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Die Rückseite der Reeperbahn

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Mein Foto
Name: Matthias Wagner
Standort: Hamburg, Germany

Schreiberling




02 März 2010

Fundstücke (69): Netter Versuch



Entdeckt in einer Konditorei in der Wohlwillstraße.


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16 Februar 2010

Karneval bei Lillo



Lillo ist ein untersetzter schwarz- und kulleräugiger Italiener sowie unumschränkter Cheffe des Restaurants Don Camillo e Peppone in der Seilerstraße, wo wir heute zu viert einfielen.

Lillo musste einige Pannen erklären im Laufe des Abends, zum Beispiel die rhythmischen Stromausfälle, die zum Glück durch die vorsorglich aufgestellten Kerzen vorzüglich kompensiert wurden. Oder die vergessenen Antipasti. Und er tat das mit so viel Charme und – was noch wichtiger war – generös spendierten Likören, Schnäpsen und Weinflaschen, dass wir ihm nicht die Spur böse sein konnten, ganz im Gegenteil.

„Tute mir leide mit de vergessene Antipasti“, barmte er kulleräugig. „Macht nix“, kalmierte ich verständnisvoll die Lage, „wir kommen trotzdem wieder.“ Lillo erstrahlte wie eine Lichterkette und rief: „I love you!“, wobei er eine irgendwie kugelrunde römische Version von Michael Jackson abgab, nur vokal tieffrequenter.

Zwischendurch erfreute er uns mit einer kaluaähnlichen Kreszenz namens „Jack Russell“. „So etwasse habese noch nie e-getrunke!“, versprach Lillo beim Verteilen des pechschwarzen Trunks, den ich auf 16 Umdrehungen schätzte.

„Nein, sinde 42“, korrigierte er mit plötzlich verschwörerhaft gedämpfter Stimme und informierte uns über einen erst neulich stattgefundenen Exzess zu viert, an dem er federführend beteiligt war und dessen Bilanz am Ende einen Verbrauch von sechs Flaschen Jack Russell ergab.

„Und wisse was? Wir ware nich betrunke!“, schwor Lillo und schickte einen Gehilfen aus, damit wir den kaluaähnlichen Geschmack zeitnah mit einem Kräuterlikör übertünchen konnten.

Schließlich beschwor er uns, unbedingt zu seiner Karnevalsparty am 27. Februar zu kommen. „Aber übermorgen ist doch schon Aschermittwoch“, staunte Ms. Columbo, „dann ist doch alles vorbei.“

Lillo schaute mitleidig. „In welche Monat isse Karneval?“, fragte er rhetorisch. „Im Februar“, antworteten wir unisono. „Un sibbe un zwansiste? Isse nich Fäbbuar?“, triumphierte der Philosoph vom Appenin.

Dieser Logik konnten wir uns natürlich nicht verschließen, zumal wir nach Jack Russell, Averna und sizilianischem Vino Bianco eh zu jeder Konzession bereit gewesen wären. „Bitte kommese vorbei am
sibbe un zwansiste un bringe Freunde mit“, sagte Lillo, während er die Gesamtrechnung um acht Prozent kürzte, wegen der ganzen Pannen. Man müsse sich nicht mal verkleiden, versprach er, für Getränke sei ebenfalls gesorgt, alles natürlich kostenlos. „Machese Werbung für de Karneval!“, rief Lillo.

Doch dieses Blog ist werbefrei, das würde ich natürlich niemals tun.


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06 Januar 2010

Krustenfixiert

Heute fiel mir ein schier genialischer Aphorismus ein, den ich sogleich vertwittern wollte. Plötzlich aber erschien er mir viel zu großartig, um als 140-Zeichen-Marginalie ein paar Hundert Followern vor die Füße geworfen und somit in den Internetorkus des baldigen Vergessens getreten zu werden.

Also hob ich ihn mir zwecks literarischer Verwendung auf. Und jetzt habe ich ihn vergessen.

Vielleicht lag das an der amnesischen Wirkung des Krustenbratens, den der Franke und ich mittags an einem einschlägigen Stand im Mercado zu uns nahmen. Ich machte die Verkäuferin explizit auf meine Krustenfixierung aufmerksam und betonte, ich nähme auch gern ausschließlich die Kruste, ohne weitere Fleischbeilage.

Sie lächelte ablehnend und schnitt mir kopfschüttelnd ein Stück ab, dessen Krustenanteil ich als eher suboptimal empfand, doch was war dagegen zu tun? Nichts. Der Kunde ist vielleicht König, doch eine Krustenbratenverkäuferin Gott. Mindestens.

