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Die Rückseite der Reeperbahn

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Mein Foto
Name: Matthias Wagner
Standort: Hamburg, Germany

Schreiberling




13 Januar 2010

Unsere ermordeten Nachbarn



Erst vor kurzem sind mir die zwei Stolpersteine in der Seilerstraße aufgefallen. Das liegt wohl daran, dass ich beim Gang zur U-Bahn fast immer unsere, also die gegenüberliegende Straßenseite bevorzuge.

Die Stolpersteine sind vor der Hausnummer 17 ins Pflaster eingelassen. Sie erinnern an Bruno Müller und Werner Schmidt, zwei Männer, deren Verbrechen es war, zur falschen Zeit schwul zu sein.

Heute gibt es in der Seilerstraße eine Schwulenvideothek mit der Chance auf Vollkontakt. Ein paar Hundert Meter weiter floriert der Transenstrich, und wenn ein Freier zickt, gehen die Huren zur Davidwache und vertrauen auf die Rechtssicherheit dieses Staates.

Vor 70 Jahren wären sie dafür ins KZ gekommen, während Bruno Müller und Werner Schmidt heute im normalen Figurenensemble des Kiez nicht weiter auffielen.

Die Hausnummer 17 belegt momentan eine Diskothek: der türkische Bodrum Club.


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15 November 2009

Die ökoorthografische Katastrophe

Am Hafen, gegenüber vom alten Elbtunnel (Foto), sah ich heute ein Graffito, welches bereits beim ersten Lesen die Dicke des Brettes vorm Kopf seines Verfassers unmittelbar verdeutlichte. Dort stand nämlich:

„25 MRD RAUS FÜR'N UMWELTSCHUTZ ODER BERLIN BRENNT!“

Das erinnert in seiner hirnrissigen Paradoxie an Abtreibungsgegner, die Ärzte umbringen. Beim Brennen, lieber unbekannter Synapsenmissbraucher, entstehen nämlich umweltschädliche Gase in beträchtlicher Menge – selbstverständlich auch und sogar gerade dann, wenn Berlin brennt, eine Stadt von immerhin fast 900 Quadratkilometern Fläche.

Pi mal Daumen genauso schlimm wie dein argumentativer Schuss ins eigene Knie ist jedoch nicht das fehlende Komma vor „oder“, sondern auf jeden Fall der Deppenapostroph in „FÜR’N“. Kurz: Gesamtaussage inklusive Orthografie bedürfen einer dringenden Überarbeitung.

Morgen schau ich mal vorbei und checke das Ergebnis.

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09 November 2009

Mein Mauerbröckchen



Voilà: das schönste Stück von meinen sieben Bröckchen Berliner Mauer, die ich einst persönlich vor Ort einsammelte.

Seit 1989 gingen diese historischen Artefakte bei mittlerweile vier Umzügen nie verloren, obwohl sie durchweg nur lose herumlagen, meist am Rand irgendeines Regalbretts.

Das hat bestimmt etwas zu bedeuten, etwas Wichtiges. Aber ich komme gerade nicht drauf.

Bei Ebay, das habe ich gecheckt, brächte so ein Bröckchen keine zehn Euro; selbst mit Echtheitszertifikat wäre da kaum mehr rauszuholen. Das ist enttäuschend und hat bestimmt auch irgendetwas zu bedeuten, etwas Wichtiges.

Zum Tag der Deutschen Einheit erzähle ich vielleicht die Geschichte, wie ich mal aus purer Dummheit von der Stasi verhört wurde.



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26 Oktober 2009

Der designierte Containerkanzler

Heute dämmerte mir zu meiner nicht geringen Bestürzung, dass erstmals in der Geschichte der Menschheit ein Mann, der eine Zeit im „Big Brother“-Container in Köln-Ossendorf verbracht hat, demnächst nur noch eine Zyankalikapsel weit davon entfernt sein wird, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden:

Guido Westerwelle.

Auf den Trichter brachte mich eine unverhoffte Begegnung im Fitnessstudio. Neben mir mühte sich nämlich ein einstiger „Big Brother“-Insasse. Es war jedoch nicht Westerwelle, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit „Mark“ aus Staffel 5.

Ja, verdammt: Ich habe Staffel 5 gesehen – und erwarte nun demütigst das umstandslose Geteert- und Gefedertwerden, doch ohne diesen Fernsehfauxpas wäre zweifellos die oben artikulierte Erkenntniskette (Guido, Zyankali, Kanzler) nicht zustande gekommen.

So hat selbst „Big Brother“ noch sein Gutes.


Foto: Wikipedia

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04 Oktober 2009

Fundstücke (58): Sonderpreis für Westerwähler



14,7 Prozent aller Flohmarktbesucher auf dem Schlachthof mussten am Tag der Deutschen Einheit innerlich abwägen: Stillschweigend einfach zweifünfzig für die Wurst hinblättern – oder sich trotzigstolz als Westerwellewähler outen und 50 Cent mehr berappen?

Wahrscheinlich wurden jedoch viel weniger Wurstkunden in diese innere Zerreißprobe gestürzt als im Bundesschnitt. In den beiden Wahlkreisen Eimsbüttel und Hamburg-Mitte, auf die St. Pauli sich verteilt, kam die gelbe Gefahr nämlich nur auf rund 8 Prozent. Und hier am Wurststand, ganz nah an der Schanze also, höchstens auf 3.

Das ist in Euro genau der Preis, den einen FDP-Wähler die Wurst gekostet hätte. So fügt sich alles wieder mal auf wundersame Weise zu einem harmonischen Ganzen.

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27 September 2009

Was macht eigentlich …?

„Nirgendwo in der EU“, las ich neulich im Spiegel, „sind die Nachbarschaftsbeziehungen so schlecht wie zwischen Bratislava und Budapest.“

Auf unserer Flusskreuzfahrt über die Donau verschlug es uns (u. a.) genau dorthin: nach Bratislava und Budapest. Die Sonne brannte über beiden allerdings gleich heiß, darüber sollten sie mal nachdenken.

