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Die Rückseite der Reeperbahn

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Mein Foto
Name: Matthias Wagner
Standort: Hamburg, Germany

Schreiberling




07 März 2010

Wir haben alle unser(e) Päckchen zu tragen



Der aufregendste Moment heute beim Spiel HSV gegen Hertha (1:0, Jansen, 40.) war keiner, der auf dem Spielfeld passierte. Sondern der, als mir mein Etui mit der Sonnenbrille ins Klo fiel.

Zum Glück hatte mein Vorgänger ordnungsgemäß gespült. Danke, Unbekannter. Dennoch war das Ganze eine recht unangenehme Sache. Immerhin konnte ich das Etui spitzfingrig von der Wasseroberfläche klauben, weil es aufschwamm. Die Brille alleine hingegen wäre zweifellos sofort untergegangen, und ob ich mental in der Lage gewesen wäre, meinen halben Oberkörper im Abfluss zu versenken wie einst Ewan McGregor in „Trainspotting”(Foto) – nun, da bin ich mir nicht so sicher. Doch das war ja auch dank des Etuiauftriebs nicht nötig.


Das Wasser hatte sich gleichwohl ohne Umschweife durch die Ritzen des Behälters gezwängt und drinnen ein bisschen umgeguckt, zuungunsten meiner Sonnenbrille. Eine (zumindest subjektiv) ekle Entwicklung, der schleunigst entgegengetreten werden musste. Doch selbstverständlich war der in Sachen Hygiene liederliche HSV nicht auf die Idee gekommen, seine Klos mit etwas so Absurdem wie Toilettenpapier auszustatten.

Wer dem Verein jetzt beispringen und einwenden möchte, das Papier sei eben unterm Ansturm harndranggeplagter Massen irgendwann ausgegangen, dem muss ich leider lauthals entgegenschleudern, dass sich mein Missgeschick noch vorm Anpfiff zutrug, und wenigstens zu diesem Zeitpunkt hätte doch irgendwo in dieser gottverlassenen Kabine zumindest eine kümmerliche Rolle auffindbar sein müssen, NICHT WAHR?

Wie auch immer: Ich konnte nicht direkt vor Ort mit ersten Trocknungsmaßnahmen beginnen, und das verbesserte meine Laune keineswegs. Derweil hatte der Stadiondebütant German Psycho draußen auf der Tribüne ganz andere Sorgen:

a) schämte er sich aus ästhetischen Gründen in Grund und Boden für seine über die Jeans gezogene Jogginghose („Sie passte nicht drunter!“). Außerdem fror er b) erbärmlich am Kopf, weil er sich weigerte, die von mir angebotene Wollmütze zu tragen („Damit sehe ich scheiße aus!“ „Aber du siehst dich doch damit gar nicht.“ „Aber ich weiß, dass ich damit scheiße aussehe!“).

c) bekam er Eishände, weil er nicht an Handschuhe gedacht hatte, aber dennoch entschlossen war, sich an zwei Grad kaltem Bier zu delektieren. Und schließlich hatte er d) noch immer daran zu knabbern, dass er mit seinem Outfit vorhin bei McDonalds nicht weiter aufgefallen war, er war praktisch einer von diesen Leuten gewesen …

Das Etui habe ich übrigens weggeworfen.

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11 Oktober 2009

Die fatalen Folgen von Pfefferminztee auf polnische Kracherblondinen

Ms. Columbo, German Psycho, Pat Bateman, Cinema Noir und ich haben den besten Platz in der schlauchförmigen Bar Gazoline in Ottensen, nämlich direkt am einzigen Fenster mit freiem Blick auf die Bahrenfelder Straße.

Dort passiert zwar nix, aber trotzdem. Könnte ja.

Nach einem mäßigen Bioriesling und einem erheblich passableren Grauburgunder haue ich bereits Thesen raus, die die Welt noch nie gehört hat und deshalb dringend braucht. Zum Beispiel die, dass es bei Frauen auf die inneren Werte ankäme.

„Und auf Doppel-D!“, plärrt GP, was ich mit dem Argument auskontere, das von Doppel-D bergend und stützend Umschlossene zähle ja wohl ebenfalls zu den inneren Werten, denn es sei ja gerade durch die segensreiche Wirkung von Doppel-D nicht sichtbar. Und so weiter.

Später in der Nacht landen wir in der bekanntlich schlimmen Kiezspelunke Windjammer in der Davidstraße. Dort ruft Ms. Columbos argloser Getränkewunsch bei der so polnischen wie tiefdekolletierten Kracherblondine, die hier gemeinsam mit ihrer Schwester als Tresendame fungiert, eine beeindruckende Reaktion hervor.

„Haben Sie Pfefferminztee?“, fragt Ms. Columbo nämlich.

Die polnische Kracherblondine bricht augenblicks mit vors Gesicht geschlagenen Händen auf dem Tresen zusammen und beginnt fassungslos zu gackern, während sie ihre Blondmähne derart schüttelt, als wolle sie damit den nicht vorhandenen Ventilator vertreten.

Ein Ventilator wäre übrigens bitter nötig, denn hier wird geraucht. Vor allem Zigarillos, die Pat Bateman generös verteilt, sogar an ausgewählte andere merkwürdige Menschen, die es aus unerfindlichen Gründen ebenfalls heute Nacht in den Windjammer gezogen hat.

Also kein Pfefferminztee, entnehmen wir der Reaktion hinterm Tresen.


Los geht eine mühselige Suche nach Ersatz. Neben den zwölfhundertvierundachtzig Sorten Alk, die Windjammer-Chef Fred aus durchweg durchsichtigen Erwägungen offeriert, gibt es immerhin auch ein Getränk ganz ohne Umdrehungen, nämlich – tätä – Apfelsaft (links unten).

Und das muss man an dieser Stelle einfach mal so stehenlassen.


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08 August 2009

Spinat, Baby!



In Tim Mälzers neuem Restaurant Bullerei bestellen German Psycho und ich mittags nur deshalb als Nachspeise Cremacatalanarotebeerentiramisu, weil Mälzer so wagemutig war, das Wort ohne einen einzigen Bindestrich auf die Speisekarte zu zwängen.

Allerdings wird der gute Eindruck nicht unwesentlich geschmälert durch ein bestürzendes Deppenleerzeichen in „Baby Spinat“ nur wenige Zeilen darüber. Geschmeckt hat die Cremacatalanarotebeerentiramisu übrigens ganz ausgezeichnet.

Später begegnen Ms. Columbo und ich in der Seilerstraße einer enorm asymmetrisch gebauten Frau, ein arg verblühtes Babe mit Tätowierungen auf den fleischigen Armen, aschblondem Haar und Zähnen aus erstarrtem Zigarrettenrauch.

Während ihr Oberkörper von unfassbar überdimensionierten Brüsten zur ballonartigen Form aufgebläht wird, wirkt sie untenrum wie auf Grashalme gebaut.

„Bestimmt ist sie eine altgediente Hure, die sich zur Ruhe gesetzt hat“, flüstere ich. „Ich hätte bei den spindeldürren Beinen eher auf Junkie getippt“, sagt Ms. Columbo.

Wahrscheinlich haben wir beide Recht, und es handelt sich um eine Kombination aus beidem. Eine ordentliche Portion Cremacatalanarotebeerentiramisu täte ihr auf jeden Fall gut – was immer das auch für lageverschärfende Folgen auf ihren Oberkörper hätte.


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28 Juli 2009

„Gesundes Volksempfinden“ wird (fast) komplett ignoriert

Es ist einer der größten sprachlichen Ausrutscher seit Erstürmung des Führerhauptquartiers, doch kaum einer regt sich drüber auf:

CDU-Politiker Georg Schirmbeck (r., Pressefoto) nutzt das lachhafte Nichtmalskandälchen um Ulla Schmidts Dienstwagen, um den zuletzt von Joseph Goebbels benutzten Begriff des „gesunden Volksempfindens“ zu revitalisieren.

Der geschätzte Bloggerkollege German Psycho greift das Thema treffsicher auf – und das ist so bezeichnend wie unheimlich: Während die „Holzmedien“ sich begeistert auf die sog. Dienstwagenaffäre stürzen, darf ein Schirmbeck unkommentiert im braunen Sprachschlamm waten.

Es bleibt wohl an der Blogosphäre hängen, ein wenig Terz zu machen.

Einverstanden?


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04 Juni 2009

Eine andere Form von Sado

Besuche mit GP die Lesung einer Sado-Maso-Autorin in der Boutique Bizarre auf der Reeperbahn. GP ist zwar grundsätzlich eher für S ohne M zuständig, doch er hat seine Chromaxt eh zu Hause vergessen.

Die Boutique Bizarre führt Fetischaccessoires und Sexspielzeuge aller Art und darüber hinaus; es gibt sogar Bereiche, vor denen Schilder hängen wie: „Nur bei ernsthaftem Kaufinteresse betreten!“

Als ich die Packung einer sich an die weibliche Kundschaft wendenden „Intimsaugschale“ fotografiere, werde ich von einem wuchtigen Schnauzbart hinterm Tresen darauf hingeweisen, dass derlei hier unerwünscht sei.

„Manche Kunden wollen nicht im Internet landen“, erläutert er.
„Der Verpackung einer Intimsaugschale ist das aber wahrscheinlich egal“, erwidere ich, was er einsieht.

Dennoch beherzige ich als zivilisierter, grundsätzlich Argumenten zugänglicher Bürger einer westlichen Industrienation natürlich seine Bitte – nicht ohne noch schnell das „Bondage Starter Kit“ zu knipsen.

Die Lesung erweist sich dann zwar durchaus als adäquat quälend, doch auf eine Weise, die wir so nicht erwartet haben: Sie ist sterbenslangweilig. Die Autorin reiht gleichförmig gebaute Sätze aus Subjekt, Objekt und Prädikat gebetsmühlenartig aneinander, inhaltlich geht es um Frauen, die sich fesseln, fingern undsoweiter, es ist alles entsetzlich öde.