Der Franke orderte sabbernd vor Verlangen das gleiche Mahl, und als er damit an den Tisch trat, fiel mir sofort eins auf: Er hatte mehr Kruste abgekriegt als ich. „Du hast mehr Kruste abgekriegt als ich!“, greinte ich empört. „Und das, obwohl ich meine Krustenfixierung doch wohl klar und deutlich verbalisiert hatte!“

„Ja-ha“, feixte der Franke, während er den ersten Bissen bereits zufrieden mümmelte. „Und weißt du, was die Verkäuferin zu mir gesagt hat: ,Tun Sie mir einen Gefallen: Zeigen Sie’s ihm nicht.’“

Manchmal hasse ich die ganze Welt, aber manchmal auch nur Krustenbratenverkäuferinnen. Insofern ein hassarmer Tag.

PS: Da ich vor lauter empörtem Greinen das Fotografieren vergaß, gibt es heute mal wieder ein Bild, das nur sehr partiell etwas mit dem Eintrag zu tun hat. Aufnahmeort: Zeisehallen, vorm großen Wintereinbruch.


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25 Dezember 2009

Bousdoukos hat auch eine ruhige Seite

Die automatische Damenstimme in der U3 betont unsere Haltestelle irgendwie komisch.

„Nächste Station: Sankt P…AU…li“, flötet sie. Beim Diphtong hebt sie die Stimme, und zwar anzüglich. „Als wenn sie sagen wollte: ,Sie wissen schon …'“, analysiert Ms. Columbo. Ganz genau. Ein vokales Augenzwinkern. Die Hochbahn weiß eben, was sie dem Kiez schuldig ist.

Rund um die Reeperbahn herrschte heute überwiegend Feiertagsruhe. Allerdings haben wir die Herbertstraße dahingehend nicht überprüft. Allweihnachtlich sollen sich dort ja die Entrechteten und Geknechteten besonders ballen, um sich für – sagen wir – 150 Euro temporär die Einsamkeit abkaufen zu lassen.

Wir hingegen taperten quer durch die Stadt, um im Mundsburgkino Fatih Akins „Soul Kitchen“ zu gucken. Ein Film, der wirkt, als hätte er sich an einem Aufputschmittel verschluckt, so penetrant ballert er uns mit bedeutsam gemeinter Musik zu, so überdreht ramentert das Ensemble durch die Kulissen; vor allem Adam Bousdoukos
als bandscheibenvorfallgeschädigter Gastronom.

Übrigens war Bousdoukos am Dienstag, als ich mit dem Franken und Kramer beim Mercadoitaliener speiste, ebenfalls aufgetaucht und goutierte mit ein paar Freunden die hervorragenden (weil selbstgemachten) Nudeln. Allerdings machte er privat weit weniger Krach als im Film, und wäre mir „Soul Kitchen“ am Dienstag bereits bekannt gewesen, so hätte ich Bousdoukos dafür sicher ausdrücklich belobigt.

Denn kaum etwas ist mir unangenehmer, als wenn man mich beim Lasagneessen mit Deppenleerzeichen (Foto) oder Lärm behelligt, der über das eh schon dezibelintensive Geplapper und Gelaber Kramers und des Franken hinausgeht.

Zusätzlich erträglich wäre höchstens eine Damenstimme, die „Sankt P…AU…li“ flötet, doch in der U-Bahn esse ich so gut wie nie Lasagene, vor allem keine selbstgemachte.


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14 Dezember 2009

Wie ich meine Schokovorräte retten werde



Seit Jahren betätigt sich Kollege Kramer als skrupelloser Schokoripper. Und er wird immer schamloser.

Tagtäglich kommt er inzwischen hereingeschlurft, murmelt dumpf „Brauche Schokolade“ und öffnet hinter meinem Rücken umstandslos den Bisley, um aus der dritten Schublade von oben meine Tafel „Ritter Sport Voll-Nuß“ hervorzukrame(r)n. Davon bricht er mit der gleichen Hand, mit der er sich kurz zuvor im Schritt kratzte, eine ordentliche Rippe ab und verzehrt sie sogleich, und zwar mit der Emsigkeit eines ausgehungerten Eichhörnchens.

Das geht natürlich nicht, und ich tüftele seit längerem an Gegenmaßnahmen. Eine Zeitlang hatte ich recht großen Erfolg mit der Taktik, die Schublade, in der die Schokolade lagert, regelmäßig zu wechseln. Kramer zog die gewohnte auf, stierte dumpfen Blicks hinein, entdeckte nirgends die Süßigkeit, machte mir zeternd Vorwürfe und entfernte sich unter protestierendem Gebrabbel.

Das waren schöne Zeiten.

Irgendwann aber kam der Fuchs auf den Dreh, probeweise mal eine andere Schublade aufzuziehen, und bingo. Sein Vorgehen führt also letztlich immer zum Erfolg. Der Franke, seinerseits lange triste Jahre der bevorzugt von Kramer Gebeutelte, hat sich inzwischen gänzlich von der Schokoladenlagerhaltung verabschiedet. Er schnorrt jetzt bei Bedarf selbst ab und zu ein Stück bei der temporär anwesenden 400-Euro-Kraft.

Aufgrund dieser plötzlich versiegten Frankenquelle war ich es, der zunehmend in den Fokus Kramers geriet – mit den oben geschilderten Folgen. Allerdings glaube ich nun eine Taktik ausgetüftelt zu haben, die der Raffinesse des systematischen Mundräubers Rechnung trägt, ihn aber gleichwohl in eine psychologische Falle lockt.