In der hübschen Fußgängerzone der Bratislaver Altstadt lugte eine Metallfigur aus dem Gully – um den Frauen unter die Röcke zu schauen, wie unsere Reiseführerin erklärte. Zu sehen gibt es durchaus einiges, denn die Slowaken sind überwiegend rank und schlank, obwohl sie sich als Nationalgericht eine deftige Nockerlnspezialität mit Speck verordnet haben und mit verführerisch preiswertem Bier versorgt werden.

Themen- und Städtewechsel: Angesichts des Niedergangs der hiesigen Sozialdemokratie fragt sich vielleicht mancher, was eigentlich die hessische Sozisargnagelschmiedin Andra Ypsilanti inzwischen so macht. Nun, sie betreibt anscheinend ein Schuhgeschäft in der Budapester Pàrizsi utca, das ist mitten im Zentrum (Beweisfoto).

Um die Ecke von Ypsilantis neuem Lebensmittelpunkt stießen wir auf ein Lederwarengeschäft, das die eh ins lächerlich Lockvogelige lappende Rabattitis der jüngsten Zeit („Sale!“) ins vollkommen Absurde übergeigte.

Die dort von einer gelangweilten kugelförmigen Ungarin, der in Bratislava nicht mal eine Gullyfigur unter den Rock hätte gucken wollen, für 52 Euro offerierten Lederjacken sollten nämlich laut grellrotem Preisschild mal 29.900 Euro gekostet haben.

„Du meinst Forint“, versuchte Ms. Columbo ihre Ungläubigkeit mir anzulasten, doch nein: Der alte Forintpreis stand daneben, und der betrug mehrere Millionen. Für 52 Euro waren die Jacken nicht mal schlecht, doch die überwältigende Dimension des Rabattschmuhs führte bei uns zu einem intuitiven Kaufmoratorium. Beim Rest der Budapester Flaneure wohl auch, denn der Laden blieb trotz seiner wahrhaft sensationellen Offerten und draußen herumwuselnden Promotern gähnend leer.

Apropos Gähnen: Nach zweimaligem Aufstehen um 6 Uhr früh in Folge heißt es jetzt erst mal ausschlafen. Hoffentlich ohne Ypsilantiträume.

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25 September 2009

Bitte um Hilfe bei meiner Wahlentscheidung (4): Dr. Guido Westerwelle, FPD

Vorvorgestern habe ich an dieser Stelle meine Mail an die Bundesvorsitzenden von sieben Parteien dokumentiert. Meine Kernfragen waren glasklar gestellt. Sie lauteten:

1) Werden Sie einen Koalitionsvertrag akzeptieren, der die Vorratsdatenspeicherung nicht explizit abschaffen will?

2) Werden Sie einen Koalitionsvertrag unterschreiben, der sich nicht ausdrücklich gegen Netzsperren ausspricht?

3) Werden Sie einen Koalitionsvertrag akzeptieren, der die Verletzung der Privatsphäre mithilfe staatlicher Spionagesoftware nicht explizit ausschließt?

Meine Mail ging natürlich auch an FDP-Chef Dr. Guido Westerwelle (Foto: Dirk Vorderstraße). Er brauchte eine ganze Weile für die Antwort, doch schickte wenigstens eine (im Gegensatz zu CDU, Grüne, Linke und NPD), und zwar von seinem eigenen Account. Hier der Text:

Sehr geehrter Herr Wagner,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 25. August 2009 und für Ihr Interesse an liberaler Programmatik. Darüber habe ich mich gefreut.

Seien Sie versichert, dass die Freien Demokraten und ich ganz persönlich auch in Zukunft konsequent unseren Kurs für mehr Respekt vor den Bürgerrechten halten werden. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum – aber wir wenden uns entschieden gegen Maßnahmen, mit denen man keine Straftaten bekämpft, sondern eine Zensur durch die Hintertür einführt.

Zum Thema Internetzensur haben wir Liberale auf unserem Bundesparteitag in Hannover einen eindeutigen Beschluss gefasst. Mit meiner Antwort übersende (ich) (fehlte in der Originalmail, mw) Ihnen den Link zu diesem Beschluss (http://60.parteitag.fdp.de/files/3607/B-60BPT-D2.pdf). Den Kurs, den Sie darin erkennen, werden wir Freie Demokraten auch in Zukunft konsequent verfolgen.

Wie viel wir von unserer liberalen Programmatik für Deutschland umsetzen können, hängt zu allererst von unserer eigenen Stärke ab. Darum kämpfe ich für eine starke FDP in den Ländern und im Bund. Denn je mehr Wählerinnen und Wähler unsere liberale Programmatik unterstützen, desto kraftvoller können wir diese dann auch vertreten. Deshalb werbe ich um Ihr Vertrauen und bitte Sie um Ihre Stimmen für die FDP.

Nochmals vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ihnen persönlich alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Guido Westerwelle, MdB
Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion
Bundesvorsitzender der FDP

Vom Abarbeiten meiner drei Fragen kann bei Westerwelle keine Rede sein; er äußert sich eher allgemein und scheut auch Phrasen nicht („Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“). Der Verweis auf ein PDF-Dokument ist zudem unschön.

Hübsch hintersinnig ist die Passage, in der „von unserer eigenen Stärke“ die Rede ist, von der Westerwelle die Umsetzung liberaler Positionen in einer Koalition abhängig macht. Sie bedeutet im Klartext: Wenn ich die FDP nicht wähle, kann sie zwar möglicherweise trotzdem koalieren, ist aber zu kraftlos, um gegenüber dem Koalitionspartner liberale Positionen durchsetzen zu können.

Ich wäre also schuld, wenn trotz FDP-Regierungsbeteiligung Vorratsdatenspeicherungen, Netzsperren und Bundestrojaner nicht abgeschafft würden. Eine rhetorische Volte Westerwelles, vor der ich nur den Hut ziehen kann.