Wir fliehen ins Lehmitz, wo neulich Thomas Wolf verhaftet wurde. Heute Abend läuft hier AC/DC, und ein Schild verheißt „Heisse Girls auf dem Tresen“. Doch dafür sind wir zu früh. Uns erwartet nur ein beleibter Gast, der fast einschläft, ein gluckendes Pärchen und ein abgeschalteter Tischfußball.

Die Bedienung freilich, von der GP behauptet, sie habe das Zeug, später auf dem Tresen ein heißes Girl abzugeben, verfügt über ein Dekolletee, das uns zu jeweils 40 Cent Trinkgeld pro Astra zwingt.

Männer! Verdammt.



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23 Dezember 2008

Wippen impossible

GPs Schwester vergleicht gemachte Brüste mit einer futschneuen geraden Autobahn ohne Baustellen und Schlaglöcher.

Den Anlass für diese interessante Diskussion liefert eine hochblonde marilyneske Frau mit dem lächerlichen Pseudonym „Biggy Bardot“ und gemachten Brüsten (Foto).

Sie entkleidet sich im Stripzelt an der Reeperbahn, wo wir nach einem Abstecher in der Ritze gelandet sind und von einem Plakat herzhaft begrüßt werden mit den Worten: „Frohes Fest – ihr Nutten“.

GPs Schwester gefällt auch Biggys Hintern nicht, mir schon. Das alte Klischee, wonach Frauen andere Frauen besonders kritisch beurteilen, erhebt hier, im Stripzelt, wieder mal sein krauses Haupt.

Irgendwann ist Biggy durch mit ihrem Programm, und ihre gemachten Argumente entfernen sich stumm und starr, ohne zu wippen. Es folgt eine dunkelhaarige und von vorneherein angefressen wirkende Domina, die zunächst nicht die Bühne ansteuert, sondern sondierend übers Sägemehl streift.

Weshalb, wird bald klar: Sie pickt sich zielsicher ausgerechnet GP (der heftig den Kopf schüttelt) und dann mich (der den Kopf doppelt so heftig schüttelt) aus der Menge, denn sie plant eine gemeinsame Sexperformance auf der Bühne.

Aber nicht mit uns (Feiglingen), o nein! Ihre Miene verfinstert sich darob weiter, allerdings hat sie einen Plan B, nämlich eine weitere blonde Kollegin in petto, die eilends herbeistürzt, um hinfort mit der Genervten herumzuzüngeln.

Beide haben keine gemachten Brüste, und auch ihre Hintern geben wenig Anlass zur Klage. So endet der Abend ästhetisch doch noch im grünen Bereich.


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17 Dezember 2008

Im Folterkeller



„So“, sagt mein Fitnesstrainer, „jetzt setzen wir uns alle mal hin. Auf den Po.“ Na, wohin denn sonst, du Pleonast, du Tautologe, du Doppelmoppler!?

Das denke ich zumindest murrend und setze mich hin, auf den Po – um mich Sekunden später in einer Übungstortur wiederzufinden, die im Mittelalter nur von der Inquisition unter Einsatz von Brustreißer, Daumenschraube, Mundsperre, Streckbank oder Spreizbirne (Foto: Wiki) hätte erzwungen werden können.


Und wir im 21. Jahrhundert machen das alles freiwillig. Wüsste gern, ob wir damit vor der Geschichte bestehen können.

Nach dem Kurs gehe ich hoch in den Cardiobereich, denn GP hat mir versprochen, dort eine schwitzende Asiatin vorzufinden. Und genauso ist es auch.

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14 Dezember 2008

Lebenslang Freibier

Während des Konzerts von Ben Kweller und seinem adipösen Slidegitarristen (Foto) im Knust diskutiere ich mit GP lautstark darüber, ob Hitlers Kriegsvorbereitungspolitik damals die deutsche Wirtschaft befeuert hat oder nicht. Plötzlich tritt eine erheblich aufgebrachte Frau forschen Schritts an uns heran.

Ihre Frisur erinnert an die von Rita Süssmuth, ihre Brille an ein Kassengestell aus den mittleren 80ern. „Wenn euch das Konzert nicht gefällt“, schnappt sie und zeigt erregt auf den Ausgang, „dann könnt ihr gerne gehen!“

In spontan aufkeimender Schnappatmung kramt GP nach der faltbaren Chromaxt in der Innentasche seines futschneuen Bossjacketts. Ich muss etwas tun.

„Alles klar“, sage ich beschwichtigend zu der Frau, wende mich dann rasch GP zu und rufe: „Sie hat Recht, sie hat Recht!“ – und das hat sie auch, denn habe ich nicht selbst schon Plappertaschen streng ermahnt, gefälligst zu gehen, wenn ihnen das Konzert nicht behagt, selbst wenn sie weniger gewichtige Dinge zu diskutieren hatten als Hitlers Kriegsvorbereitungspolitik?

Ja, das habe ich, und das zeigt die Lernfähigkeit der menschlichen Spezies: Wir sind intellektuell in der Lage, Transferleistungen zu erbringen, uns also an vergangene Verfehlungen unserer Mitmenschen zu erinnern, um sie hinfort selber zu vermeiden.

„Sie hat Recht!“, beschwöre ich erneut den zu allem bereiten GP, wende mich dann erneut Frau Süssmuth zu und sage: „Sie haben Recht!“ Mehr kann ich nicht tun.

Sie gibt sich damit zufrieden und kehrt – obzwar noch immer wutzitternd – zu ihrem Platz am Geländer zurück. Um GP endgültig zu befrieden, sage ich: „Ich hätte auch zu ihr sagen können: Wir stehen auf der Gästeliste, wir können das Konzert wohlgemut kaputtdiskutieren.“

„Dafür“, antwortet GP grimmig, „hättest du zeitlebens von mir Freibier bekommen.“

Eingedenk dieser Möglichkeit finde ich mein Krisenmanagement inzwischen nur noch suboptimal.


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27 November 2008

Action, aber ohne mich



Vergangene Nacht sollen holländische Hooligans die Reeperbahn zerlegt haben. Doch es war wie immer: Was auch auf dem Kiez ab- und schiefgeht, wer hier ein Messer zückt und wie viel Blut auch fließt, wir lesen immer nur davon.

Vielleicht findet das alles ja in Wirklichkeit gar nicht statt, vielleicht wird es nur inszeniert für uns – wie die Existenz Bielefelds oder der interkontinentale Luftverkehr, der natürlich nichts als ein riesiger Fake ist, mit vor den Fenstern vorbeiziehenden Wolkenanimationen und Horden von fremdsprachigen Schauspielern nach der „Landung“.

Dieses Szenario jedenfalls entwickelte ich heute aus der Lameng im Aurel, ich glaube, nach dem dritten Bier. Wichtigstes Indiz für diese für viele Urlauber unerhörte Theorie: Wäre der interkontinentale Flugverkehr kein Fake, hörte man viel öfter von Abstürzen.

„Klar“, pflichtete GP mir sofort bei, „weil nämlich nichts fliegen kann, das schwerer ist als Luft.“


Wie gesagt: Das alles geschah nach dem dritten (oder vierten) Bier, und als ich nach Hause kam, las ich im Web vom holländischen Mob auf der Reeperbahn und hatte wieder mal die komplette Action verpasst.

Andererseits: Es gibt schlimmere Schicksale.


PS: Das Foto von der Folge eines Scheibenattentats auf der Reeperbahn stammt nicht von heute, steuert aber eine sachverwandte und somit adäquate Illustrationsleistung bei.



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12 November 2008

Wegen des Buches, Mensch!

Verdammt, jetzt bin auch ich infiziert: der furchtloseste aller Anglizismenjäger.

Der Virus hat mich erwischt. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Verfall einsetzt. Bald werde auch ich Sätze sagen und schreiben wie „Dass dies am Ende des Tages Fakt sein soll, macht nicht wirklich Sinn, aber mein Punkt ist, dass das okay für mich ist, solange du das realisierst.“

Bald quatsche auch ich nur noch Pidgindeutsch, das auf deutschsprachige Menschen mit intaktem Sprachempfinden genauso wirkt wie ein herzhaftes „How goes it you?“ auf einen Engländer. Ein Anfang ist gemacht; das unleugbare Indiz für die Infektion: Ms. Columbo ertappte mich heute bei dem Satz „Er wurde für ein Buch mit dem Tode bedroht.“

Verdammt! Wie konnte das passieren – habe ich meine Medikamente nicht genommen? Mein einziger Trost: Unlängst unterlief sogar dem Papst der Päpste der Anglizismenjäger, nämlich GP, ein redundanter Anglizismus. Echt wahr.

Er sagte nämlich ohne Arg: „Es ist schön zu sehen, dass …“, und erst als ich ihn auf diese fehlimportierte Blähung hinwies und erläuterte, der Satz bedeute ohne „zu sehen“ exakt das Gleiche, fiel es ihm wie Scheuklappen aus dem so verdutzten wie schamesroten Gesicht.

Auch GP ist also infiziert. Könnte bedeuten: Er hat mich angesteckt.

Ich bin fast erleichtert.

PS: Weil der Beitrag eh nicht sinnvoll zu bebildern ist, werde ich endlich mal nonchalant die Hagenbeckgiraffe los.



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17 Oktober 2008

Auf Blondinentour

Am Mittwoch war ich beim Konzert von Heather Nova in der Großen Freiheit.

Von der Bermuderin hatte ich analog zu ihrem neuen Album seelenstreichelnden Folk zur Akustikgitarre erwartet und deshalb die Ohrstöpsel daheim gelassen. Stattdessen pulverisierte die hinterhältige Insulanerin neben meinen Erwartungen auch die Hälfte meines Hörvermögens.

Anders die überraschend unblonde Annett Louisan am Donnerstag beim Foyerkonzert des NDR: Im öffentlich-rechtlichen Proseccoambiente blieb ihre Dynamik kongenial gedimmt. Doch vielleicht lag mein Eindruck des angenehm Mittellauten auch nur an jenem Resthörvermögen, das Blondine Nummer 1 am Tag davor übriggelassen hatte.