In der als Ort der Verheißung fest etablierten dritten Schublade von oben nämlich deponiere ich neuerdings nur noch ein ganz klein wenig Schokolade, im Schnitt eine Drittelrippe. Die wahren Vorräte indes befinden sich nun – aufgemerkt – im vierten Schubfach.

Darauf wird Kramer nie kommen, da er ja wie üblich in der dritten fündig wird, wenngleich in einem frustrierenden Ausmaß. Er wird sich – so meine Hoffnung – im Lauf der Zeit derart über den empörenden Mangel ebenda ärgern, dass er seine Raubzüge nach und nach ganz einstellt, zumal ein bei ihm noch immer vorhandenes Quäntchen Anstand ihn erstaunlicherweise davon abhält, Reste ratzeputz zu verzehren.

Eine geniale Taktik, wie ich finde. Kramer darf nur nie erfahren, dass das Paradies inzwischen umgezogen ist und am üblichen Ort lediglich ein Köder deponiert wurde, der in gleichem Maße beschwichtigend wie frustrationssteigernd wirken soll.

Zum Glück liest er dieses Blog nicht. (Hoffentlich.)

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19 November 2009

(K)ein Abend für Fußfetischisten

Während des Essens vorm Fernseher auf arte damit konfrontiert zu werden, wie jemand einem kranken Schaf die Klauen kürzt, bis sie bluten, erzwingt natürlich sofortiges fahriges Umschalten, trotz meiner kulinarischen Erfahrungen mit Lammfüßen.

Bei der ziellosen Flucht verschlägt es mich auf Phoenix, wo ich jedoch prompt in eine Sendung über misslungene Arktisexpeditionen stolpere und es nicht mehr rechtzeitig vermeiden kann zu sehen, wie ein Forscher einem anderen den verfaulten Fuß absägt.

Zum Glück mümmelte ich gerade kein Eisbein, sondern „Ritter Sport Voll-Nuss“, aber trotzdem. Jedenfalls war das kein Abend, der Fußfetischisten in ihrer Neigung hätte bestätigen können.

Oder gerade.



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12 November 2009

Monochrom statt molekular



Gestern Abend wurde ich im Rahmen einer CD-Präsentation von Tim Mälzer bekocht. Natürlich nicht ich alleine, aber auch ich.

Vorher schwor der TV-Koch uns auf die Modalitäten ein: Wer den jeweils als Auftakt eines Ganges servierten
Jelly Shot nicht zu sich nähme, bekäme nichts zu essen. Punkt. „Und wenn trockene Alkoholiker dabei gewesen wären?“, gab Ms. Columbo später zu bedenken, als ich ihr davon erzählte. Tja. Soweit hatte Mälzer wohl nicht gedacht.

Bei einem Wodka Jelly Shot handelt es sich übrigens um eine Art Wackelpudding mit Umdrehungen. Scheußlich, aber knallt. Der erste war grün, weil Mälzer heute nach Farben kochte, und als erster Gang war Zander in Kräuterkruste mit Erbsenpüree dran. Das war alles sehr grün, also musste auch der Shot grün sein. Er schmeckte fern nach Waldmeister, aber darauf kam es nun wirklich nicht an.

Während Mälzer wuselte und kochte, standen wir um ihn herum, reichten ihm Pfannen oder stellten dumme Fragen. Die beantwortete er im Dampfplauderstil, während er ohne hinzusehen in einem Affenzahn Knoblauch oder Schalotten schnitt. Verstohlen musterte ich seine Fingerkuppen. Sie waren seltsamerweise alle noch dran. Oder wieder.

Beim Flambieren eines Carpaccios vom Iberico-Schwein gab er Einblick in die Ausstattung seines Restaurants Bullerei. „Ich habe eine Hightechküche, ich habe alles, ALLES!“, bellte er, „aber das Einzige, was ich bedienen kann, ist der Ofen. Und mein Herd zu Hause kann auch nur heiß werden, aber er kostet 20 000 Euro!“

Zu diesem Zeitpunkt war der zweite Wodka Jelly Shot, ein roter, schon Geschichte, und es drohte ein gelber. Denn inzwischen hatte Mälzer sich pochiertem Kabeljau mit Currysoße, Gewürzbirne und Kumquats zugewandt.

„11 Prozent aller Deutschen sagen, das liebste Tier, das sie auf dem Teller haben, sei Hack“, gluckste Mälzer, und schon stand der rosa Jelly Shot an, denn das geräucherte, gepökelte Rinderfilet auf Rote-Bete-Püree mit Rotweinrauchaalbutter war so pink, wie Floyd niemals waren.

Zwischendurch, das muss Erwähnung finden, sprachen wir übrigens kräftig den Bullerei-Hausweinen zu, die allerdings im Gegensatz zu den gepimpten Wackelpuddingvarianten nur zwei Farbnuancen aufzuweisen hatten.

