

Heute traf ich den schweigsamsten Stoiker seit Buster Keaton. Er war Busfahrer der Linie 37 und sah exakt aus wie Fritz Rau: strähnige graue, zurückgekämmte Haare, schmale Lippen, Brille, grauer Bart.

Als ich grüßte und ihm im Vorübergehen meine Abokarte zeigte, blickte er stoisch durch die Windschutzscheibe.

Vom Gang aus sah ich eine Rollstuhlfahrerin, die gerne die hintere Tür geöffnet haben wollte. Ich ging den halben Weg zurück Richtung Buster und rief: „Bitte öffnen Sie die Tür für eine Rollstuhlfahrerin!“. Dann setzte ich mich.

Die Rollstuhlfahrerin klopfte gegen die weiter geschlossene Tür. Ich stand noch einmal auf und ging diesmal ganz nach vorne. „Eine Rollstuhlfahrerin möchte gern rein, könnten Sie die Tür öffnen?“, fragte ich. Buster zeigte etwa die gleiche Reaktion, wie man sie in diesem Moment auch vom Matterhorn erwartet hätte, und gab weiter stumm Karten aus.

Eine Passagierin, die als zweite in der Schlange – also in etwa einem Meter Entfernung vom Fahrer – auf die Entrichtung des Fahrpreises wartete, lächelte mich an und sagte gut verständlich: „Er kann keine zwei Sachen gleichzeitig.“ „Er kann anscheinend nicht mal hören“, antwortete ich so laut, dass er uns ebendieses Handicap zwangsläufig weiterhin vorspielen musste. Daher: keine Reaktion.

Von hinten lautes Klopfen. Tja. Man sollte halt immer ein Brecheisen mit sich führen, als Buspassagier. Ich setzte mich. Als alle neueingestiegenen Fahrgäste abgefertigt waren, öffnete der Herr der Türen endlich mit einem Tastendruck die hintere. Die Rollstuhlfahrerin fuhr herein und rief ein unberechtigtes „Danke!“ nach vorne.

Buster schloss beide Zugänge. Ein junger Mann kam angelaufen, prallte an die vordere Tür und klopfte. Der Busfahrer schaute geradeaus und fuhr los. An der Haltestelle Davidstraße dann die letzte kleine Schikane, die seinem Arbeitstag die nötige Restsüße verlieh: Am einzigen dort stehenden Fahrgast fuhr er fünf Meter weit vorbei, damit der Mann fluchen und spurten musste.

Ich liebe den HVV.



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23 Januar 2010

Tod einer Taube

In Freddys Imbiss in der Hein-Hoyer-Straße werden täglich Dutzende toter Vögel gegrillt. Heute aber war auch der Asphalt vor dem Eingang kein guter Ort für diese Spezies.

Eine Taube flatterte auf gewohnt gelassene Weise in letzter Sekunde auf, als ein Wagen von der Simon-von-Utrecht-Straße einbog. Doch diesmal hatte sie sich verschätzt. Sie geriet unter die Vorderfront, und obwohl der Fahrer ein wenig bremste (ohne ein Anhalten auch nur zu erwägen), wurde der Vogel vom rechten Vorderreifen erwischt.

Mit einem hässlichen kleinen Hoppler setzte der Wagen seine Fahrt fort. Die Taube lag reglos da. Nur ein Flügel ragte einige Sekunden lang hoch und senkte sich dann in zeitlupenhafter Eleganz auf den noch erstaunlich runden Körper.

Irgendwann, nach Hunderten gegrillter toter Vögel in Freddys Imbiss, wird dieser Körper gleichsam verschmolzen sein mit dem Asphalt der Hein-Hoyer-Straße, und ein paar festgebackene Federhärchen werden im Fahrtwind wehen, wenn ein Auto darüberfährt.

Zum Glück hatte Ms. Columbo im entscheidenden Moment nicht hingeschaut, nur ich. Und ich finde meine Ungerührtheit erschreckend.

(Beispielfoto)


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21 Januar 2010

Ihr habt es nicht anders gewollt



All ihr Haustür-, Autoreifen-, Zäune-, Bäume- und Büschebepinkler hier auf dem Kiez habt anscheinend noch immer nicht mitgekriegt, dass ihr euch die 40 Euro Bußgeld fürs öffentliche Ingangsetzen eurer eingebauten Sprinkleranlage auch ersparen könntet.

