Der weise Eisbär
Allerdings scheint die Autorin Annette Langer eher kiezfremd zu sein, denn verwundert stellt sie fest: „Gespenstisch leer sind die Bürgersteige – kein einziges Freudenmädchen ist zu sehen.“
Nun, die Feier fand am hellichten Nachmittag stand, und Huren dürfen sich hier erst ab 20 Uhr auf den Straßen blicken lassen. Langers Text brachte dennoch Erhellendes.
Nachmittags zum Beispiel, als ich aus dem Büro kam, sah ich eingangs der Talstraße eine seltsame Gestalt am Straßenrand stehen, die ich später – nach der Lektüre des Artikels – identifizieren konnte, denn Langers Beschreibung traf in entscheidenden Teilen auf sie zu.
Es handelte sich um einen blonden Mann mit Tolle, dessen schneeweißer Kunstpelzmantel hinabreichte bis zu den weißgrauen Stiefeletten. Diese wiederum verjüngten sich nach vorn schier endlos, ehe sie in eine injektionsnadelscharfe Spitze übergingen, die sich keck hochwölbte, als wollte sie die momentane Regenwahrscheinlichkeit erschnüffeln.
Ich dachte innerlich schmunzelnd das Übliche: typisch Kiez. Dank Spon-Autorin Langer weiß ich nun auch, dass es sich bei diesem humanoiden Eisbärenimitat weder um einen Luden noch um einen kostümierten Mimen handelt, sondern um einen Designer namens Götz Barner.
Auch er hatte also an Domenicas Trauerfeier teilgenommen, traf dort auf Langer und wird nun zitiert mit dem phrasennahen Satz: „Originale wie Domenica sterben aus, es geht nur noch um Kohle.“
Ein besinnliches Fazit, mit dem ich euch nun in die Nacht entlasse.
PS: Das Foto des Michels ist selbstverständlich off topic, doch immerhin von heute.
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