Inzwischen war Mälzer richtig in Fahrt. „Kobe-Rinder werden massiert, hören klassische Musik und bekommen Bier zu saufen – das ist wie bei mir zu Hause!“, johlte er, während er daran scheiterte, die Kindersicherung am Handmixer zu deaktivieren.

Der letzte Shot (blau) war aus mindestens zwei Gründen kongenial koloriert, und nur einer davon war das Dessert (blaues Schokomus mit Blaubeeren).

Mälzer war übrigens auch schon mal in Spanien, um sich an Ferran Adriàs Molekularküche zu wagen. War aber nix für ihn. „Das ist ganz viel Kokolores. 38 Gänge, und 36 davon hättest du in die Tonne treten können. Mir war wirklich schlecht, ich musste brechen. Aber ich hab’s zweimal runtergeschluckt.“

Das hätte an diesem Abend in der Bullerei höchstens ein weiterer Wodka Jelly Shot schaffen können, doch kurz vor eins gelang mir die Flucht. Grandioser Abend.


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11 November 2009

Ohne Worte (62): Mälzers Motto



Entdeckt über einer Tür in Tim Mälzers Restaurant Bullerei, Schanzenstraße.

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07 November 2009

Die gesammelten Irritationen des Tages



In der Weinstube Zur Traube in Ottensen lassen wir uns Wirsingrouladen schmecken, die bedauerlicherweise mit stark überwürztem Rehhack gefüllt sind.

Die weitaus nachhaltigere Irritation ereilt mich allerdings auf der Herrentoilette: Dort stehen auf einer Ablage über der Kloschüssel Mikadostäbe in einer kleinen Glasvase, die zu einem Drittel mit Wasser gefüllt ist. Mikadostäbe.


Wenn Zahnstocher auf dem Tisch stehen, kann ich ihre Funktion unmittelbar nachvollziehen. Aber bei Mikadostäben auf dem Klo?

Es läge nahe, von den Zahnstochern ausgehend analog rückzuschließen auf eventuelle Einsatzgebiete ihrer großen Brüder, doch hält mich nicht zuletzt die im Gastraum überdeutlich ausgestellte Gutbürgerlichkeit der Traube davon ab, diesen Gedanken bis zum unappetitlichen Schluss durchzudeklinieren.

Leider habe ich die Kamera nicht dabei, sonst hätte ich das Ganze fotografisch festgehalten und zu einer längst fälligen weiteren Folge der Herrenkloserie ausgebaut. So bleibt mir nur, die dritte Irritation des Tages zu dokumentieren; chronologisch gesehen war sie sogar die erste.

Sie suchte mich mittags heim. Als ich in meine Espressotasse blickte, schien die Crema zu meinem namenlosen Entsetzen das Jack-Wolfskin-Logo nachbilden zu wollen. Auf dem Foto sieht man das leider praktisch überhaupt nicht.


Jedenfalls half nur die sofortige Vernichtung aller Beweise. Und darin bin ich zum Glück spitze.


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02 November 2009

Auf dem Fischmarkt



Es ist schon nach halb 10, auf dem Fischmarkt herrscht Ausverkaufswahnsinn.

Seit 9 ist zwar offiziell Schluss, doch erst danach steigern sich die Händler hinein in blanke Hysterie. Allerdings klafft oft eine Lücke zwischen der Warenqualität und dem Enthusiasmus des Anpreisens.

Ich vermute ja schon länger, dass die Händler bereits seit 7 Uhr heimlich Gammelgemüse und Quetschobst hinterm Wagen gesammelt haben, um alles pünktlich zur Marktschließung hervorzuholen und in Kisten zu 10 Euro verramschen.

Amüsiert lassen wir uns durch die wogenden Touristenmassen treiben. Die Händler kreischen und brüllen, ihr Adrenalinspiegel schwappt hoch wie die Elbe bei einer steifen Westbrise, nur Aale-Dieters Stimme ist gerade noch ein armseliges Krächzen, und deshalb schafft er es auch nicht mehr, eine Menschentraube an seinen Wagen zu fesseln.

Es geht gegen 10. Die Marktleitung hat schon dreimal durchgesagt, der Verkauf sei sofort einzustellen; damit treibt sie die Händler allerdings nur zu immer neuen Höchstleistungen. Wir hoffen daher auf günstigen Fisch in allerletzter Minute, vor allem auf Lachs, doch was man uns in Rahmen von 15-Euro-Paketen andrehen will, ist nur unwesentlich weit entfernt von Möwenfutter. Und beim Lachs lassen sie gar nicht nach; ungerührt nennen uns die Händler die alten Kilopreise, während sie weiter Rotbarschberge vor den mit Euroscheinen herumwedelnden Touristen auftürmen.

Wir haben unseren Schnäppchenplan praktisch schon aufgegeben, als wir am letzten Fischstand vor der Lakritz- und Nippesmeile die bereits fertig zusammengestellte Traumkonstellation entdecken: mehrere Lachsfilets, Schwertfisch, Seeteufel, Thun – und natürlich auch ein erhebliches Quantum Rotbarsch, doch das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert.