Nämlich durch – tataaaa! – das Benutzen einer öffentlichen Toilette.

Ja, so was gibt es, da staunt ihr. Zum Beispiel an der Reeperbahn gegenüber der Davidwache, an der Rückseite der Bratwurstinstitution Lukullus. Vorne auffüllen, hinten ablassen: ist doch eigentlich ganz simpel.

Durch schriftliche und – Analphabetismus ist unter euch ja gewiss weit verbreitet – auch grafisch-visuelle Hinweise versucht die Fassade euch diese simple Handlungsabfolge nahezubringen. Der heutige Blogeintrag soll die Botschaft nun weiter vertiefen und verankern. In eurem Interesse.

Denn ab sofort führe ich standardmäßig eine Heckenschere mit. Wenn ihr wisst, was ich meine.


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19 Januar 2010

Ein Schuss nach hinten

Zu den eher peinlichen Pannen, die man öffentlich unbedingt verschweigen sollte, gehört es, sich durch ein falsch angesetztes und danach fatal ausgeführtes Erkältungshusten eine ruckartige Verspannung im unteren Rückenbereich (vulgo: Arschbacke) zuzuziehen.

Sie, die ruckartige Verspannung, wäre allein freilich gar nicht sooo schlimm – wenn man davon absieht, dass Sitzen, Gehen, Stehen, Laufen, Bücken, Anlehnen, Treppensteigen, Reckturnen, Formel-1-Rennen-Fahren, Duschen und Sex praktisch unmöglich werden.

Nein, am schlimmsten ist es, nun nicht mehr dem Zwang zum Husten herzhaft nachgeben zu können, ohne dass einem Jack the Ripper augenblicklich einen rostigen Krummdolch in den Rücken rammt. Manchmal habe ich beim hochvorsichtigen, zaghaften Verzweiflungshusten auch das erfrischend unverbrauchte Gefühl, live einem Hüftknochenaustausch ohne Narkose beizuwohnen – und zwar bei mir selber.

Tagsüber zwingt mich dieses Handicap, dessen Auslöser – der Husten – ironischerweise zugleich seine größte Heimsuchung ist, immer wieder dazu, komplett würdelose Körperhaltungen einzunehmen, um möglichst den unteren Rückenbereich aus der Schusslinie zu nehmen. Kramer und den Franken amüsiert das selbstverständlich auf eine Weise, als gäbe ihnen Ricky Gervais eine Privatvorstellung.

Würdelose Körperhaltungen führen übrigens unmittelbar zur kompletten Entwürdigung des Betroffenen, da muss ich den beiden sogar rechtgeben. Mein lahmer Versuch, ihnen dozierend mit Artikel 1 GG zu kommen, wurde auf halber Strecke vom nächsten Huster torpediert – mit den entsprechenden Folgen (Jack the Ripper, Hüft-OP, würdelose Körperhaltung).

Neben allen oben aufgezählten Tätigkeiten geht übrigens so was wie auf dem heutigen Bild auch gar nicht, oh nein. Wann ist das denn wieder vorbei, Mama?

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18 Januar 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (19)



Ein heimlicher Blick in die Monica-Bar auf der Großen Freiheit

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15 Januar 2010

Erotisch wie ein Nacktmull

Auf dem Kiez wird das Jammern über den Niedergang des Rotlichtmilieus immer lauter.

Es käme nur noch Pinneberger Partyvolk, heißt es, doch keiner wolle mehr zu den Huren; die Koberer quatschten sich vergeblich die Münder fusslig; es herrsche tote Hose beim Tabledance.

Alles bestimmt richtig. Doch woran liegt’s? Vielleicht, lieber Kiez, nicht nur an den leeren Taschen des Zielpublikums; vielleicht hast du ja auch ein selbstgemachtes Problem mit deiner Außenwirkung.

Nehmen wir doch mal paradigmatisch diese Oben-ohne-Bar an der Reeperbahn, die uns mithilfe der abgebildeten Auslage von den unwiderstehlichen Reizen ihres Angebotes überzeugen möchte.

Was draußen versprochen wird, muss drinnen mindestens zur Hälfte zu einem Drittel gehalten werden, das weiß hier jeder. Doch die Strumpfhose hat maximal die erotische Strahlkraft eines Nacktmulls mit Neurodermitis. Wie müsste wohl eine Stripperin beschaffen sein, die weniger als halb so rattenscharf ist wie dieses Stück Reiz(los)wäsche …?