Plötzlich tauchte Maastrix auf und begann, Louisan zu fotografieren, was GP und ich zum Anlass nahmen, The Maastrix zu fotografieren.

So hatten wir alle unseren Spaß.

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19 September 2008

Shampootest beim Iggygig

Als Iggy Pop, der trotz Kälte mit nacktem Oberkörper und kleinem Bäuchlein über die Freilichtbühne im Stadtpark springt, schon nach 20 Minuten Fans auf die Bühne winkt, bricht augenblicklich Chaos aus.

Die Sicherheitleute rasen panisch herum wie kopflose Duracellhasen. Wahllos stürzen sie sich auf einzelne Leute, ringen sie nieder, rollen ineinander verkeilt über den Rasen vor der Bühne.

Iggy sieht das und stürmt heran, um sie zu befreien, er kämpft im Weitersingen selbst mit der Security, und dabei dampft sein Rücken im Scheinwerferlicht.

Mir rammt derweil ein enthemmter Stachelpunk seine Frisur ins Gesicht, und ich stelle fest: Sein Shampoo riecht gut.

Herrlicher Abend. Bis auf die Tatsache, dass ihn meine Kamera zu Hause in der Ladestation verdämmerte. Daher ein vage konnotiertes Archivbild.

Der Rest des Abends war weniger wild, doch nicht minder interessant – alles dazu bei GP.

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10 September 2008

Auftritt der Hessen-Boys

Während einer Diskussion war GP mal entfallen, in welcher Band Sting einst gespielt hatte. Und ich leistete mir mal einen Blackout, als ich den Namen des Rolling-Stones-Sängers repetieren wollte.

Ideale Voraussetzungen also, um abends im Bambi auf dem Hamburger Berg ein Team beim Quizzen zu bilden. Dabei müssen teamweise und kneipenweit Fragen beantwortet werden; man sammelt Punkte, und fürs Siegerteam gibt's am Ende 30 Euro.

Der Dritte in unserem Bunde war übrigens ein Wiesbadener, weshalb wir den Kampf als „Die Hessen-Boys“ aufnahmen – und zwar im unerschütterlichen Glauben an den Nimbus unserer Unbesiegbarkeit.

Am Ende, als wir Vorletzte geworden waren, beglückwünschten wir uns herzlich, aber leise dafür, diesen Nimbus eher intern behandelt und nicht sonderlich breit öffentlich diskutiert zu haben.

Eine der Fragen, an der wir kleinlaut scheiterten, lautete übrigens: Wer war der erste Außenminister der Bundesrepublik Deutschland? Tjaha.

Die verklammerten Frösche, mit denen wir für unsere errungene Platzierung entlohnt wurden, wussten es übrigens auch nicht.


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29 August 2008

Sie hatte zehn Taschen

Eigentlich wollte ich diesen Eintrag mit einer ausufernden Selbstbeschimpfung beginnen. Ich plante mich Noppensohle zu nennen, alternativ auch Rumpelhirn und Leergutverwalter, Intelligenzlemming, IQ-Funzel, Hirnrisspfleger und Glatzenbatzen.

Dann entschied ich mich doch, damit erst einmal zu warten und lieber mit dem Essen bei Senait anzufangen. Während sie uns meisterlich bekocht (Viktoriabarsch), lasse ich ihren Sohn immer wieder Richtung Decke fliegen. Der Kleine quiekt vor Glück – genau wie ich nur wenige Stunden später, aber aus ganz anderen Gründen.

Bei Esprit in der Mönckebergstraße plane ich eine Jacke zu kaufen. Mein wichtigstes Jackenkaufkriterium, welches sich übrigens exakt deckt mit meinem wichtigsten Hosenkaufkriterium, ist folgendes: viele Taschen. Und Esprit hatte mich per Mail mit der Aussicht auf zehntaschige Jacken in die Mö gelockt. Zehn Taschen!

Trunken vor Vorfreude radle ich hin und probiere eine um die andere Jacke an, doch jede hat irgendeinen Makel. Entweder ist mir der Kragen am Hals nicht kommod, oder die schrägen Seitentaschen sind unangenehm weit hinten angetackert. Auch eine Frontknopfleiste überm Reißverschluss (wer denkt sich so was AUS?) führt zur Abwertung in der B-Note. Jede innen applizierte Westensimulation erregt zuverlässig mein Missfallen. Gewisse Farben sind so gar nicht meine, o nein, und mancher Jacke gebricht es einfach – man ahnt es schon – an der nötigen Anzahl Taschen.

Und wenn sie da sind, die Taschen, dann müssen sie natürlich auch das Volumen haben, um etwa meiner Geldbörse eine sichere Heimstatt zu bieten. Ein Test ergibt: Die Börse passt. Dennoch hänge ich in letzter Sekunde die bis dahin favorisierte Jacke zurück und verlasse nur mäßig frustriert den Laden.


Zwar trage ich nun weiterhin eine lediglich viertaschige Jacke, doch immerhin umging ich trotz aller Versuchungen jeglichen Konsumakt, was stets mit innerem Behagen einhergeht – und ja, ich weiß, diese Haltung macht die deutsche Wirtschaft kaputt, mündet direkt in die Rezession, führt zur Machtübernahme der Linken und löst unweigerlich einen Tsunami aus, der Hamburg weg- und sämtliche Jacken in die Nordsee spült, unabhängig von der Anzahl ihrer Taschen. Mir ist das aber egal.

Eine Stunde später klingelt zu Hause das Telefon. Es ist Esprit, ich höre Bestürzendes: Man verfüge, heißt es, über meine Geldbörse. Sie war in einer Jacke, genauer gesagt: in einer ihrer zehn Taschen.

Ein Kunde hatte das Exemplar anprobiert und stieß baff auf meine Börse inklusive Bargeld, Kredit-, Bank-, Krankenkassen- und Fitnessclubmitgliedskarten, Nummernlisten, Personal- und Presseausweisen, Führerschein, Quittungen, HVV-Abokarte, Lunchbonuskarten vom Nachschlaginder und Pastaitaliener, nutzlosem FC-St.-Pauli-Mitgliedsausweis (ich kriege trotzdem keine Dauerkarte), der Bahncard 25 (zweite Klasse) und nicht zuletzt der Espritclubkarte, dank der ich bei Nichtverweigerung des Konsumaktes Ermäßigung auf die zehntaschige Jacke bekommen hätte.

Der knutschenswerte und anonym gebliebene Finder muss nach seiner Entdeckung ohne jeden Kampf mit seinen inneren Dämonen zur Kasse gegangen sein, wo er meine Börse abgab. „Ein junger Mann“, erzählt mir die Verkäuferin ganz aufgekratzt vom Vergnügen, gute Nachrichten überbringen zu können, „in meinem Alter.“

Noch während meines Telefonats mit Esprits entsteht ein leichter Schweißfilm auf Stirn und Unterarmen. Ich ahne, wie sich Senaits Sohn beim Fliegen gefühlt haben muss. Das Quieken vor Glück habe ich mir aber für danach aufgespart; am Telefon wäre das zu intim gewesen.

GP vertritt übrigens die These, der Ort des Geschehens sei entscheidend für den weiteren Verlauf gewesen; ein H&M-Kunde hätte die Börse nicht abgegeben. Mir hingegen scheint das alles eher eine generelle Charakterfrage zu sein.

Allerdings bin ich Noppensohle, Rumpelhirn, Leergutverwalter, Intelligenzlemming, IQ-Funzel, Hirnrisspfleger und Glatzenbatzen nicht bereit, das in einem weiteren Feldversuch zu verifizieren. Das dann doch nicht.

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17 Juli 2008

Fit oder Pitt?



„Schade“, sage ich zu Ms. Columbo, als wir in der Lerchenstraße an der Kampfsportschule Wan Fu vorbeikommen, „ausgerechnet Taiji-Mei-Hua-Tang-Lang-Kung-Fu ist nicht so mein Ding. Vor allem nicht die traditionelle Variante.“

Eine Chance vertan, meinen Körper weiteren Stählungsprozessen zu unterwerfen. Andererseits ist er schon jetzt einigermaßen in Form, das bestätigt mir nicht nur Ms. Columbo (allerdings selten unaufgefordert), sondern auch GP.

Gewissermaßen zumindest. Neulich, als ich mit ihm im Fitnessclub war, versuchte ich den Ertüchtigungsnovizen mit der Aussicht zu ermuntern, bei seiner Trainingsintensität bereits in einem Jahr auszusehen wie Brad Pitt. „Oder wie du!“, meinte der freche Ottenser mich piksen zu müssen.

Was mir dank meiner genetisch bedingten Schlagfertigkeitsbremse natürlich nicht einfiel, war der passable Konter: „Nein, das ist erst die übernächste Stufe.“ Stattdessen grinste ich dümmlich.

Seit heute bin ich übrigens aufgrund einer Einladung Mitglied bei MeineNachbarschaft.de. In der Begrüßungsmail stellte man gleich lautstark Forderungen an mich: „Sei stolz! Sei hilfsbereit!“ Doch auf was und wie oft: Mit solchen Fragen ließ MeineNachbarschaft.de mich alleine.

Traditionelles Taiji-Mei-Hua-Tang-Lang-Kung-Fu könnte jetzt bestimmt weiterhelfen. Ist aber nicht so mein Ding.

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28 Juni 2008

Nichts in der Hose

In der Kiezkneipe Zoë, wo Fatih Akin damals eine Sequenz von „Gegen die Wand“ drehte, weiß man schon jetzt, wie das EM-Finale ausgehen wird. Wir liefen heute Abend daran vorbei auf dem Weg zum Konzert einer Mariachiband im Café Mexico in der Weidenallee, zu dem auch GP erschien.