Wir schlagen zu: viereinhalb Kilo prächtigen Fisch für 15 Euro. Ein Kalmar war nicht dabei, doch der befand sich ja auch auf der gewiss interessant duftenden Wollmütze des abgebildeten Händlers, der schon mal mit Moby Dick geboxt haben muss; anders ist der kecke Knick in seiner Nase kaum zu erklären.


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25 Oktober 2009

Fundstücke (61): Über Gott und die Welt



1. Wie betrüblich es um die monotheistischen Religionen bestellt ist, dokumentiert u. a. die beschämende Followerzahl von Gott bei Twitter: lediglich 116 Schäfchen wollen Sein Wort hören. Doch auch Er leidet unter Weltekel und interessiert sich nur noch für 49 seiner Geschöpfe. Konsequenterweise hat Er seit einem Monat nichts mehr getwittert. Ja, es ist ein Elend.

2. Budnikowsky bietet eins der hartnäckigsten Nester von Deppenleerzeichen auf ganz St. Pauli. Da müsste mal der Deppenleerzeichenkammerjäger durchmarodieren; ein Job, für den ich keineswegs unterqualifiziert wäre. „Dieser Bereich ist Kamera“, heißt es etwa kryptisch auf einem Schild über der Kasse. In einer weiteren Zeile hält uns das Schild dann ein unmotiviertes „überwacht“ vor die Nase, und man ahnt, was die Budnikowskys semantisch im Sinn hatten, als sie dem Schildermacher diesen debilen Auftrag erteilten. Die Deppenleerzeichenmarotte erstreckt sich sogar bis aufs Sortiment. Im Alnatura-Regal zum Beispiel findet sich ein „Berg Linsen“. Immerhin lässt das den Kilopreis von 3,98 Euro nicht gerade überteuert wirken.



3. „Pizza, ital. Art“ klingt wie „Eulen nach Vogelart“, jedenfalls betäubend tautologisch. Dafür sind aber immerhin weder Gott noch Budnikowsky verantwortlich, sondern ganz allein Würzburg.


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17 Oktober 2009

Mälzers brutale Wahrheit

Die meisten Restaurants, zumal die teuren, tun so, als sei das Essen im 21. Jahrhundert ein durchweg kultureller Akt. Alles, was diese Ästhetisierung eines existenziellen Triebs atmosphärisch trüben könnte, wird verborgen und versteckt.

Diese totale Verbrämung beginnt bei der verschleiernden Lyrik der Speisekarten (Christian Rachs Tafelhaus etwa offeriert gerade „Panaché von Meeresfischen“) und endet mit bisweilen hochdekorativen Arrangements auf dem Teller, die man versucht ist fotografisch zu verewigen (was ich in der Tat bereits getan habe).

Promikoch Tim Mälzer allerdings spielt dieses Spiel nicht mit. In seiner Bullerei in der Schanzenstraße wird man im Flur zwischen Restaurant, Bistro und Klo mit der brutalen Wahrheit hinter all dem Getue um die Ästhetik des Essens konfrontiert.

Dort hängen zwei original Tierhälften in einem grell ausgeleuchteten Innenschaufenster. Echte Leichen. Konservierte Todesangst. Tragödie, Panik, Untergang.

Das Rot des Fleisches scheint auf den ersten Blick zu rot zu sein, das Weiß von Sehnen, Fett und Rippen zu leuchtend – hat hier etwa der Präparator Gunther von Hagens unselig gewirkt?

Das könnte man denken, doch dann fällt der großäugige Blick auf den Boden unter der zerteilten Tierleiche. Da steht ein Metallbottich mit ausgelegter Alufolie, und dort hinein tropft Tropfen für Tropfen das restliche Tierhälftenblut.

Dieses makabre Arrangement holt dich augenblicks zurück auf den Boden der kulinarischen Tatsachen. Und wer danach seine Rinderhüfte mit Senf-Kräuterkruste noch guten Appetits verputzen kann, muss sich gewiss nicht mehr – zum Beispiel von Vegetariern – als Heuchler oder Eskapist beschimpfen lassen.

Wir haben übrigens heute Nachmittag bei Mälzer nur zwei Espresso getrunken. Aber es hingen ja auch nirgends grell ausgeleuchtete tote Arabicabohnen herum, aus denen irgendeine Restflüssigkeit tropfte, zugegeben.


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06 Oktober 2009

Die untergewichtigen Nudeln

Unlängst wurde hier an dieser Stelle ein Lebensmittelskandal empörenden Ausmaßes aufgedeckt.

Im Mittelpunkt stand Brokkoli von Edeka: Er wog deutlich zu viel bzw. kostete zu wenig. Seit gestern ist die Welt aber wieder ein bisschen in Ordnung. Denn spaßeshalber wogen wir die Ein-Pfund-„Gut & Günstig“-Tüte Penne Rigate einmal nach und ermittelten inklusive Folienhülle ein beruhigendes Untergewicht: knappe 490 Gramm.