Und jetzt, meine Damen und Herren, wünsche ich am Sonntag gute Unterhaltung. Ich habe mich bereits entschieden.

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24 September 2009

Bitte um Hilfe bei meiner Wahlentscheidung (3): Steffen Buchholz, SPD

Vorgestern habe ich an dieser Stelle meine Mail an die Bundesvorsitzenden von sieben Parteien dokumentiert. Meine Kernfragen waren glasklar gestellt. Sie lauteten:
1) Werden Sie einen Koalitionsvertrag akzeptieren, der die Vorratsdatenspeicherung nicht explizit abschaffen will?

2) Werden Sie einen Koalitionsvertrag unterschreiben, der sich nicht ausdrücklich gegen Netzsperren ausspricht?

3) Werden Sie einen Koalitionsvertrag akzeptieren, der die Verletzung der Privatsphäre mithilfe staatlicher Spionagesoftware nicht explizit ausschließt?
Meine Mail an die SPD ging an Franz Müntefering, doch geantwortet hat Steffen Buchholz (Foto
), Mitglied des SPD-Parteivorstandes und zuständig für den Bürgerservice. Seine Mail ist von Anfang an bemerkenswert, denn er verwechselt mich mit seinem eigenen Parteivorsitzenden, wie man bereits der Anrede entnehmen kann …:
Sehr geehrter Herr Müntefering,

vielen Dank für Ihre E-Mail, die uns am 25.08.2009 erreicht hat.


Gerne nehmen wir zum Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen, das am 18. Juni 2009 vom Bundestag beschlossen wurde (Drucksache 16/12850) Stellung.


Wir müssen ein wenig ausholen, um die doch recht komplexen Zusammenhänge zu diesem sensiblen Thema deutlich machen zu können.
Wir sind überzeugt, dass alle einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung wollen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dazu mit einem Anfang Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan ein umfassendes Konzept mit konkreten zusätzlichen Maßnahmen vorgelegt. Eine der Kernforderungen lautete, dass die Strafverfolgungsbehörden dauerhaft personell und technisch gut ausgestattet sind und die internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden weiter gestärkt wird.

In den vergangenen Jahren haben wir zudem bereits das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie lückenlos unter Strafe gestellt.


Der Kampf gegen Kinderpornografie hat viele Facetten, die sich ergänzen und nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten. Unabhängig von der Frage, ob der Missbrauch von Kindern selbst zugenommen hat, stellt sich zunehmend das Problem der Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten im Internet. Dies liegt an den Besonderheiten des Internets, in dem auch rechtswidrige Inhalte schnell verbreitet und anonym sowie ohne soziale Kontrolle konsumiert werden können.


Die Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet ist deshalb ein wichtiges Thema. Das dürfte weitgehend unbestritten sein. Auch ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Ein rechtswidriges Verhalten dort kann selbstverständlich strafbar sein oder zivilrechtlich verfolgt werden.


Fraglich ist letztlich, mit welchen Maßnahmen die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet angemessen, rechtsstaatlich sauber und möglichst effektiv verhindert oder zumindest erschwert werden kann.


Bereits nach heutiger Rechtslage werden Kinderpornografie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internetprovidern heruntergenommen. Ein solcher direkter Zugriff ist im Ausland nicht möglich. Nur deshalb stellt sich die Frage nach Zugangssperren. Es geht hierbei aber nicht um eine Internetzensur,– es geht um die Bekämpfung krimineller Handlungen in einem ganz besonders gelagerten Fall.


Mit dem Gesetz wird das Ziel verfolgt, den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten zu erschweren. Uns ist bekannt, dass versierte Nutzer diese Sperrung technisch umgehen können. Es kommt aber auch darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen.


Mit dem nun beschlossenen Gesetz wurde der ursprüngliche Gesetzentwurf ganz wesentlich überarbeitet und verbessert, wobei die SPD-Bundestagsfraktion ihre wichtigsten Änderungsvorschläge in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion durchsetzen konnte. Wir haben damit auch die wesentlichen Kritikpunkte, die sich aus der Bundestagsanhörung und der Stellungnahme des Bundesrates ergeben haben, positiv aufgegriffen.


Der endgültige Beschluss hat insbesondere folgende Änderungen gebracht.


1. „Löschen vor Sperren“: Die Regelung kodifiziert den Grundsatz „Löschen vor Sperren“. Danach kommt eine Sperrung durch die nicht verantwortlichen Internet-Zugangsvermittler nur dann in Betracht, wenn eine Verhinderung der Verbreitung der kinderpornografischen Inhalte durch Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend ist.


2. Kontrolle der BKA-Liste: Die Neuregelung nimmt den Wunsch nach mehr Transparenz auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, nämlich zu bewerten, ob Inhalte die Voraussetzungen des § 184 b StGB erfüllen, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben. Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen und zu überprüfen. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste den Voraussetzungen des Paragraphen 1 Satz 1 erfüllen. Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen. Das Expertengremium wird vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit für die Dauer der Geltung des Gesetzes (31. Dezember 2012) bestellt.


3. Datenschutz: Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.


4. Spezialgesetzliche Regelung: Die im Gesetzentwurf bisher für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in eine spezialgesetzliche Regelung überführt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz soll noch deutlicher werden, dass eine Zugangserschwerung auf weitere Inhalte ausgeschlossen bleiben soll. Der Änderungsantrag geht damit auf die vielfach geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte mittelfristig weiter ausgedehnt werden.


5. Befristung: Die Geltungsdauer des Gesetzes ist bis zum 31.12.2012 befristet. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um endgültig zu entscheiden.


Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren.


Freundliche Grüße


Steffen Buchholz

SPD Parteivorstand

Partei- und Bürgerservice

mailto: parteivorstand@spd.de
Ganz offensichtlich handelt es sich bei Buchholz’ Mail um einen üppigen Textbaustein, eine Sprachregelung, die allgemein verbreitet wird, ohne auf konkrete Anliegen einzugehen.