Als ich und mein Jever so dasaßen und den Mexikanern beim Musizieren zusahen, fiel mir auf, dass sie allesamt recht wenig in der Hose hatten. Nicht, dass ich bewusst darauf geachtet oder diese Information aktiv recherchiert hätte, nein. Doch auch bei zunächst unbewusstem Betrachten der Band überwand irgendwann die erwähnte Erkenntnis meine Wahrnehmungsschwelle.

Freilich thematisierte ich sie nicht; so etwas ist nun wirklich kein Gesprächsstoff bei einem Konzert, erst recht nicht in Gesellschaft von Damen. Als ich später GP nach draußen begleitete, um ihm beim Rauchen Beistand zu leisten, sahen wir die Band durch die Scheibe von hinten.

„Weißt du, was mir auffällt“, sagte GP sinnierend wie zu sich selbst, „die haben alle nichts in der Hose.“ Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, denn genau das schwirrte ja auch mir unausgesprochen im Kopf herum.

GP allerdings hatte seine Erkenntnis – wie sich alsbald in einer vertiefenden Diskussion herausstellte – beim Betrachten der rückwärtigen Ansicht der Band gewonnen, ich hingegen stützte meine gewagte These auf die gegenüberliegende Seite.

Ms. Columbo trat hinzu und ließ sich von uns über alle Rechercheergebnisse informieren. „Das ist mir“, erwiderte sie trocken, „auch schon aufgefallen.“

Zusammenfassend und gestützt auf drei Zeugenaussagen kann man also mit Fug und Recht sagen: Diese Mariachis waren insgesamt nicht gerade üppig ausgestattet, weder vorne noch hinten. Immerhin – und das ist in ihrem Metier wahrscheinlich auch wichtiger – trugen sie sehr, sehr große Hüte.

Nichts als Kompensation, murmelte ich innerlich, fand es aber unfair, den Gedanken auszusprechen, und werde das mit Sicherheit auch nicht tun.

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05 Juni 2008

Das folgenreiche Kurzarmhemd

Heute Abend treffe ich mich mit dem Stilterroristen GP im Hamburg City Beach Club. Ich weiß, er hasst Kurzarmhemden, deshalb suche ich den Kleiderschrank danach ab und werde schließlich hinten links fündig.

In ganzer karierter Kurzarmhemdpracht tauche ich im Beach Club auf. Ein voller Erfolg. Mein Anblick führt bei GP zu einem ästhetisch induzierten Schock, den er mit gespielter Agilität und einem mühsam inszenierten Grinsen zu übertünchen versucht. Erst die eilends beschaffte Currywurst, in die er temporär starren kann, löst seine Verkrampfung halbwegs.

Dann tritt der Schlagerveräppeler Alexander Marcus auf. In einer rosa Hose singt er „Papaya“ – eine Performance, die GP mit nicht abreißendem Carlsbergnachschub vergleichsweise souverän zu überstehen weiß.

Um meinen Anblick halsabwärts zu meiden, stiert er mir blinzellos in die Augen wie ein Replikant und versucht das Gespräch auf seinen geplanten Fitnessclubeintritt zu lenken. Ich soll ihn werben dürfen.

Seine ersten laienhaften Fragen beschäftigen sich aber nicht mit den angebotenen Kursen, der Sauberkeit der Sauna oder den Knackärschen der geilen Trainerinnen, nein: Er will wissen, was man anziehen muss beim Trainieren.

Kurzarmhemden, sage ich. Man darf nur in Kurzarmhemden trainieren. Er erstarrt und springt in die Elbe.

Zumindest in einer idealen Welt wäre das so abgelaufen, doch ich erzähle ihm irgendetwas von Indoorsneakers, Shorts und T-Shirts, und dann holt er auch schon das nächste Carlsberg, während Alexander Marcus bei „Ciao ciao bella“ angekommen ist.

Ja, das Leben kann so schön sein an einem Sommerabend am Elbstrand in der besten aller Städte und im Kurzarmhemd.



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20 Mai 2008

In die Falle getappt, schon wieder



Nach einer schmerzhaften Erfahrung hatte ich mir fest vorgenommen, nie mehr rechts einen Ring zu tragen, wenn auch nur der Hauch einer Gefahr bestünde, Kalle Schwensen die Hand schütteln zu müssen.

Doch erst als GP und ich uns dem Eingang des Hafenrestaurants Indochine näherten, wo wir zu einer Party Schwensens eingeladen waren, fiel mir dieser weise Vorsatz wieder ein. Also zu spät.

Wir sahen Schwensen schon von weitem, sein ikonografisches Gesicht (Schnauzer, Sonnenbrille) stach deutlich heraus aus der Menge der Promotionmodels in silbernen Jacken, es gab kein Entkommen.

Zwar hätte sich noch alles zum Guten wenden können, doch ich war wie paralysiert vom bevorstehenden Händeschütteln – und vergaß es einfach, meinen Ring noch schnell heimlich in der Hosentasche verschwinden zu lassen oder ihn wenigstens an einen Finger der linken Hand zu stecken.

Als es vorbei war, schaffte ich es erstaunlicherweise trotzdem noch, mein Weinglas wie gewohnt mit rechts zu halten. Sie zitterte nur leicht, und ich musste zwecks Gewichtsreduktion schneller trinken als gewöhnlich, doch das funktionierte recht gut. Hafenblick wirkt lindernd.

Zudem lenkte GP mich ab, indem er die Sprache nach- und durcheinander auf folgende Themen brachte: die schwankende Qualität der „Alien“-Quadrologie, Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg, Hegel (den er kurzzeitig mit Kant verwechselte), meine unmögliche Sockenfarbe, die Vorzüge dunkelhäutiger Promotionmodels, Italowestern, die Ähnlichkeiten von tibetischer und thailändischer Küche, Robert Mitchum, ein 100.000-Euro-BMW-Cabrio, Schwensens Rolex und das Siezen in Weblogs. Diese Auswahl ist wahllos und nicht repräsentativ.

Übrigens ging das Tippen dieses Eintrags bereits wieder erstaunlich schmerzfrei vonstatten.


PS: Ich glaubte meine Kamera vergessen zu haben und versäumte es daher, Fotos anzufertigen. Deshalb folgt hier bald ein Platzhalterbild, das in der Nähe des Indochine entstand – und zwar sobald das Hochladen wieder funktioniert, verdammt noch mal.


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15 April 2008

In Rosis Bar

„Ist das eine Lesbenbar?“, fragt GP irritiert. Das einzige (und zudem – wie ich aus Erfahrung weiß – falsche) Indiz dafür sind die beiden Frauen am Tresen, die mit der Wirtin schnacken. Nur sie bevölkern heute Abend Rosis Bar, die wir gleichwohl forsch betreten.

Die abgebildete Lampe über unserem Tisch wird im Lauf des Abends eine zunehmende Zahl leerer Astraflaschen gnadenlos ausleuchten, und für die Mehrzahl davon wird GP verantwortlich sein, das muss hier mal gesagt werden.

Sobald das Wochenende vorbei ist, fällt der Kiez in eine Art Schockstarre. Alles ruht, einsam wacht – ja, wer eigentlich? Höchstens die mächtige Discokugel, die unermüdlich ihre Runden dreht, über Heteros und Lesben, über Gut und Böse und über zwei Bloggern am Tisch neben dem Eingang, das ist ihr ganz egal.

Wir sitzen da, nuckeln am Astra, und GP erläutert mir irgendwelche komplexen Gedanken über Gutgemeintes, das effektlos bleibt, und Egoistisches, das anderen zugute kommt. Auf irgendeine Weise will er mich so von den Vorzügen des Kapitalismus überzeugten, doch es gelingt ihm nicht.

Solange durchdrehende Banker bei Wetten Milliarden einfahren und wir in dem Moment, wo der ganze Irrsinn explodiert, mit Steuergeldern die Wettschulden blechen müssen, ist die Strahlkraft des Kaptalismus von eher fahler Provenienz, in meinen Augen. Allerdings hält sich der Widerstand dagegen trotzdem in engen Grenzen – oder nimmt recht merkwürdige Pseudoformen an.

Nehmen wir die organisierten Spontanversammlungen namens Flashmobs: Sie stürmen Burgerläden, bestellen tausende Fleischklopse auf einmal, bezahlen ordentlich und freuen sich darüber, dass die immigrierten Mindestlohnjobber in der Küche zwei Stunden lang mal richtig ins Schwitzen kommen. Der Burgerladen bejubelt den Umsatz des Jahres – und die Kurzstreckendenker des Flashmobs glauben, ihnen wäre eine irgendwie systemkritische Aktion gelungen. Käse.

Wir ordern noch ein Astra. Draußen stöckeln zwei bonbonbunte Transen durch die Nacht, und ich sage zu GP: „Mann, bin ich froh, in einer Stadt zu leben, wo bonbonbunte Transen unbetuschelt durch die Nacht stöckeln können.“

Wir stoßen an auf diese Stadt, auf die leere Bar, auf die Frauen am Tresen, auf die Discokugel, die über uns einsam kreiselnd wacht, und dann kommt die Wirtin und räumt die leeren Astraflaschen ab, damit die ganze Szenerie ein wenig unpeinlicher aussieht.

Ich lobe sie dafür, doch sie lächelt nicht. Welch eine Stadt!

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22 Februar 2008

Strunk schmeißt mit Schmutz


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Mit GP auf der Abschlusskundgebung der PARTEI im Schanzenviertel. Uns lockten die Inhalte. Mit Slogans wie „Hamburg – Stadt im Norden“, „Jugendgewalt: ohne uns“ oder „Bildung beginnt mit B“ können wir uns vorbehaltlos identifizieren. Ja, sie bilden geradezu die (einzigen) Schnittmengen unserer politischen Überzeugungen.

GP trägt seinen üblichen stinknormalen Armanianzug, ich hingegen habe mich aufgebrezelt mit einer winddichten Land’s-End-Squalljacke, oder wie das Ding heißt. „Wie siehst du überhaupt aus?“, will GP wissen, dabei kann er das von außen viel besser beurteilen.