Die B-Probe mithilfe einer eilends herbeigeholten Zweitpackung verlief zu unserer namenlosen Erleichterung fast identisch. Allerdings – und das ist der Vorbehalt – handelt es sich bei unserer Waage (Foto) um ein prähistorisches Gerät, das seit Isaac Newton nicht mehr geeicht wurde und komplett ohne digitalen Kram und so was auskommt.

Sie funktioniert rein MECHANISCH; die Älteren unter uns werden sich mühsam erinnern. Möglicherweise misst sie daher Gewichte nicht genau so exakt wie eine Atomuhr die Zeit; von daher wird demnächst von Sherlock Matt und Frau Watson vor Ort eine heimliche C-Probe vorgenommen.

Bis dahin hat Edeka weiterhin als unschuldig zu gelten, allerdings nur in der Penne-Rigate-Sache. Bei der Brokkoliaffäre ist der Laden definitiv aufgeflogen, aber so was von.

Übrigens sind kernlose Trauben gleichsam die Ochsen der Flora. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.


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04 Oktober 2009

Fundstücke (58): Sonderpreis für Westerwähler



14,7 Prozent aller Flohmarktbesucher auf dem Schlachthof mussten am Tag der Deutschen Einheit innerlich abwägen: Stillschweigend einfach zweifünfzig für die Wurst hinblättern – oder sich trotzigstolz als Westerwellewähler outen und 50 Cent mehr berappen?

Wahrscheinlich wurden jedoch viel weniger Wurstkunden in diese innere Zerreißprobe gestürzt als im Bundesschnitt. In den beiden Wahlkreisen Eimsbüttel und Hamburg-Mitte, auf die St. Pauli sich verteilt, kam die gelbe Gefahr nämlich nur auf rund 8 Prozent. Und hier am Wurststand, ganz nah an der Schanze also, höchstens auf 3.

Das ist in Euro genau der Preis, den einen FDP-Wähler die Wurst gekostet hätte. So fügt sich alles wieder mal auf wundersame Weise zu einem harmonischen Ganzen.

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03 Oktober 2009

Kein Abend auf dem Kutterchen

Wir wollen zu irgendeinem hippen event cooking in die Hafencity.

„Was erwartet uns denn?“, fragt Ms. Columbo mehr bang als neugierig. „Wahrscheinlich müssen wir eigenhändg Seeigel töten“, deliriere ich.

„Das wäre kein Problem“, erwidert sie, „Hauptsache, kein Ziegenkäse.“

Als wir vor dem cooking-Kutter stehen, sinkt unsere Begeisterung ähnlich stark wie seit Wochenbeginn das Thermometer.

Am Kai steht ein verschiffungsbereiter Campingkocher und daneben eine große abgedeckte Schüssel. Menschen schleppen Getränkekisten auf den Kutter, der – von seinen Ausmaßen her eher ein Kutterchen – sardonisch im Takt des ersten scharfen Herbstwindes auf den Hafencitywellen herumschaukelt.


Plötzlich scheint Ungemach zu drohen, nämlich Erbsensupp’ in der Kajüte, verschärft durch abendfüllendes Schlingern und Schwappen und die Eventualität fragwürdiger sanitärer Anlagen.

Wir verdrücken uns unverzehrter Dinge. Zu Hause gibt es definitiv keinen Ziegenkäse (was ich bedaure). Und wenn, dann würde er nicht schlingern, was ein Wert an sich ist.


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20 September 2009

Schweinebraten auf Beinen

So, so, das ist also dieses Bayern, von dem man so viel hört.

Wir waren ja praktisch noch nie hier, außer in München, und das ist SPD-regiert, zählt also nicht. Wir jedenfalls sind in Passau und gehen direkt mal in einen sog. „Biergarten“.

Er heißt Bayerischer Löwe, die Tischdecke ist weißblau kariert unter einem Baldachin aus wurffreudigen Kastanien, das Bier saubillig und extrem wohlschmeckend, zumindest das Innstädter Extra Schwarze. Mehr habe ich noch nicht probiert, das kommt aber noch.

Auf der Speisekarte stehen tausend tote Tiere – und skurrilerweise „Bayerische Antipasti“, bestehend u. a. aus „Obatzda“ und „Rindfleischsalat“. Wir ordern knusprigen Schweinebraten und Spanferkel mit Knödeln.

Feine Sache, nur die Kümmelkörner im Krautsalat machen mich verrückt. Gegen Kümmel hege ich eine gewiss pränatal bedingte Abneigung, die ins Phobische lappt, doch dafür können ja die Bayern nix. Kein Vorwurf also.

Das Bedienungspersonal trägt durchweg schwarze T-Shirts. Auf dem Rücken stehen die Namen ihrer Träger sowie ein Spruch, den sie sich wohl jeweils selbst ausgesucht haben.