Es trägt auch nicht zu ihrer Wirkung bei, dass sie offenbar seit Uwe Seelers Abschiedsspiel nicht mehr gewaschen wurde. Und auch die Idee, sie an allen vier Enden mit Reißzwecken zu fixieren und diese dann dekadenlang dem gemütlichen Verrosten anheimzustellen, wirkt nur eingeschränkt aufgeilend.

Natürlich: Nicht alle Erotikangebote auf der Reeperbahn wissen so erschütternd wenig über die männliche Libido. Doch die Mehrzahl hat vermarktungstechnisch enorm Luft nach oben.

In unserer Oben-ohne-Bar ginge wahrscheinlich schon die Sonne auf, wenn man das erbarmungswürdige Strumpfhöschen rausnähme und der Leihstellerin zurückgäbe.

Vielleicht wird man dabei ja ganz in der Nähe fündig, etwa in der Seniorenwohnanlage Am Elbpark – und muss nicht mal hoch bis zum Ohlsdorfer Friedhof.

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13 Januar 2010

Unsere ermordeten Nachbarn



Erst vor kurzem sind mir die zwei Stolpersteine in der Seilerstraße aufgefallen. Das liegt wohl daran, dass ich beim Gang zur U-Bahn fast immer unsere, also die gegenüberliegende Straßenseite bevorzuge.

Die Stolpersteine sind vor der Hausnummer 17 ins Pflaster eingelassen. Sie erinnern an Bruno Müller und Werner Schmidt, zwei Männer, deren Verbrechen es war, zur falschen Zeit schwul zu sein.

Heute gibt es in der Seilerstraße eine Schwulenvideothek mit der Chance auf Vollkontakt. Ein paar Hundert Meter weiter floriert der Transenstrich, und wenn ein Freier zickt, gehen die Huren zur Davidwache und vertrauen auf die Rechtssicherheit dieses Staates.

Vor 70 Jahren wären sie dafür ins KZ gekommen, während Bruno Müller und Werner Schmidt heute im normalen Figurenensemble des Kiez nicht weiter auffielen.

Die Hausnummer 17 belegt momentan eine Diskothek: der türkische Bodrum Club.


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09 Januar 2010

Begriffen, wie’s geht



Nach einer einvernehmlich begangenen, angesichts des Weltganzen gewiss lässlichen Rechtsverletzung, für die wir zwar in die Hölle, aber nicht in den Knast kämen, und die ich hier aus naheliegenden Gründen nicht en detail ausführen möchte, rufe ich aus:

„Wir sind Schweine! Wir sind so unmoralisch!“

„Nein“, antwortet Ms. Columbo, „wir haben nur begriffen, wie’s geht.“

Schon war der Tag wieder mal gerettet.

PS: Der abgebildete Hund in der Paul-Roosen-Straße ist das perfekte Pendant zu uns, denn er hält sich, wie man sieht, penibelst an die Vorschriften.



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07 Januar 2010

Ohne Worte (68): Hamburg im Winter



Am Hauptbahnhof




Vor einem Hotel an der Alster




Auf dem Heiligengeistfeld




Alsterlauf


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02 Januar 2010

Die ersten Rätsel der neuen Dekade



Manche werden sich noch an den rattenscharfen Eintrag „Simsalabim“ erinnern, in dem ich ernsthafte Zweifel an der Natürlichkeit der Brüste von Biggi Bardot äußerte (es fielen Formulierungen wie „Kunstbusenwunder“ etc.).

Nun ist Frau Bardot bei mir vorstellig geworden, um die Echtheit ihres Vorbaus zu bestätigen. Sagen kann man allerdings viel, wenn der Tag lang ist (bzw. die Nacht kurz).

Will sagen: Bisher bleibt es bei einer wenig handfesten Behauptung, und es steht Aussage gegen Aussage. Updates folgen, sobald neue Erkenntnisse gewonnen werden konnten.

Die hätte ich auch gern hinsichtlich des abgebildeten Stuhls, der unter gewiss nicht geringen Mühen an einem Wegweiser in Fischmarktnähe befestigt wurde.

Doch sicherlich wird auch in dieser Sache hier bald jemand vorstellig, um alles aufzuklären. In diesem Sinne: ein frohes neues JA.