Heinz Strunk, hanseatischer Spitzenkandidat der PARTEI, redet glucksend und leicht lallend, obwohl er, wie er behauptet, bei weitem nicht so betrunken sei wie bei der letzten Veranstaltung. Er kündigt die Machtübernahme für Sonntag an. GP und ich wollen daraufhin sofort PARTEImitglieder werden, doch man hat es versäumt, Aufnahmeanträge herbeizuschaffen.

Stattdessen liegen Plakate und verschiedene „Titanic“-Ausgaben herum, die gegen eine freiwillige Spende abgegeben werden sollen. Ich entrichte zwei Euro für eine „Titanic“ (Nennwert: vier Euro). Nur wenig später wird sie mir an der Theke gestohlen, obwohl ich ihren Besitz mit einer darauf abgestellten Flasche Astra ausreichend markiert zu haben glaubte.

Ich beschließe, der PARTEI ohne weitere Spende eine Ersatz-„Titanic“ zu entwenden, was auch gelingt. GP trifft es härter. Obgleich sich die PARTEI als wichtiges Ziel „Raucherschutz statt Nichtraucherschutz“ auf die Plakate schrieb, wird er für seine rituelle Kippenverbrennung des Saales verwiesen.

„Warum?“, empöre ich mich gegenüber dem Tresenmann, denn zurzeit folge ich der Maßgabe, Freiheit sei immer die Freiheit des Andersdenkenden, selbst wenn er raucht statt denkt.

„Der Veranstalter will es so“, versucht der Tresenmann die Diskussion zu beenden. „Aber fungiert denn nicht die RaucherschutzPARTEI heute Abend als Veranstalter?“, wundere ich mich ostentativ, um die Lachhaftigkeit seiner Argumentation zu erschüttern.

„Nein“, sagt er und wendet sich anderen Kunden zu.

Derweil startet Strunk eine handelsübliche Schmutzkampagne und thematisiert die physiognomische Ähnlichkeit von Hinnerk Fock und dem Kannibalen Armin Meiwes – „Zufall?, fragt die PARTEI.“ Und dass die PARTEI das in Form eines glucksenden und lallenden Heinz Strunk wirklich fragt, beweist das heutige Filmchen.


Aber Achtung beim Anschauen: Es könnte Ihre Wahlentscheidung beeinflussen, und zwar auf fatale Weise.


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20 Januar 2008

Kleine Gefechte unter Fremden

In der Kneipe schräg gegenüber der Davidwache bin ich mit GP verabredet. „Dort gibt es eine Raucherlounge“, hatte er frohlockt.

Als er den Kellner nach der genauen Lage des Raumes fragt, offeriert der allerdings sofort einen Aschenbecher. „Das ist verboten“, teste ich pflichtgemäß des Kellners Gesetzestreue. „Ja, aber bis März wird das nicht bestraft“, trägt er lächelnd Eulen nach Athen, denn natürlich weiß ich das längst. Und ich mag kleine unverhoffte, zwischen Ernst und Spott changierende Wortgefechte mit wildfremden Menschen.

Let’s roll: Ob er nicht wisse, dass dieses lachhafte Moratorium bis März nichts weiter sei als ein billiger Wahlkampftrick von Bürgermeister Ole von Beust, der keine Lust habe, bei der just Ende Februar anstehenden Landtagswahl auch noch die Stimmen der Raucher zu verlieren, aber danach umso ungerührter zuschlagen werde? Ob er, der Kellner, etwa darauf reinzufallen gedenke? Ja, ob er gar von Beust wählen wolle???

All diese Fragen knattere ich ihm fröhlich vor, und er lächelt sie lässig weg und sagt, nein, den gedenke er nicht zu wählen. „Ich werde Sie anzeigen!“, grinse ich. „Dann werde ich Sie rauswerfen!“, grinst er zurück. „Ich gehe sofort rüber zur Davidwache!“, plustere ich mich auf. So haben wir unseren Spaß.

Der Kellner holt den nächsten Chardonnay, der vollendete Gentleman GP hingegen hat inzwischen den Aschenbecher auf einem leeren Nachbartisch abgestellt und bläst den Rauch ins Irgendwo, jedenfalls weg von mir.

Wenig später beugt sich ein älterer Herr herüber. Ermuntert von GPs offensichtlich ungeahndetem Gesetzesbruch, doch noch immer sichtbar unsicher, bittet er um leihweise Überlassung des Aschenbechers. GP reicht ihn rüber.

„Tut gut, sich mal wieder so richtig illegal zu fühlen, nicht wahr?“, frage ich den Nachbarraucher gespielt komplizenhaft. „Äh, genau“, antwortet er. „Sie sind ein Revoluzzer“, ziehe ich die Schraube weiter an, „wie Che Guevara!“. Er schaut verwirrt, seine Begleiterin ebenfalls.

Kein Zweifel: Es wird höchste Zeit für den nächsten Chardonnay.

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03 Januar 2008

Kneipenbesuch mit einem Rauchverbotsverbotsbefürworter

Der gestrige Beitrag hat mir viel Schimpf eingebracht. Obzwar ich dachte, mich sachlich geäußert und den Text nur hie und da mit einer feinen Prise Ironie gewürzt zu haben, halten mich nun selbst Menschen, die ich als bisher als wunderbar schätzen gelernt habe, für „kleinlich“, „niedrig“ oder gar einen „fanatischen Nichtraucher“.

Natürlich frage ich mich, ob man wirklich fanatisch nicht rauchen kann. Glaube ich eher weniger. Ich bin höchstens geradezu fanatisch kein Serienkiller. Doch solche semantischen Feinheiten spielen längst keine Rolle mehr in dieser aufgeheizten Situation.

Die Grundbereitschaft zur Hysterie bei den Rauchverbotsgegnern hat mich jedenfalls verblüfft. Dabei sind für die bisher bekannten Fälle von Militanz nach meinem Eindruck stets Raucher verantwortlich. Wahrscheinlich werden pöbelnde und marodierende Nichtraucher von der Presse einfach totgeschwiegen, deshalb …

Was mich bei der ganzen Diskussion so erstaunt: Wenn in der Kneipe jemand grundlos verprügelt wird, würdet ihr das (hoffentlich) missbilligen; wenn einem aber jemand in der gleichen Kneipe ein todbringendes Gasgemisch in die Lunge bläst, findet ihr das nicht nur tolerierbar, sondern fordert dieses Recht geradezu empört ein.

Beides aber, das Prügeln und das Paffen, meine Damen und Herrn, ist schlicht und einfach Körperverletzung – wobei Prügel die deutlich harmlosere dieser beiden Varianten darstellen.

Zum Glück aber fand heute im Aurel nichts davon statt. Als der ausgewiesene Rauchverbotsverbotsbefürworter GP und ich dort um 18 Uhr eintrafen, war die Kneipe von samtiger Frischluft erfüllt – und erstaunlicherweise voller als beim letzten Treff.

Natürlich halte ich das keineswegs für repräsentativ, bitte nicht missverstehen. Doch der von Raucherkassandras als Katastrophenszenario heraufbeschworene sofortige Kneipenkollaps hat zumindest heute in Ottensen noch nicht eingesetzt.

GP übrigens ertrug die Tortur, seine (und meine) Lunge für eine Stunde mal nicht langzeitschädigen zu dürfen, tapfer wie ein Mann. Nicht alle Raucher sind also hysterische Memmen. Wieder was dazugelernt.

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08 Dezember 2007

Pflock ins Herz!

Der notorische Indieschluffi C. sang heute plötzlich wie aus dem Nichts „Ich war noch niemals in New York“ vor sich hin. Und ein paar Stunden später einen Song von Nena.

Normalerweise singt er NIE, nicht mal einen Song von Bloc Party. Wir waren tief besorgt. Als er nachmittags den Raum zum Rauchen verließ, fingen wir an, über ihn zu tuscheln.

Meine wahrscheinlich mit hektischen roten Flecken auf den Wangen vorgebrachte Theorie erwies sich in der Diskussion als die plausibelste: C. wurde ausgetauscht, wie in „Die Dämonischen („Invasion of the body snatchers“)“.

Dabei war IHNEN allerdings ein Fehler unterlaufen, und jetzt summte der Indieschluffi völlig wesensfremd Udo Jürgens. Auch die Austauschfabriken im All können halt immer noch besser werden.

Egal: C. war jedenfalls ausgetauscht worden. Er war in Wahrheit nicht mehr C., aber immer noch rauchend auf der Balustrade. Was also tun? Wie sollten wir adäquat reagieren auf seine Rückkehr? Immerhin ahnte er nichts von seiner Enttarnung; das war unser Vorteil. Alle Trümpfe lagen bei uns.

Ich schlug flüsternd das probateste aller Mittel vor: Pflock ins Herz. Meine Kollegin war sofort einverstanden. Doch wer sollte es tun? Schließlich ist niemand von uns als van Helsing geboren.

Zum Glück kam plötzlich der Cleaner reingeschneit, und damit war die Sache rasch erledigt. Zumindest auf leicht variierte Weise.


PS: Das Foto zeigt C. vor dem Austausch. Natürlich habe ich ihn, klüger geworden durch jüngste Vorfälle, unkenntlich gemacht.

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18 November 2007

No sex, we’re british

Nachts auf dem Kiez, nicht weit vom Spielbudenplatz (Foto): Während um uns herum das Leben tobt, sitzen wir zu dritt in der beschaulichen Weinbar Traubenzauber und kriegen die Bedienung dazu, den ekligen 80er-Jahre-Pop durch Rat-Pack-Songs zu ersetzen. Sie leistet kaum Widerstand.

Als sie weg ist, kommt die Frage auf, welche Männer wir sexy fänden, wenn wir schwul wären. German Psycho erkürt (natürlich) Christian Bale zu seinem persönlichen Sexgott, zur Not akzeptiere er auch Brad Pitt.