Meine drei Fragen spielen im Einzelnen keine Rolle; alles dreht sich um Kinderpornografie, hängt also irgendwie mit Frage 2 zusammen. Die erbetenen „unmissverständlichen Antworten ohne offenstehende Hintertür“ sind dem Text nicht zu entnehmen. Wichtigste Erkenntnis: Die Handschrift der Sozialdemokraten beim Zensursula-Gesetz ist nach eigenem Eingeständnis klar zu erkennen, denn „die SPD-Bundestagsfraktion (konnte) ihre wichtigsten Änderungsvorschläge in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion durchsetzen“.


Wie tückisch es sein kann, Bürgeranfragen Textbausteine entgegenzuhalten, zeigt der Fauxpas mit der falschen Anrede. Ich bin nicht Müntefering – und nicht nur deswegen unzufrieden mit Herrn Buchholz’ kümmerlichem Kommunikationsversuch.


Morgen folgt zum Abschluss FDP-Chef Westerwelle, der zweite Bundesvorsitzende, der persönlich geantwortet hat – und mir gleich doppelt für die Mail dankt …

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23 September 2009

Bitte um Hilfe bei meiner Wahlentscheidung (2): Jens Seipenbusch, Piratenpartei

Gestern habe ich an dieser Stelle meine Mail an die Bundesvorsitzenden von sieben Parteien dokumentiert. Meine Kernfragen waren glasklar gestellt. Sie lauteten:

1) Werden Sie einen Koalitionsvertrag akzeptieren, der die Vorratsdatenspeicherung nicht explizit abschaffen will?

2) Werden Sie einen Koalitionsvertrag unterschreiben, der sich nicht ausdrücklich gegen Netzsperren ausspricht?

3) Werden Sie einen Koalitionsvertrag akzeptieren, der die Verletzung der Privatsphäre mithilfe staatlicher Spionagesoftware nicht explizit ausschließt?

Als erster antwortete der Parteivorsitzende der Piraten, Jens Seipenbusch (Foto: Rainer Klute). Hier seine Mail:

Sehr geehrter Herr Wagner,

vielen Dank für Ihre Fragen, Ihr Blog ist mir übrigens schon mal empfohlen worden von einem Freund aus Hamburg :-)

Hinsichtlich Ihrer Fragen kann ich klarstellen:

Wir werden unter meiner Leitung nur Koalitionsverträge akzeptieren, die auch folgende Ziele enthalten:
– Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland (also keine verdachtsunabhängige und anlasslose Aufzeichnung der Verbindungsdatenvon Telekommunikation). Die entsprechende Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht ist zurückzunehmen.

– keine Einführung von sog. Netzsperren, Rücknahme des Zensursula-Gesetzes, kein Aufbau von Zensurinfrastruktur für das Internet
– Verbot (bzw. keine Erlaubnis) des sog. Bundestrojaners (staatlich entwickelte Malware zum Zwecke des unbemerkten Eindringens in private Computer durch ihren Internetanschluss).

Zur Erklärung: Die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung ist eines der wesentlichen Kernziele der Piratenpartei. Viele PIRATEN arbeiten auch im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung mit und insofern gibt es keinen Zweifel, dass wir keine Koalition eingehen können und wollen, die nicht die Abschaffung dieser aus unserer Sicht auch verfassungswidrigen Massnahme anstrebt.

Das einer Zensur im Internet Vorschub leistende sogenannte Zugangserschwerungsgesetz kann getrost als rotes Tuch der Netzgemeinde bezeichnet werden, da es in bisher einzigartiger Weise all das in sich vereint, wogegen die PIRATEN angetreten sind zu kämpfen:

– Die Missachtung von Grundgesetz und Bürgerrechten, wenn es den Regierenden nützlich erscheint.
– Das totale Unverständnis gegenüber dem neuartigen Medium Internet und der Versuch, es durch Zensierung u. ä. solange einzuschränken, bis es sich nicht mehr von den alten (undemokratischeren und unfreieren) Medien unterscheidet.
– Der unerträgliche Populismus, der nicht nur begleitend auftritt, sondern hier sogar jegliches rationale Argument ersetzt und die zahlreichen, sachlich fundierten Gegenargumente schlicht übertünchen soll.

Der Bundestrojaner reiht sich als Massnahme in zwei äußerst bedenkliche Entwicklungen ein, zu deren Bekämpfung die PIRATEN angetreten sind:
1) 'jeder ist verdächtig' – Die Grundhaltung, man müsse alle seine Bürger nach Möglichkeit umfassend überwachen (können), ist der Keim eines Überwachungsstaates. Diese Grundhaltung gilt es zu revidieren.
2) 'der Zweck heiligt die Mittel' – Seit Einführung des großen Lauschangriffs und besonders nach den Anschlägen des 11.9.2001 hat auch der deutsche Staat immer weniger Hemmungen, Mittel einzusetzen, die nicht mit unserer Demokratie vereinbar sind. Hausdurchsuchungen im Falle von polizeilichen Ermittlungen finden ja aus gutem Grunde nicht heimlich statt – entsprechendes muss auch für Durchsuchungen von Computern u. ä. gelten, jegliche Heimlichtuerei passt nicht zur Ausübung staatlicher Gewalt. Die Vermischung von Polizei und Geheimdiensten ist unter allen Umständen zu vermeiden bzw. rückgängig zu machen.

Wir als Piratenpartei können diese Standpunkte übrigens u. a. deshalb glaubwürdig zusichern, weil wir uns ja programmatisch auf wenige Kernthemen beschränkt haben. In einer eventuellen Koalitionsvereinbarung wird es daher insbesondere bei der Verteidigung der Bürgerrechte und der Privatsphäre kein Zurückweichen geben. In diesem Punkte habe ich auch keinen Zweifel, dass ich unseren Mitgliedern aus dem Herzen spreche.

Beste Grüße,
Jens Seipenbusch
Vorsitzender Piratenpartei Deutschland
E-Mail: js/at/piratenpartei.de
Es war zu erwarten, dass ich bei den Piraten offene Türen einrennen würde. Trotzdem finde ich es erfreulich, wie strukturiert Seipenbusch meine drei Fragen abarbeitet. Er hat sie gelesen! Und konkret beantwortet!