PS: Einen dem letzten Satz verblüffend ähnlichen Tweet habe ich wieder entfernt, damit es nicht so aussieht, als kupferte ich von mir selber ab.


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31 Dezember 2009

Silvesterappell, Teil 4



Unten am Fischmarkt herrschte heute Nachmittag die Ruhe vor dem Sturm. Doch wer weiß, ob der einsame Anhänger die Nacht unbeschadet überstehen wird.

Ein sorgenvoller Gedanke, der mich übrigens alljährlich an Silvester heimsucht und stets zu einem warnenden Appell in Form eines Blogeintrags gerinnt.

In diesem Jahr formuliere ich ihn allerdings nicht neu, sondern verweise auf die insgesamt bereits drei inständigen Vorgängereinträge, deren kassandrische Prophetie bisher noch jedes Jahr am Neujahrstag die Welt verblüffte. Außer mir natürlich.

Man sieht sich 2010, hoffentlich noch mit allen Körperteilen – und zwar am besten genau dort, wo sie naturgemäß hingehören.

(Nein, das war jetzt nicht anzüglich gemeint.)

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Falsche Signale

Sie sieht aus wie 90 plus, und wahrscheinlich ist sie das auch. Hutzelig, krumm und ohne Gebiss sitzt sie im Rollstuhl vor der Postfiliale an der Ecke, vor der die Fenster der parkenden Autos hübsch mit Schnee gepudert sind.

Gerade war sie am Geldautomaten, jetzt kommt sie zentimeterweise auf mich zugeruckelt. In der linken Hand, die auf ihrem Bauch liegt, hält sie die komplette Januarrente, und zwar in Form einer unbestimmten Anzahl von 50-Euro-Scheinen.

Das Geld leuchtet rot im weißen Licht des Kiezwinters. Ich weiß nicht genau, ob die Gefahr, an der Reeperbahn ausgeraubt zu werden, statistisch signifikant größer ist als in Altenmark an der Alz. Aber ich weiß, dass eine circa 90-Jährige im Rollstuhl mit einem Bündel rötlich leuchtender 50-Euro-Scheine vorm Bauch nicht gerade entmutigende Signale an potenzielle Diebe sendet.

„Sie sollten Ihr Geld lieber wegstecken“, empfehle ich. Ihr Rollstuhl ist inzwischen zum Stillstand gekommen. „Ich weiß“, sagt sie mit zahnarmem Lächeln und brüchiger Uromastimme, „das ist gefährlich.“

Sie beginnt mit zittrigen Fingern die Scheine in die Börse zu friemeln. Es klappt nicht, man müsste ihr tatkräftig helfen. Man müsste ihr die Börse und die Scheine abnehmen und …

Ich bin aber dann doch lieber Brötchenholen gefahren. Schließlich will ich Silvester auf German Psychos Party verbringen – und nicht auf der Davidwache.

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25 Dezember 2009

Bousdoukos hat auch eine ruhige Seite

Die automatische Damenstimme in der U3 betont unsere Haltestelle irgendwie komisch.

„Nächste Station: Sankt P…AU…li“, flötet sie. Beim Diphtong hebt sie die Stimme, und zwar anzüglich. „Als wenn sie sagen wollte: ,Sie wissen schon …'“, analysiert Ms. Columbo. Ganz genau. Ein vokales Augenzwinkern. Die Hochbahn weiß eben, was sie dem Kiez schuldig ist.

Rund um die Reeperbahn herrschte heute überwiegend Feiertagsruhe. Allerdings haben wir die Herbertstraße dahingehend nicht überprüft. Allweihnachtlich sollen sich dort ja die Entrechteten und Geknechteten besonders ballen, um sich für – sagen wir – 150 Euro temporär die Einsamkeit abkaufen zu lassen.

Wir hingegen taperten quer durch die Stadt, um im Mundsburgkino Fatih Akins „Soul Kitchen“ zu gucken. Ein Film, der wirkt, als hätte er sich an einem Aufputschmittel verschluckt, so penetrant ballert er uns mit bedeutsam gemeinter Musik zu, so überdreht ramentert das Ensemble durch die Kulissen; vor allem Adam Bousdoukos
als bandscheibenvorfallgeschädigter Gastronom.