C. pickt sich Jack Nicholson raus. Ich erbitte eine Lebensphaseneingrenzung und schlage die „Easy Rider“-Ära vor, was C. erleichtert bejaht.

Nur mir fantasielosem Hetero fällt kein Kerl ein, kein einziger. Was bedeutet das bloß, tiefenpsychologisch gesehen? Bin ich etwa – Gott bewahre – homophob?

Ohne Ergebnis wechseln wir gegen eins in den English Pub am Hans-Albers-Platz, wo plötzlich eine Prostituierte auftaucht. Sie verkörpert den orientalischen Typ mit ihren streng hinterm Kopf zusammengebundenen schwarzen Haaren, dem dunklen Teint und einer Nase, mit der man die Vorsilbe „Stups“ keineswegs assoziiert.

Durchs sorgfältig zerschnittene Blau ihrer hautengen Jeans schimmern weiße Fäden. Ihre Gürteltasche – Pflichtaccessoire aller Huren auf St. Pauli – scheint prall gefüllt. Kein Zweifel, sie will hier im English Pub klammheimlich und illegal ihr Revier erweitern.

Bald verschwindet sie mit einem jungen Türken aufs Klo. Doch die beiden haben die gewiss nicht knappe Rechnung ohne die Bedienung gemacht, die mit ihren blonden Zöpfen irgendwie zünftig und sehr entschlossen aussieht. „Heidi Stahl“ nenne ich sie insgeheim, obwohl das ein Spitzname ist, den German Psycho soeben für eine andere blonde Wuchtbrumme erfunden hat.

Heidi Stahl jedenfalls holt die beiden Geschäftspartner vom Örtchen, ihre Schimpfkanonade übertönt sogar die Musikbox. Dann schmeißt sie die Hure raus. Die wehrt sich nur der Form halber, sie weiß genau, was Sache ist und was ihr blüht, wenn sie sich mit Heidi Stahl anlegt.

Als sie sich trollt, trägt sie ihre bachtliche Nase grundlos hoch, was ihr beim Abgang zumindest den schwachen Anflug einer Siegeraura gibt.

Der frustrierte Junge hat die ganze Zeit wortlos dabeigestanden. Trotz seines offenkundigen Triebstaus lässt er keinen Kampfgeist erkennen, keinen unbedingten Willen zum Sex. Er geht ihr nicht einmal nach. Was ist nur los mit der Jugend von heute?

Amüsiert stehen wir am Tisch und kippen ein Newcastle. Es hat erstaunlich viel Schaum für ein englisches Bier, das muss ich schon sagen.

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20 September 2007

Nicht nur eine Frage der Menge

Natürlich ist es pipileicht, den unlängst schon mal erwähnten Likör mit dem derben Namen zu missbrauchen.

Die spätnachmittags urgemütliche Kneipe namens Herz von St. Pauli tut das kongenial – zumal jene spezielle Dienstleistung, auf die das abgebildete Schild anspielt, nur hundert Meter entfernt in bunter Vielfalt offeriert wird.

GP und ich, die wir beim Feierabendbier über all das nachsinnen, haben aber auch angesichts der Mengenangabe „2 cl“ angemessen schlüpfrige Gedanken. Ist das nun ein guter Preis, und wie unterscheidet er sich von dem in der Davidstraße?


Wir kommen zu keinem sinnvollen Ergebnis. Erst nachdem ich über den herbstlich tristen Spielbudenplatz (Foto) nach Hause geschlurft bin, gelingt mir nach sorgfältiger Recherche die mathematische Lösung dieser Frage.

Sie sieht so aus: Während man im Herzen von St. Pauli 2 Euro hinlegen muss und dafür 2 cl bekommt, fordern die netten Damen da drüben für die Entsorgung von 2 ml (also eines Zehntels dieser Menge!) ungefähr den 30-fachen Betrag.

Im einen Fall erhält man also etwas, im anderen gibt man etwas her – und blecht trotzdem 300-mal so viel. Das ist doch nicht gerecht.

Wer jetzt vermutet, es läge am hirnerweichenden Einfluss des Kiez’, dass ich solch bekloppte Sachen nicht nur im Stillen durchdenke, sondern auch verblogge – der liegt wahrscheinlich völlig richtig.

(Diese Argumentationstechnik nennt man übrigens Immunisierung.)

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14 September 2007

Der nette Vandale und die noch nettere Noack


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Eingedenk dessen, was meinem Rad schon alles angetan wurde auf dem Kiez, war die Herangehensweise dieses Unbekannten geradezu soft. Er muss die Schutzkappen beider Reifen aufgedreht, die Ventile entnommen und anschließend solange gewartet haben, bis die Luft zur Gänze entwichen war.

Dann setzte er die Ventile wieder fachmännisch ein, schraubte beide Gummikappen drauf und ging seines Weges; in meiner Fantasie tat er das zufrieden pfeifend und mit sich im Reinen. Schikane light. Irgendwie ein netter Vandale, in meiner Fantasie. Außerdem bringt so eine erzwungene Aufpumpaktion am Morgen den Kreislauf auf Touren. Alles gut also.


Abends in Ottensen aber nicht. Ich sah im Vorbeifahren, wie ein Mann vor einem Dixieklo stand und dagegen pinkelte. Ich wiederhole: Er war nicht hineingegangen, sondern er stand davor, hatte alles ausgepackt, was auszupacken war, und pinkelte dagegen. Genauer gesagt: gegen die Tür. Manchmal schäme ich mich, zu dieser Hälfte der Menschheit zu gehören.

Das war allerdings längst wieder vergessen, als GP und ich in der Hasenschaukel einfielen, um mit rund zehn weiteren Gästen das Konzert der Berliner Sängerin Julia A. Noack zu genießen. Ich ließ die Kamera ein wenig mitlaufen, und wenn man mich schonen und es positiv ausdrücken möchte, geschah das im Stil des film noir.

Nach diesem Clip nämlich kann Frau Noack garantiert weiter unerkannt durch St. Pauli laufen; sie ist so gut wie nicht zu sehen, selbst ihre umstrittenen Schuhe nicht.

Doch das Schummerlicht, der flimmernde Kaminersatz hinter ihr, das Lagerfeuerhafte der ganzen Situation: All das passt perfekt zum Song „Leave the door ajar“, den sie hier in klassischer Folkmanier zupft. Danach setzte sie sich zu uns und wir – wie heißt das so schön? – hingen gemeinsam ab bis fast halb zwei.

Sogar GP, der eigentlich auf Cowpunk und so was steht, kaufte ihr ein Album ab, trotz der Schuhe. Feiner Kerl, irgendwie.

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29 Juli 2007

Wenn es Nacht wird auf St. Pauli

In der Kiezklause nahe dem Hans-Albers-Platz brüllt uns aus der Musikbox Ballermannmucke das Hirn aus dem Schädel.

Als dann auch noch ein als Mensch getarnter Panzerschrank mit Glatze und riesigem „Thor Steinar“-Schriftzug auf dem Rücken an der Theke auftaucht, verlassen wir den Laden – nicht ohne dass GP ein Naserümpfen der Missbilligung und des Ekels Richtung Tresendame schickt. Hoffentlich hat sie verstanden.

Nächste Station: der Club Inside. Er liegt im Keller, ein DJ spielt ausschließlich Musik der 80er, doch meinen Wunsch („Electricity“, OMD) kann er trotzdem nicht erfüllen. Im Inside hängen halbierte Discokugeln an der Decke, und wenn man hochschaut durch die Kellerfenster, kann man den Huren unter die Röcke sehen.

Beim Weiterziehen Richtung Kogge verliert sich unsere Gruppe binnen zehn Metern, so viel Trubel herrscht hier nachts um eins, und wir müssen uns zusammentelefonieren. GP versucht noch schnell in einer Kneipe aufs Klo zu gehen, doch er kommt schon nach wenigen Sekunden wieder zurück. „Geht nicht“, sagt er, „da kotzt gerade einer die Treppe voll.“

Später, gegen zwei, auf dem Weg ins nächste Kneipenirgendwo, begegnen wir einem Typen, der an die ehrwürdigen Mauern der Davidwache pinkelt, doch es ist keine despektierliche Kritik an der Ordnungsmacht, sondern pures Laufenlassenmüssen in Verbindung mit Faulheit.

„Drüben an der Reeperbahn ist eine öffentliche Toilette!“, belle ich den Neandertaler an und hoffe, dass ihm vor lauter Scham der Strahl erstirbt, während ich gleichzeitig versuche, das über den Gehweg schäumende Rinnsal zu umtänzeln.

Er stammelt etwas Unverständliches, während sein Genital weiter in der kalten Julinacht baumelt und einen unbeeindruckt kräftigen Strahl gegen die Davidwache pladdern lässt. Es ist alles so vergeblich, so hoffnungslos.

Und darüber verliert sich erneut die Gruppe, wir stehen unversehens nur noch zu zweit auf dem Spielbudenplatz, schauen hin und her – doch die anderen sind verschwunden, verschluckt von den Menschenmassen, und es ist zu spät, um sich zum zweitenmal in dieser Nacht zusammenzutelefonieren.

Also verabschieden wir uns, ich kämpfe mich gegen den Strom die Reeperbahn hoch und frage mich eine Sekunde lang ernsthaft, was diese Menschen überhaupt alle hier wollen. Aber ich weiß es ja, und deshalb frage ich keinen einzigen von ihnen.

Zum Trost hing heute ein Regenbogen überm Kiez. Alles war gut.

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23 Juli 2007

Fundstücke (34)

1. Neulich schlenderte ich durch die Kastanienallee, wo auch das bezaubernde Bordell Leierkasten seinen triebgenerierten Betrieb betreibt. Im Schaufenster meines Whiskyhändlers bemerkte ich im Vorübergehen ein hübsch dekoriertes Flaschenarrangement. Allerdings war mir die Marke des Alkoholikums völlig unbekannt: Es hieß „Ficken“.