Uns werden in den kommenden Tagen andere Beispiele begegnen. Morgen zum Beispiel die SPD, oh weh …



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22 September 2009

Bitte um Hilfe bei meiner Wahlentscheidung (1): Der Brief an alle

Vor einigen Wochen schrieb ich an die Bundesvorsitzenden der Parteien CDU, SPD, FDP, Linke, Grüne, Piraten und – jawoll – NPD eine Mail mit dem Betreff „Bitte um Hilfe bei meiner Wahlentscheidung“. Der Text ging so:
Von: Matthias Wagner
Datum: 25. August 2009 22:14:47 MESZ

Sehr geehrte/r Frau/Herr ?,

in jüngster Zeit gibt es in Deutschland politische Entwicklungen, die mich sehr beunruhigen. Es wurden, wie mir scheint, Freiheits- und Bürgerrechte in einem Ausmaß eingeschränkt, wie es in der Geschichte der Bundesrepublik bisher nie der Fall war, zumindest nicht systematisch.

Beispiele: Vorratsdatenspeicherung, Netzsperren oder auch das staatliche Hacken privater Computer („Bundestrojaner“).

Als Netzbürger ist für mich die Haltung der Parteien zu diesen Punkten von wahlentscheidender Bedeutung. Daher möchte ich von Ihnen wissen, welche Positionen Sie im Fall einer möglichen Regierungsbeteiligung in den unweigerlichen Koalitionsverhandlungen vertreten werden und was mit Ihnen keinesfalls zu machen ist.

Daher möchte ich Sie um Antworten auf folgende drei Fragen bitten:

1) Werden Sie einen Koalitionsvertrag akzeptieren, der die Vorratsdatenspeicherung nicht explizit abschaffen will?

2) Werden Sie einen Koalitionsvertrag unterschreiben, der sich nicht ausdrücklich gegen Netzsperren ausspricht?

3) Werden Sie einen Koalitionsvertrag akzeptieren, der die Verletzung der Privatsphäre mithilfe staatlicher Spionagesoftware nicht explizit ausschließt?

Für unmissverständliche Antworten ohne offenstehende Hintertür, die mir eine klare Wahlentscheidung ermöglichten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass ich Ihre Antworten in meinem Blog „Die Rückseite der Reeperbahn“ (http://www.mattwagner.de/blog.htm) veröffentlichen werde. Bitte antworten Sie nicht, wenn Ihnen das nicht recht ist.

Im vergangenen Monat verzeichnete mein Blog 44.171 Besucher und 67.483 Seitenaufrufe.

Vielen Dank für Ihre Mühe.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Wagner

Geantwortet haben drei (in chronologischer Reihenfolge): Jens Seipenbusch (Piraten), Steffen Buchholz (SPD-Bundesvorstand; statt Münte) und Dr. Guido Westerwelle (FDP). Merkel (CDU), Lafontaine (Linke), Roth (Grüne) und Voigt (NPD) wussten keine Antwort, oder Blogger sind ihnen egal (möglicherweise auch nur einer: ich).

Hier im Blog dokumentiere ich ab morgen die Antworten, auf dass nicht nur mir geholfen werde bei meiner Wahlentscheidung, sondern auch dem Rest der (Netz-)Welt.

Los geht es mit Jens Seipenbusch von den Piraten.

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11 September 2009

Fundstücke (56): Der Preis der Macht



In welchem Ausmaß die Macht dich zerstört, zerknautscht und unschön vermännlicht: All das zeigt dieses erschütternde neue Foto von Angela Merkel auf einem CDU-Wahlplakat in Altona.

Man möchte Merkel unter diesen Umständen gar keine weitere Amtszeit mehr wünschen. Denn wo will sie denn noch hinmutieren – zum Hulk?



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10 September 2009

Ein Ruck muss durch Ole gehen!



Wenn man während einer Busfahrt das Glück hat, neben dem legendären Fotografen Günter Zint zu sitzen, ist der Ausflug gerettet, egal was sonst noch passiert. Der Mann ist nämlich ein Anekdotenspringbrunnen.

Kein Wunder: Zint fotografierte einst im Starclub, er lernte die Beatles kennen, spielte zu Hause Jimi Hendrix Platten vor, zog mit Günter Wallraff konspirativ durch die Lande – und wies unlängst noch Eric Burdon (The Animals) darauf hin, dass er Mist schreibt in seiner Autobiografie, wenn er behauptet, er habe nie im Starclub gespielt. Hat der gute Eric nämlich doch, und Günter kann es beweisen, er war nämlich dabei.

Zint betreibt seit 1991 das Sankt-Pauli-Museum in der Hein-Hoyer-Straße, eine Schatzkiste ohnegleichen, nicht nur wegen des gewaltigen Zint’schen Fotoberges. Es dokumentiert in vielfältiger Form das Leben und Treiben auf dem Kiez im Lauf der Zeiten – und ist jetzt in Gefahr.

Denn die Stadt will den eh mageren Jahreszuschuss nicht mehr zahlen; schließlich muss unser Erster Bürgermeister Ole von Beust jeden Cent zusammenkratzen, um den städtischen Anteil am 450-Millionen-Projekt Elbphilharmonie zu wuppen.

Günter Zint und seine Tochter Lena, die gerade eingestiegen ist, könnten das Sankt-Pauli-Museum mit einem Tausendstel dieser Summe länger betreiben, als es je Huren in der Davidstraße geben wird, aber das kriegen die Zints nicht, das Tausendstel.

Deshalb hat Günter der Stadt zwei Vorschläge gemacht, von denen sie sich einen aussuchen kann – und Ole wäre echt mit der Angelrute gepeitscht, wenn er das nicht täte.