Übrigens war Bousdoukos am Dienstag, als ich mit dem Franken und Kramer beim Mercadoitaliener speiste, ebenfalls aufgetaucht und goutierte mit ein paar Freunden die hervorragenden (weil selbstgemachten) Nudeln. Allerdings machte er privat weit weniger Krach als im Film, und wäre mir „Soul Kitchen“ am Dienstag bereits bekannt gewesen, so hätte ich Bousdoukos dafür sicher ausdrücklich belobigt.

Denn kaum etwas ist mir unangenehmer, als wenn man mich beim Lasagneessen mit Deppenleerzeichen (Foto) oder Lärm behelligt, der über das eh schon dezibelintensive Geplapper und Gelaber Kramers und des Franken hinausgeht.

Zusätzlich erträglich wäre höchstens eine Damenstimme, die „Sankt P…AU…li“ flötet, doch in der U-Bahn esse ich so gut wie nie Lasagene, vor allem keine selbstgemachte.


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21 Dezember 2009

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (18): Pooca, Hamburger Berg



Die Fassade der „Pooca-Heiligebimbambar“ ist mit tausenden von Passbildern aus dem Automaten verziert. Man kommt nicht umhin, davor stehenzubleiben und sich eine Weile der bunten Parade der Mimiken zu widmen.

Ein Effekt, auf den der Besitzer der Bar sicherlich spekuliert. Wer erst einmal stehengeblieben ist, so ein altes Koberergesetz an der Reeperbahn, ist schon so gut wie drin im Laden.

Die Automatenfotos stammen allerdings, wie es scheint, nicht von den bisherigen Gästen der Heiligebimbambbar, sondern wohl von professionellen Darstellern, die sich in interessanten Posen üben. Jene Volksnähe, welche die gesichtsgesättigte Fassade gerne ausstrahlen möchte, wird damit aber ein wenig beeinträchtigt.

Ich betrat übrigens das Pooca trotz der vielgesichtigen Argumente nicht, was vielleicht damit zusammenhing, dass sie gerade geschlossen hatte.

Doch kommt Zeit, kommt Bar. So ist das ja immer.

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Die gute Samariterin



Kälte, Eis und Schnee senken die Vollhorstquote auf dem Kiez erheblich, wie dieses Foto der Seilerstraße von heute Abend eindrucksvoll beweist: Kein einziger ist darauf zu sehen.

Doch es gibt ja auch eine erstaunlich hohe Anzahl furchtbar netter St. Paulianer, die aber auf diesem Foto ebenfalls nicht zu sehen sind. Einer Vertreterin dieser Spezis begegnete ich unlängst bei Edeka, und zwar an der Kasse.

Ich Vollhorst hatte meine Börse zu Hause vergessen, und nach dem Zusammenkramen all meines Kleingeldes kam ich auf genau 1,31 Euro zu wenig. Die Schlange hinter mir runzelte bereits die Stirn, doch was tat die Verkäuferin? Sie erbot sich, mir 1,31 Euro ihres Trinkgeldes zu leihen.

Ich wusste bis dahin schändlicherweise nicht einmal, das Supermarktverkäuferinnen überhaupt trinkgeldberechtigt sind. Doch so ist es; die 1,31, die sie mir herüberreichte, sprachen Bände. Verlegen und unter Rückzahlungsversicherungs- und Dankesgestammel nahm ich die Münzen an, nur um sie ihr kumuliert um meine eigenen kläglichen Vorräte sogleich wieder auszuhändigen.

„Bis 3 bin ich noch hier“, sagte sie. Ich huschte nach Hause, holte meine Börse und eine Flasche Weihnachtslikör, huschte wieder zu Edeka – und fand die Samariterin nicht mehr. Weder an der Kasse noch im Laden.

Ihren Namen hatte ich mir leider nicht gemerkt. Und um eine x-beliebige Kollegin mit einer Personenbeschreibung („Diese dralle Blonde mit Zopf“) zu belästigen, fehlte mir traditionellerweise der Mut.

Eine Stunde später unternahm ich den nächsten Versuch – diesmal mit Erfolg. Die auf 2 Euro aufgestockte Rückzahlung nahm dieser Engel des Advents ebenso erfreut entgegen wie den Weihnachtslikör.

Insgesamt waren das die teuersten vier Brötchen meines Lebens. Keine Ahnung, warum ich mich auf dem Nachhauseweg trotzdem reicher fühlte als vorher.


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