Anders ist Markus’ Satz „Für Bier würd I sogar arbeiten“ kaum zu erklären. Elisabeth schaut missmutig drein, punktet aber mit „Leistung die begeistert“, während sich Kerstin „Schweinebraten auf Beinen“ erkor, wobei ich einerseits ihren Mut zur Selbstkritik belobigenswert finde und andererseits, dass sie so schlimm nun auch wieder nicht aussieht – ehe ich feststelle, dass ich mich verlesen habe und sie sich in Wahrheit für den T-Shirt-Spruch „Gaumenfreuden auf bayerisch“ entschieden hat.

Als Kiezianer exegiere ich das sofort als ortsspezifische Anspielung auf Oralsex, doch Ms. Columbo rät ab.

Der erste Hund, der uns begegnet, heißt übrigens Wastl.

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12 September 2009

Aufgedeckt: neuer Lebensmittelskandal!



Lebensmitteln in Normverpackungen ist oft nicht zu trauen. Die produzentenseitig tätigen Akteure des freien Marktes versuchen uns in aller Regel möglichst effizient zu betuppen, und das bestätigt sich gerade bei Edeka in der Clemens-Schultz-Straße mal wieder auf bestürzende Weise.

Das Brokkolisortiment dort scheint mir zum Beispiel eine allzu übertriebene Varianz aufzuweisen, obwohl jedes Gemüse mit 500 Gramm deklariert ist und natürlich auch jeweils gleich viel kostet.

Ich aber sehe kümmerliche Mickerlinge neben kraftstrotzenden Muskelkugeln, alle laut Aufkleber indes angeblich ein Pfund schwer. Wer täuscht mich hier: meine Augen oder der Sticker?

Als Akademiker und Mann der Tat klaube ich kurzerhand den dicksten Oschi aus dem Regal, packe ihn auf die Waage – und sehe Unglaubliches (Foto): 752 Gramm! Das sind über 50 Prozent mehr als ausgewiesen!

Elektrisiert nehme ich als Gegenprobe eine eher zwergenhafte Kollegin des Trumms von eben. Sie wirkt, als hätte Mama Brokkoli während ihrer Schwangerschaft ein paar mal zu oft an Pestiziden genippt. Doch heidewitzka: 595 – immer noch fast 20 Prozent über der Norm!

Das Vergleichswiegen einer angeblichen Pfundpackung Tomaten bestätigt mit 546 Gramm den alarmierenden Trend. Ganz klar: Die Produzenten haben sich verschworen, um uns in einer konzertierten Aktion erheblich mehr Ware unterzujubeln, als sie uns zu bezahlen abverlangen.


Und diese Irreführung des Endkunden ist öffentlich nachwiegbar, wie ich im geschilderten Feldversuch belegen konnte. Wo sind Stern, Spiegel oder Focus, wenn man sie mal braucht?

Bei mir schrillen jetzt alle Alarmglocken. Bei der Verbraucherzentrale hoffentlich auch.


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28 August 2009

Beim Büffetinder

Franke: „Ich glaube, ich hole mir noch ne Portion.“
Matt: „Du brauchst dich mir gegenüber nicht zu rechtfertigen, Franke.“
Franke: „Ich habe nicht mit dir geredet.“
Matt: „Sondern?“
Franke: „Mit mir selbst.“
Matt: „Aha. Du hättest deinen Plan also auch dann bekanntgegeben, wenn ich nicht hier säße?“
Franke: „Nein, das tut man nur, wenn man einen Schatten hat.“
Matt: „Dann hast du dich ja doch mir gegenüber gerechtfertigt!“
Franke: „Quatsch. Ich hol mir jedenfalls noch ne Portion.“
Matt: „Ich auch.“


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17 August 2009

Ein Eintrag mit sprunghaften Ort- und Themenwechseln



Am Sonntag sah ich auf dem Dockville-Festival eine Frau, die sich hinter der endlosen Reihe der Dixieklos in die Büsche schlug und lieber dort den Rock lüftete. Ich beschloss, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen und die Dixieklos zu meiden.

Vor der Zeltbühne fanden drei Fans (w, w, m) ein paar Münzen und gingen danach nur noch mit gesenkten Köpfen übers Gelände. Oben am Deich hätte jemand meinetwegen gerne den Namen der Straße allzu wörtlich nehmen dürfen („Reiherdamm“), doch dafür fand ich keinerlei Beweise, deswegen bleibt die Pointe rein fiktiv. Nur wenige Meter weiter aber führte wenigstens der Notausgang direkt in einen Erdwall.


So, Dockville-Modus aus, Kiezmodus an.

Hier herrschte heute höchste Hygiene – zumindest im Copper House, wo man dank eines kulinarischen Schwerpunkts (nämlich Sushi) auch peinlich genau darauf achten muss. Dorthin entführte ich heute Abend unter generöser Deckung aller Kosten den Kollegen Mr. Starkey, weil er mir damals den entscheidenden Hinweis aufs ungenehmigte Senden meines Poizeieinsatzfilmchens durch Spiegel TV gegeben hatte.