Zum Beispiel wäre der generöse Günter bereit, das komplette Museum der Stadt zu übereignen, wenn sie ihm, dem 68-Jährigen, hinfort eine monatliche Leibrente von 2500 Euro zahlte. Dafür will er sich sogar noch weiter ums Museum kümmern. Das wäre der billigste Kulturschatz, den Hamburg je erworben hätte, selbst wenn Günter 100 würde, was ihm unbedingt zu wünschen wäre.


Also, Ole: Gib dir einen Ruck!


Im Rahmen der Busfahrt hat er mich übrigens fotografiert, der legendäre Knipser. Viel mehr werde ich im Leben nicht erreichen können.

Und natürlich habe ich mich revanchiert.


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18 August 2009

Das Kurdenproblem



Es ist manchmal nicht einfach, politisch korrekt zu sein.

Da musste bei uns unten an der Ecke wieder mal ein alteingesessener Laden dichtmachen – Gentrifizierung, wir erinnern uns. Der Laden hieß Glöe und bot neben Brötchen, Bier, Salat und bunten Blättern auch Tische und Stühle an, von wo aus man mehr oder weniger gemütlich Fußball gucken konnte.

Deshalb galt Glöe im Kiezvolksmund auch als „Fussballtürke“, was ich aber erst durch die neuerdings an die Fenster gepappten Schilder erfahren habe. Die Pamphlete protestieren engagiert gegen Glöes plötzlichen Abgang; neulich standen sogar kleine Grabkerzen vor der Tür, die hat inzwischen wieder jemand abgeräumt.

Auf den angeklebten Zetteln stehen Sachen wie „Miethai = Abstieg“, „R.I.P.“, „Fussballtürke/You’ll never walk alone“ oder das auch bei Kindermorden gut eingeführte und bewährte „WARUM???“.

Ein anderes Schild konnotiert den kleinen Kiezladen mit der großen Krise: „OPEL: JA! FUSSI-TÜRKE: NEIN! WARUM?“ – und jetzt kommt endlich das anfangs erwähnte Problem mit der politischen Korrektheit ins Spiel. Auf dieses Plakat nämlich hat jemand mit Bleistift dazugeschrieben:

„Nette Soli-Aktion – aber es waren Kurden! ;-)“


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15 August 2009

Revolution ist auf Dauer langweilig



Wenn man sich samt Fahrrad vom Autoaufzug abseilen lässt an den Eingang des Elbtunnels, dann den Fluss unter– und auf der anderen Seite am Deich lang die Insel Wilhelmsburg überquert, ist man in weniger als 30 Minuten beim …



… Dockville-Festival. In weiter Ferne, so nah – zumindest mit dem Fahrrad. Verblüffend. Ich sehe mir in der Nachmittagssonne die Band Junopilot an, die einen hübsch psychedelischen Chilloutpostrockdub mit Mitwackelzwang spielt, und nicht weit davon …



… steht ein Verkaufsbus, der „Kaffee für den täglichen Aufstand“ verkauft, was mir echt zu viel wäre. Jeden gottverdammten Tag eine Revolution anzetteln? Das wird auf Dauer so langweilig wie täglich Kartoffelbrei, und man sehnte sich gewiss bald nach stinkgemütlichem Spießertum.

Deshalb lieber kein Kaffee. Stattdessen verspüre ich eine aufwallende Begehrlichkeit nach einem anständigen Milcheis und betrete den Aufstandsbus. Drinnen steht ein Typ, der mich merkwürdig anschaut, keine Ahnung warum. Er erklärt es mir: Ich habe die falsche Tür benutzt und stehe jetzt hinterm Verkaufstresen statt davor. Ups. Doch wo auch immer man steht in diesem Bus, man bekommt kein Milch-, sondern nur Wassereis, wegen der Salmonellen.




Draußen streckt derweil eine kopflose nackte Schaufensterpuppe die Beine hoch in den Himmel …



… also genau dahin, wo es sich eine dicke fette Wolke störrisch vor der Sonne gemütlich gemacht hat, was den Wilhelmsburger Gewerbebauten eine Aura aus postindustriellem Licht um die verdüsterten Häupter legt.



Auf der Rückfahrt prangt die Köhlbrandbrücke am Horizont wie ein Rieseninsekt, doch meine Speicherkarte ist voll, und ich muss ein Archivfoto aus einer ganz anderen Perspektive hervorkramen, das nicht mal ansatzweise etwas Insektenhaftes hat.

Wahrscheinlich glaubt man mir jetzt auch den ganzen Rest dieses wild zusammengestoppelten Blogeintrags nicht. Und womit? Mit Unrecht!


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13 August 2009

Ei der Tauss!



Ach herrje, die SPD mal wieder …

Erst nennt heute-Moderatorin Petra Gerster den Spitzenkandidaten versehentlich „Vizemeier“ (kriegt aber wenigstens vorm eigentlich unweigerlichen „Steinkanzler“ noch die Kurve), und dann macht die Siegburger SPD-Filiale mit einem komplett merkbefreiten Plakat Wahlkampf (via Out of Uppen
).

Beim gemeinsamen Betrachten dieses … nun ja … diskutablen Entwurfs springt ausgerechnet der Franke den SPD-Layoutern bei. Die Siegburger SPD in Gestalt von Herrn Sauerzweig, führt er plausibel aus, sei einfach derart unschuldig und reinen Herzens, dass sie niemals auf jenen schmutzigen Gedanken gekommen wäre, den wir und der Rest der Welt natürlich sofort haben.

Ja, er hat Recht: Das Böse, Gemeine, Widerwärtige entsteht erst im Auge des Betrachters. Wir sind die Ekligen, nicht die Siegburger SPD! Im Grunde wird sie also gerade durch die besondere Art und Weise der Gestaltung dieses Plakates – jawohl! – wählbar.

Mich würde trotzdem interessieren, wie Ex-SPDler Jörg Tauss den Entwurf findet.