Das Stöffche dürfte unabhängig von seiner objektiven Qualität vor allem in die Mallorquiner Schinkenstraße passen wie die Faust aufs Maul – Sangria war gestern. Auf der Webseite des Hersteller wird übrigens gerade ein „Rückenetikettenspruchwettbewerb“ durchgeführt, was ich vorbehaltlos unterstütze, weil der Fickenlikörhöker es mit dieser Schreibweise überraschend schafft, in keine der aufgebauten Deppenbindestrichfallen zu tappen. Kompliment.

2. Arne Beekmann vom Hannoveraner Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung sucht für eine wissenschaftliche Studie Leute, die schon einmal private oder kommerzielle Blogs genutzt haben. Betroffen sind also quasi alle, die hier mitlesen. Wer mag, kann den Fragebogen ausfüllen; habe ich auch getan. Und warum? Weil’s der Wahrheitsfindung dient.

3. Neulich lieferte GP mit dem Satz des Tages auch zugleich eine neue Diagnosemethode: „Ich vergesse immer, wo ich parke – Parkinson!“ Genial.

Dazu passt ein hübscher Patzer der Sportstudiomoderatorin Katrin Müller-Hohenstein vom letzten Samstag. Im Interview mit dem Formel-1-Küken Sebastian Vettel informierte sie ihn so gekonnt wie nebenbei über ihre Sachkenntnis in Sachen Motorsport: „Immer nur testfahren ist auch nicht gut – irgendwann braucht man auch mal Fahrpraxis.“

Sie weiß offensichtlich nicht, dass wahrscheinlich niemand auf der Welt mehr Kilometer runterreißt als ein Formel-1-Testfahrer. Zu Vettel fällt mir übrigens sofort der passende Song ein: Paul Simons „Baby Driver“, hier auch zum Reinhören.

4. Als ausgewiesener Kalauerfan muss ich diesem Schlusssatz einer Promotermail von heute höchsten Respekt zollen: „Yehudi desto Menuhin!“ Doch genug des Lobes – demnächst gibt es zum Ausgleich wieder mal eine Reihe von Fehlleistungen jener Berufsgruppe. Freut euch drauf.

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02 Juni 2007

Versuch einer Busfahrt

Seit 15 Jahren schon hat der notorische CO2-Privatproduzent und Klimawandelbeschleuniger GP keinen Bus mehr bestiegen, aus diversen Gründen: weil sie ihm immer zu voll waren und zu prollig, weil die Mitfahrer stanken und ein bestürzender Mangel an rahmengenähten Schuhen ihm jede Fahrt vergällte.

Das ist im 21. Jahrhundert alles nicht mehr so, hatte ich ihn immer mal wieder zu beruhigen versucht. Gerade im Schnellbus, trumpfte ich gelegentlich auf, seien freie Platzwahl und dezente Passagiere schier an der Tagesordnung. Es handle sich bei einer solchen Unternehmung quasi um eine Stadtrundfahrt, nur viel billiger.

Als wir nun gestern Abend eine gemeinsame Party im nicht gerade fußnahen Uhlenhorst aufsuchen wollten, ließ er sich endlich einmal breitschlagen zum Busfahren, nach 15 abstinenten Jahren. Ich stieg an der Davidstraße zu, GP saß schon drin. Mir schwante sofort Übles.

Der Bus nämlich war voll wie die Reeperbahn nachts um halb eins. GP hatte zwar noch einen Platz ergattert, fuhr allerdings rückwärts und wurde von benachbarten Passagieren räumlich eingeengt. Gleichwohl versuchte der Gentleman in ihm, den ausgestrahlten Missmut nicht als Vorwurf an mich rüberkommen zu lassen.

„Was ist denn los?“, fragte ich und versuchte meinerseits, die Bestürzung, die mich sowieso bereits ergriffen hatte, mimisch als Erlebnis einer absoluten Ausnahmesituation zu codieren, so dass GP keinesfalls dem Glauben verfallen könnte, im Bus sei es immer so, wie sich die momentane Lage darstellte (was er ja sowieso 15 Jahre lang angenommen hatte).

Eine erfahrene Hanseatin im eleganten Kostüm klärte mich auf: „Die S-Bahn fährt nicht – Personenschaden. Da weiß man ja schon, was los ist.“ Sie lächelte so schmerzlich wie verschwörerisch. Ja, das weiß man in der Tat.

Ich stellte mich in den Gang und versuchte mimische Entschuldigungssignale Richtung GP auszusenden. Er sah aus dem Fenster. Zeitgleich wurde ich abgelenkt, und zwar olfaktorisch.

Neben mir nämlich stand ein grauer älterer Herr mit Pennytüte, dessen Haare seinem hellgrauem Jacketkragen einen feinen Fettschmier aufpinselten; und von ihm ging eine warme Dunstwolke aus, die mich inzwischen schmeichelnd umschloss und ihr Volumen stetig vergrößerte, und zwar in Richtung GP.

Die Dunstwolke roch nach Urin.

In diesem Augenblick zerbrach etwas in mir, vor allem meine bereits hektisch imaginierte Argumentationskette, mit der ich GP nach dem Aussteigen einen weiteren Busfahrversuch in näherer Zukunft hatte abringen wollen.

Nein, das war’s. Die Quote rahmengenähter Schuhe brauchte ich nicht mal mehr zu ermitteln. Zumal ich auch selbst keine trug.

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26 Mai 2007

Der Tag nach der Nacht nach dem Aufstieg

„Ein 2:2, das reicht für Liga zwei
Nie mehr, nie mehr Liga drei!
Gar noch höher soll’s bald gehen,
bis Liga eins – und sei's mit Wehen!”


Wenn ich den Satz, den ich gerade anfange zu schreiben, sprechen sollte, klänge das ungefähr nach „Wnn ch dn Stz, dn ch grde nfönge zu schrbn, sprchn slltö …“ oder so ähnlich, jedenfalls käme ein ziemlich tieffrequentes, vokalarmes Krächzen dabei raus.

Zunächst nämlich verlor ich gestern Abend im Stadion die erste Hälfte meiner Stimme beim Runterbrüllen von „You’ll never walk alone“ und „Niemand siegt am Millerntooooor!“ und die andere Hälfte dann nachts im Drafthouse beim Versuch, mich gegen den Höllenlärm der fantastischen Hausband zu verständigen.

Als ich noch mit dem üblichen Bariton reden konnte – also vorm Spiel –, waren indes auch schon Ausfälle aufgetreten, allerdings eher geistiger Art. Nach einer verwirrenden Diskussion mit dem Franken am Imbissstand orderte ich „Zwei Thüringer mit Bratwurst, bitte“, was die Frau hinterm Tresen zu einer Nachfrage und den Franken zum hämischen Grölen bewog.

Wenn ich es recht bedenke, gab es auch nachmittags im Transmontana am Schulterblatt bereits Probleme im Dienstleistungsbereich. Ich verließ den Laden nämlich voll beladen, doch ohne zu bezahlen, und wunderte mich noch, warum mir die Barportugiesin so seltsam hinterherblickte.

Draußen fiel mir mein zechprellendes Gebaren auf, ich ging zurück und sagte: „Ich habe ja noch gar nicht bezahlt!“, und sie sagte: „Ganz genau!“, und zwar unverhohlen vorwurfsvoll. Aber vorher nur seltsam gucken, klar.

Drei Tische weiter von uns saß übrigens Michel Friedman, zusammen mit einem unstandesgemäßen Typen, der eine schwarze Lederkappe trug und wie ein obdachloser Schanzenhippie wirkte. Doch auch Friedman war nicht völlig korrekt gekleidet; über seinem (immerhin schneeweißen) Oberhemd fehlte das Jackett.

German Psycho, der Friedman vor allem aus ästhetischen Gründen heillos bewundert („Er ist wahrscheinlich schon Mitte 50, aber wir müssen es beide zugeben: Er sieht jünger aus als wir!“), schnürte um seinen Tisch herum und bewunderte Friedmans feine Schuhe, fand aber nicht den richtigen Ansatz, den Mann dafür angemessen zu loben.

GP war auch nachts im Drafthouse dabei, als mir allmählich auch physisch die Lage entglitt. Da brüllt er dir was Unverständliches ins Ohr; du fragst dreimal nach, und am Ende entpuppt sich sein Gebrüll als simple Frage nach dem just zu hörenden Song: „IST DAS SLADE?“ Ich brülle korrigierend: „NEIN, AC/DC!“, nur um eine Halbsekunde später festzustellen, es ist doch Slade, und GP zuzubrüllen: „NEIN, ES IST DOCH SLADE!“

Wegen solcher Dinge sind Nächte wie diese für mich letztlich immer mit einer Hypothek belastet. Ausgerechnet bei „Summer of 69“ wurde ich kurz darauf von Terroristen aus meinem unmittelbaren Umfeld am Kragen des St.Pauli-T-Shirts gepackt und umstandslos auf die Tanzfläche gezerrt. Dort musste ich heftig hüpfen, wobei mir völlig zu Recht die Digitalkamera aus der Hosentasche flog und lautlos auf dem Boden zerschellte.

Na ja, immerhin hätte ich sonst diese ganzen Frauen nicht kennengelernt, die extra ihre ungleich geschmeidigeren Tanzaktivitäten unterbrachen und mir nacheinander die malträtierte Kamera, den Akku und die abgerissene Klappe des SIM-Schachtes reichten. Komischerweise funktioniert der Apparat seit dem Zusammenpuzzlen wieder tadellos.

Das Erste übrigens, was mir heute Morgen nach dem Aufwachen zustieß, war ein Wadenkrampf. Einer von den O-Säften letzte Nacht war wohl schlecht.

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20 April 2007

Wer brüllt, hat Unrecht

Zunächst muss ich GP im Aurel auslösen. Er hat – da als Erster eingetroffen – bereits für uns beide Bier bestellt, welches direkt am Tresen zu bezahlen ist; allerdings verfügt er zurzeit über keinen Cent Bargeld. Jetzt sitzt er da, wohlbeschirmt vom Argwohn der Barfrau. Schöner Anblick.