Edit 14.8.2009, 00:41

Das Plakat ist schon von 2008 und wurde von der Siegburger SPD längst eingemottet. Meine Quelle, das „Out of Uppen“-Blog, ist seit heute Abend plötzlich nicht mehr existent, doch es gibt viele Quellen im Netz, z. B. die hier. Das Plakat war demnach rund sieben Stunden bei der SPD Siegburg online; die Lücke klafft dort noch heute.



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02 August 2009

Ohne Worte (53): The shape of things to come

Entdeckt in der Clemens-Schultz-Straße, St. Pauli

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28 Juli 2009

„Gesundes Volksempfinden“ wird (fast) komplett ignoriert

Es ist einer der größten sprachlichen Ausrutscher seit Erstürmung des Führerhauptquartiers, doch kaum einer regt sich drüber auf:

CDU-Politiker Georg Schirmbeck (r., Pressefoto) nutzt das lachhafte Nichtmalskandälchen um Ulla Schmidts Dienstwagen, um den zuletzt von Joseph Goebbels benutzten Begriff des „gesunden Volksempfindens“ zu revitalisieren.

Der geschätzte Bloggerkollege German Psycho greift das Thema treffsicher auf – und das ist so bezeichnend wie unheimlich: Während die „Holzmedien“ sich begeistert auf die sog. Dienstwagenaffäre stürzen, darf ein Schirmbeck unkommentiert im braunen Sprachschlamm waten.

Es bleibt wohl an der Blogosphäre hängen, ein wenig Terz zu machen.

Einverstanden?


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15 Juli 2009

Marburger Nachlese



Linke Nostalgie lässt sich in Marburg immer noch aufspüren, zumal am Fachbereich Politologie. Man findet recht leicht Parolen, mit denen man sich im existenzialistischen Stehkragenpulli fotografieren lassen kann. Doch auf den Mensatischen liegen keine revolutionären Kampfpamphlete mehr, sondern nur noch Flyer, die zur nächsten Party einladen. Wenn etwas die totale Kapitulation der Linken und den Sieg des Kapitalismus verkörpert, dann das. Daran ändert auch die Wirtschaftskrise nichts.



Immerhin rührt sich noch ein wackerer Rationalismus. Das Graffito „Kein Gott!“ ausgerechnet an die gotische Elisabethkirche zu sprühen, verrät einerseits eine treffsichere Zielidentifikation, andererseits aber auch kulturelles Banausentum – ein großer Schritt für den Sprüher und ein kleiner Richtung Taliban.



Das in der Barfüßer Straße entdeckte Warnschild hängt näher am BH als am maroden Gully, deshalb bin ich unsicher, welchen von beidem es gilt – und was das je nach dem für die Situation der Moral in Marburg bedeuten könnte.

Vor der Unibibliothek stießen wir auf einen St.-Pauli-Stromkasten. Der Kiez ist überall, heimelige Gefühle brandeten auf – und wir fuhren nach Hause. Ab sofort wird also wieder über die Reeperbahn gebloggt.

Mit allen Risiken und Nebenwirkungen.


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24 Juni 2009

Es wird eng für Bodyhoster!

Das Hamburger Landgericht mal wieder!

Rapidshare, so seine aktuelle Entscheidung, hat als Filehoster dafür zu sorgen, dass keine illegalen Inhalte auf seinen Servern hinterlegt sind – und das ist ungefähr so, als verpflichtete man Banken, in ihren Schließfächern sämtliches Diebesgut zu identifizieren und dann zu entfernen.

Oder als verdonnerte man die Post vorm Transport zum Check aller Briefe und Päckchen auf justiziable Inhalte. Oder als verböte man Friedhöfen als „Bodyhoster“ die Endlagerung von Leuten mit Schufaeintrag.

Apropos: Das heutige Foto entstand auf dem Ohlsdorfer Friedhof, und zwar noch vor dem Urteil des Hamburger Landgerichts.



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23 Juni 2009

Gentrifizierung oder Der Müll, die Stadt und der Kot



In Schanze und St. Pauli gibt es eine immer wütendere Protestbewegung gegen Gentrifizierung, also die Luxussanierung von Altbauwohnungen. Nach Um- oder gar Neubau kann sich eine neue kapitalkräfige Klientel in 120-Quadratmeter-Pitchpine-Lofts verlustigen und wohlig erschaudernd die nahe Gefahr des Rotlichtviertels imaginieren, während alteingesessene St. Paulianer mangels Moneten wegziehen müssen nach Billstedt.

Mit diesem zu Recht bekämpften Phänomen geht eine erschreckende „Lattemacchiatisierung“ einher. Überall eröffnen gerade schicke Cafés für die
120-Quadratmeter-Pitchpine-Loftbewohner, und zwar genau da, wo früher ranzige Spelunken einen Hauch von Kotze und Abenteuer verströmten. Ich meine: Inzwischen gibt es hier sogar Naturheilpraxen! Aber auch überall Aufkleber der Protestbewegung, die den Widerstand mobilisieren sollen.

Auf einem steht „Get out yuppiescum! Schanze bleibt dreckig“, und das gefällt mir nicht. Ehe ich aber zu den Gründen meines Missbehagens komme, muss ich noch einen Schlenker machen.

Wir leben seit 14 Jahren in unserer heruntergekommenen Vierzimmerwohung von 1901, das Parkett ist schäbig, der achtfach überstrichene Stuck nur noch halb da, die Starkstromleitungen für die Nachtspeicheröfen liegen überm Putz, und hinter den Regalen sitzt der Muff von hundert Jahren.

Klar, wir könnten anfangen herumzurenovieren, doch ganz abgesehen von unseren insgesamt vier linken Händen wäre das alles ein Fass ohne Boden. Also bleibt alles, wie es ist. Und warum auch nicht? Die Wohnung ist auf eine denkbar gemütliche Art verfallen, nirgends gibt es Schimmel, und jedes Wochenende wird sie geputzt und gesaugt (nur nicht hinter den Regalen).

Sie ist alt, recht günstig für ihre Größe, und in den meisten Räumen könnte man vom Boden essen, zumindest sonntags nach dem Großreinemachen. Und wenn man sie verlässt und hinausgeht ins Viertel, auf die Reeperbahn oder zur Schanze – jetzt endet der Schlenker –, stößt man auf Antigentrifizierungsaufkleber, die „Get out yuppiescum! Schanze bleibt dreckig“ fordern.

Das gefällt mir nicht, auch wenn ich von Lattemacchiatisierung und Naturheilpraxen so viel halte wie Benedikt XVI. von Gangbangs. Und zwar aus zweierlei Gründen.

Zum einen nennt man in Deutschland Menschen nicht mehr „Abschaum“, nie mehr; selbst Yuppies nicht. Und zum anderen vermag ich selbst als Bewohner einer heruntergekommenen Jugendstilwohnung die normative Bejahung von Dreck nicht nachzuvollziehen, weder ratio- noch emotional.

Ehrlich gesagt kenne ich keinen einzigen St. Paulianer, der versonnen vor Glück die Nüstern bläht, wenn es in einer Kiezecke mal wieder nach Urin oder Schlimmerem stinkt. Ich kenne keinen, der Blutlachen als Folklore glorifiziert. Und niemand, der den sonntagabendlichen Müllmix aus Dönerschachteln, Pommesresten, Menschen- und Hundekacke, zweckdienlich benutzten Kondomen und Scherbensalat als zivilisatorische Errungenschaft feiert.

Kurz: Wer Bevölkerungsgruppen als Abschaum verdinglicht (der doch dann zweifellos auch ethnisch gesäubert werden müsste, nicht wahr?), während er zugleich Schmutz und Verfall als erhaltenswerte Ziele preist, der hat meine Sympathien nicht.

Außerdem hat die blöde Gentrifizierung auch ihre Ästhetik – wie man an der Abendsonne sieht, die den Yuppiegötzentempel schlechthin,
das Nobelhotel Empire Riverside in der Davidstraße, erheblich öfter liebkost, als es den Abschäumern lieb sein dürfte.


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19 Juni 2009

Zensur hat (k)ein Imageproblem



Wer gestern wie abstimmte übers buchstäblich bahnbrechende Zensurgesetz, das kann man heute beim ZDF-Parlameter nachlesen.

Einige Details sind hochinteressant. So gibt es innerhalb der 190-köpfigen SPD-Fraktion nur drei Abgeordnete, die gegen den Entwurf stimmten. Und einer davon ist – sieh an, sieh an – der im Frühjahr verhaltensauffällig gewordene Jörg Tauss (unten r.).

Wir erinnern uns: Der Karlsruher Parlamentarier verlor seine Immunität und musste alle SPD-Ämter niederlegen, nachdem die Staatsanwaltschaft bei ihm kinderpornografisches Material entdeckt hatte. Sein Bundestagsmandat behielt Tauss jedoch – und nutzte es gestern, um gegen die virtuellen „Stopp“-Schilder zu stimmen, die uns den Zugang zu Päderastenseiten erschweren sollen. Schön, dass aus ihm nun ein aufrechter Kämpfer gegen die Zensur geworden ist.

Während Tauss in seiner Fraktion immerhin noch zwei Gleichgesinnte fand, ist CDU-Mann Jochen Borchert der Einsamste von allen, nämlich das einzige schwarze Schaf unter 223 Schwarzen. Von der kompletten CDU votierte allein Borchert gegen die Machenschaften seiner Parteifreundin Zensursula.

Das muss nicht unbedingt am Demokratieverständnis oder dem empfindsamen Gewissen des Ex-Landwirtschaftsministers liegen, sondern kann auch ganz handfeste familiäre Hintergründe haben. Denn er ist der Vater von Katharina Borchert, einst als „Lyssa“ die bekannteste Bloggerin der Republik und jetzt Onlinechefin der WAZ. Und Lyssa hat Papa Jochen womöglich vorher eingenordet.

Solch einen Coach hätten auch die Linken Lothar Bisky und Oskar Lafontaine gebrauchen können. Beide konnten sich nicht zu einer Ablehnung des Gesetzes aufraffen, sondern blieben lieber fern. Vielleicht eine kleine nostalgische Hommage an alte SED-Zeiten, als das Wort „Zensur“ noch nicht so ein schreckliches Imageproblem hatte wie heute.



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25 Mai 2009

Gesichtszwillinge (22)



Zugegeben, die Haarfarbe stimmt nicht.


Fotos: zish.ch und siimpsonspedia


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17 Mai 2009

Schein und Sein



Als ich heute in Würzburg durch die Innenstadt lief und auf das Plakat mit Meryl Streep stieß, dachte ich: Hoppla, die Hollywooddiva macht jetzt Wahlkampf für die Schwarzen?

Andererseits wäre das kaum frappierender als ein Spot, in dem Bruce Willis gemeinsam mit Rudi Assauer auftritt.

Auf dem CSU-Wahlplakat stand allerdings nicht der Name „Meryl Streep“, sondern der einer gewissen Angela Merkel. Aus irgendeinem Grund erinnerte mich das ans Motiv einer Bierwerbung vergangenes Jahr hier auf dem Kiez.

Keine Ahnung warum – schließlich zeigt es ebenfalls nicht Meryl Streep.



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12 Mai 2009

Die Wahrheit hinter DHL

Manche Menschen sind mir ein Rätsel.

Ich meine: Wer setzt sich bloß hin und verschwendet Lebenszeit, um ein denunzierendes Logo zu entwerfen, das Motiv teuer auf Klebepapier drucken zu lassen und es dann an Altonaer Briefkästen zu pappen?

Und warum nur so viel Aufwand wegen eines Transportunternehmens?

Wäre diese Lebenszeit nicht besser investiert gewesen, wenn man Goethe gelesen hätte oder meinetwegen auch Charlotte Roche oder auch einen Abend lang das Muster der Wellen am Elbstrand in Neumühlen? Ganz bestimmt.

DHL leitet sich übrigens in Wahrheit ab von den Anfangsbuchstaben der Unternehmensgründer Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn. Sagt Wikipedia.



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