Eine sardonische Sekunde lang überlege ich, jede Bekanntschaft mit ihm entrüstet abzustreiten, doch die Zeit drängt: Wir müssen hoch in die Color Line Arena, wo Roger Waters uns auf einen monströsen Trip in die Vergangenheit schicken will. Und siehe da: Der alte Haudegen ist fast genauso gut wie die Pink-Floyd-Coverband, die ich vor einigen Jahren in der Großen Freiheit sah.

GP sitzt die ganze Zeit ruhig im psychedelischen Pathosdonner, während ich ihm zwischen den Stücken unnützes Fachwissen zubrülle. „Der Song war auf der ersten Floyd-Platte!“, schreie ich, „noch von Syd Barrett geschrieben!“

Er stiert mich an, als spräche ich hyperboräisch, und ich verfluche innerlich diesen ewigen Drang, der mich immer dann überkommt, wenn ich mich auf einem bestimmten Gebiet sachkundiger wähne. Auch Ms. Columbo sieht sich oftmals solchen Attacken ausgesetzt, erträgt sie allerdings mit einer Engelsgeduld, die ich als Liebesbeweis werten muss.

„Achtung, gleich kommt ein toller Solopart der Sängerin!“, brülle ich GP während „The great gig in the sky“ ins oropaxlose Ohr, und schon kommt ein toller Solopart der Sängerin. Nach der letzten Zugabe spricht GP von „einem der großartigsten Konzerte überhaupt“, was mich erfreut, aber auch wundert, denn zuvor hatte er keinerlei Anhaltspunkte für diese Einschätzung geliefert.

Er klärt mich auf: Allein die Tatsache, dass er nicht vorzeitig gegangen sei, müsse ich bereits als überschäumende Begeisterung werten. Ich entschuldige mich dafür, ihn während „Comfortably numb“ mit der gebrüllten Info erschreckt zu haben, dies sei schon immer mein Lieblingssong vom Album „The wall“ gewesen.

Insgesamt also ein toller Abend – wozu auch ein grauhaariges Waters-Groupie vor der Bühne beiträgt, das vor unseren Augen eine Ton-Bild-Schere aufführt. Die sehr rüstige Dame hüpft auf und ab und singt dabei lauthals: „We don’t need no education – teachers: leave us kids alone!“ Und das Merkwürdigste: Ihr scheint das alles überhaupt nicht merkwürdig vorzukommen.

Übrigens war der oben erwähnte Song gar nicht auf der ersten, sondern der zweiten Floyd-Platte, wie ich zu Hause feststelle, und Syd Barrett war auch nicht der Autor.


GP darf das nie erfahren.

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17 Dezember 2006

Der blutverschmierte Houellebecq

Ich fragte den 10-Jährigen, mit dem ich auf dem Weg zum Zeitungsholen ein paar Bälle hin- und hergeschossen hatte, wie er hieße, und er sagte: „Miroslav. Aber jeder nennt mich Micky.“

Ein Satz wie in den Mount Rushmore gemeißelt. Ich versäumte es zu antworten: „Und ich bin Matthias. Aber meine Freunde nennen mich Matt.“ Es blieb beim ersten Satz. Warum eigentlich? Weil man nie das Optimum aus einer Gesprächssituation herausholt, die nicht in einem Drehbuch steht.

Nachmittags war ich auf dem Winterflohmarkt in den Messehallen und entdeckte Michel Houellebecqs Roman „Ausweitung der Kampfzone“ als Taschenbuch. Am Stand sollten ausschließlich neue Bücher zu haben sein, weshalb mich die dunkelroten Flecken an den Seitenenden wunderten.

„Entschuldigen Sie“, sprach ich den Händler an, hielt ihm das Buch hin und grinste sarkastisch: „Ist das Blut?“ Er schaute drauf und zögerte irritierend lange. Dann sagte er: „Ja.“

Ich war verblüfft, weil meine Vermutung als Scherz gemeint war. Er sah sich in Erklärungsnot. „Mein Kollege“, erläuterte er, „hat sich beim Aufschneiden der Folien geschnitten.“

Die Sache gefiel mir. „Wieviel wollen Sie dafür?“, fragte ich. „Drei Euro“, sagte er. „Zwei“, erwiderte ich, „wegen des Blutes.“ Er schüttelte den Kopf. „Kann ich nicht machen“, sagte er, „drei muss ich haben.“

Ich schaute enttäuscht. „Warten Sie, vielleicht habe ich noch ein Exemplar“, versuchte er die Situation zu entkrampfen. Er wühlte in einer Kiste unter dem Tisch und zog in der Tat ein weiteres Exemplar des Houellebecq-Romans hervor. Ich nahm es, schaute es mir rundum an – und entdeckte einen weiteren Blutfleck auf der Seite, allerdings war er deutlich kleiner.

Ich hielt ihm das Buch vorwurfsvoll vor die Nase. „Okay, zwei Euro“, resignierte er. Ich holte das Geld hervor, entschied mich aber instinktiv für das erste Exemplar, das deutlich großflächiger mit dem Blut seines Kumpels kontaminiert war.

Das Ganze hat zwei Seiten: Einerseits kann ich jetzt den Kumpel eines Flohmarktbuchhändlers klonen. Ich verfüge über seinen genetischen Code. Andererseits kann ich das Buch aus nachvollziehbaren Gründen nicht zu Weihnachten verschenken – höchstens an German Psycho, und vielleicht tu ich das auch.

Viele werden sich jetzt fragen, warum ich überhaupt ein blutverschmiertes Houellebecq-Buch gekauft habe, auch wenn es neu und ungelesen war. Tja, wahrscheinlich, um was zu bloggen zu haben.

Alle anderen Erklärungen scheinen mir wenig schmeichelhaft.

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15 Juni 2006

Reeperwahn nachts um halb eins

An dieser Stelle muss jetzt mal German Psychos Ruf zerstört werden. Also: Er warf für uns heute nicht nur den Videobeamer an und projizierte das Spiel Deutschland-Polen auf eine eigens aufgehängte Leinwand; nein, er gewährte auch bereitwillig Zugang zu seinem Kühlschrank, in dem offenbar unerschöpfliche Astravorräte einer zweckdienlichen Verwendung entgegenbangten oder -fieberten; das weiß man bei Bier generell nicht so genau.

Seine zuvorkommende Art gipfelte im generösen Angebot, mir als Dauerleihgabe sein aussortiertes Nokiahandy zu überlassen, weil sich hinterm Display meines schraddeligen Siemensteils inzwischen derart viele Fusseln verfangen haben, dass ich mich wundere, wieso ich zu Hause überhaupt noch staubsaugen muss.


Kurz: German Psycho war ein vollendeter Gastgeber. Nur die direkt neben der Leinwand geparkte Chromaxt wirkte beunruhigend. Warum nur war sie so überaus blitzeblank gewienert …?

Als wir auf dem Heimweg die Reeperbahn erreichen, übersteigt der Trubel nach dem Sieg alle Vorstellungen. Tausende von Fans springen, hüpfen und singen auf der Meile herum, was einer Vollsperrung gleichkommt (das um 0:03 dokumentierte Bild der Kiezcam zeigt das nur sehr unzureichend). Dem Verkehr aus den Nebenstraßen bleibt nichts anderes übrig, als still zu verzweifeln. Und das war nur ein Vorrundenspiel …

Ein großer bulliger Mann in der Menge fasst plötzlich meine Hand und fragt: „Du Deutscher?“ Ich bejahe mit dem Konter „Und du bist Pole?“ Mit wehem Lächeln bestätigt er. „Tut mir Leid“, sage ich, eingedenk der polnischen Niederlage in letzter Sekunde. Er drückt meine Hand noch fester.

Weitaus merkwürdiger mutet indes der korpulente Typ unter unserem Balkon an, der um kurz vor halb eins an die Hauswand gegenüber schifft und dies mit einem dröhnenden „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!“ begleiten zu müssen glaubt; mit passablem Bariton übrigens.


Pissende Patrioten sind mir gleichwohl lieber als brandschatzende, weshalb ich die zag aufkeimenden Chromaxtfantasien recht erfolgreich niederkämpfen kann.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über fatalen Waffengebrauch
1. „Careful with that axe, Eugene“ von Pink Floyd
2. „If I had a rocket launcher“ von Bruce Cockburn
3. „The man who shot Liberty Valance“ von James Taylor

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01 März 2006

Die Bloggertour

Monatelang war ich nicht sonderlich erpicht darauf, andere Blogger kennenzulernen. Doch die Neugier auf diese seltsame Spezies stieg stetig, und nun hat sie gesiegt. Innerhalb von sieben Tagen traf ich mich mit vieren von ihnen. Ich gestattete – etwas bang, aber auch mit einem Kribbeln im Bauch – dem Virtuellen den Zugang zum Realen.

Zunächst traf ich Lyssa, die auf wundersame Weise das Feminine mit dem Taffen verbindet und Höflichkeit mit warmherzigem Spott. Dann German Psycho und Pat Bateman, zwei schnelldenkende Businessleute, die sich die Bälle schneller zuspielen als Becker und Lendl zu ihren besten Zeiten.

Und schließlich Opa Edi, einen freundlichen, begeisterungsfähigen, gegenüber einem fremden Besucher rührend herzlichen Ex-Seefahrer, der auf seiner 14 Stockwerke hohen Kommandobrücke die Piratenflagge gehisst hat und auf St. Pauli herabschaut wie die Philantropie in Person.

Alles Menschen, die ich nie kennengelernt hätte, wenn ich nicht im letzten September aus einer Schnapsidee heraus dieses Blog gestartet hätte. Und das wäre sehr, sehr schade gewesen. Jetzt erwäge ich sogar den Besuch bei einem Bloggertreffen.


Ex cathedra: Die Top 3 der heimeligsten Chillouttracks
1. „Searching“ von Pieter Nooten & Michael Brook
2. „Kisses“ von Bent
3. „Calmed“ von Brian Eno

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