Diese Sache ist inzwischen zu meiner vollständigen Zufriedenheit erledigt; mehrere Nachträge im Beitrag informieren über die Dramatik und Dramaturgie des Verlaufs.

Das Honorar, das Spiegel TV nachträglich äußerst klaglos entrichtete, nachdem RA Udo Vetter höflich darum ersucht hatte, ist übrigens höher als die Kosten, die dieses Blog im Lauf von knapp vier Jahren verursacht hat. Daher erschien es mir opportun, einen Teil dieses Honorars umstandslos in die Ankurbelung der kiezianischen Speisewirtschaft zu stecken.

„Aber warum ins Copper House?“, höre ich nun vorm inneren Ohr einige Gentrifizierungsgegner waidwund aufjaulen, schließlich hätte etwa der dänische Hotdoghöker an der Reeperbahn eine entsprechende Förderung gewiss nötiger gehabt. Doch Mr. Starkey hat – als Studiosus und notorischer Zwangsnebenjobber – einfach etwas Besseres verdient als Pölser.

Wer übrigens gerade ein kieznahes WG-Zimmer frei hat: Er sucht eins.


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15 August 2009

Da lacht der Lachs



Einst, als ich erstmals über Freddy, den Hähnchenhöker, bloggte, hatte ich die sehenswerte Speisekarte über der Friteuse leider links hängen lassen.

Dabei gibt es dort viel zu entdecken, zum Beispiel ein drolliges „Seelachfilet“. Doch man kann bei Freddy auch einen „Chef Salatmitschinkenkaseundei“ kaufen, ebenso wie „Kraut Salat“ oder „Matjes mit Zwibeln“.

Besonders auffällig: das topausgestattete Geflügelgericht „Pute mit Pute“. Zweifellos will Freddy damit subtil anspielen auf die kleinen Tricks der Lebensmittelindustrie, wo ja oftmals Schwein und Sein nicht deckungsgleich sind.

All diese Köstlichkeiten ringen u. a. mit einem „Linseneitopf“ hart um unsere Gunst. Doch für was man sich auch entscheidet: Dazu passt garantiert Freddys vorzügliches „Bier auser haus“.

Gleichwohl nehme ich wie immer das Hähnchen mit Pommes Frites, ich konservativer alter Sack.


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08 August 2009

Spinat, Baby!



In Tim Mälzers neuem Restaurant Bullerei bestellen German Psycho und ich mittags nur deshalb als Nachspeise Cremacatalanarotebeerentiramisu, weil Mälzer so wagemutig war, das Wort ohne einen einzigen Bindestrich auf die Speisekarte zu zwängen.

Allerdings wird der gute Eindruck nicht unwesentlich geschmälert durch ein bestürzendes Deppenleerzeichen in „Baby Spinat“ nur wenige Zeilen darüber. Geschmeckt hat die Cremacatalanarotebeerentiramisu übrigens ganz ausgezeichnet.

Später begegnen Ms. Columbo und ich in der Seilerstraße einer enorm asymmetrisch gebauten Frau, ein arg verblühtes Babe mit Tätowierungen auf den fleischigen Armen, aschblondem Haar und Zähnen aus erstarrtem Zigarrettenrauch.

Während ihr Oberkörper von unfassbar überdimensionierten Brüsten zur ballonartigen Form aufgebläht wird, wirkt sie untenrum wie auf Grashalme gebaut.

„Bestimmt ist sie eine altgediente Hure, die sich zur Ruhe gesetzt hat“, flüstere ich. „Ich hätte bei den spindeldürren Beinen eher auf Junkie getippt“, sagt Ms. Columbo.

Wahrscheinlich haben wir beide Recht, und es handelt sich um eine Kombination aus beidem. Eine ordentliche Portion Cremacatalanarotebeerentiramisu täte ihr auf jeden Fall gut – was immer das auch für lageverschärfende Folgen auf ihren Oberkörper hätte.


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05 August 2009

Mal wieder Brötchenprobleme

Heute bei Penny – die Filiale verschweige ich lieber – mustert die Verkäuferin missmutig die durchsichtige Brötchentüte des Kunden vor mir.

Es sind viele Semmeln drin, verschiedene Sorten gar, die Kassenfrau kann das Wirrwarr durch puren Augenschein nicht recht auflösen. Was also tut diese Pragmatikerin?

Sie öffnet die Tüte, greift herzhaft hinein, sortiert dort, im Tüteninnern, die Backwaren in hell und dunkel und tippt dann die unterschiedlichen Preise ein.

Warum dann allerdings drüben an der Selbstbedienungstheke Greifzangen an Ketten hängen, mit denen die Kundschaft die Brötchen rausholen soll wie Plüschteddys aus der Glasbox aufm Dom, das ploppt im Schatten dieses verblüffenden Ereignisses als große Frage auf.

„Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, Verehrteste: Brötchen kann man übrigens nicht waschen“, sage ich keineswegs zur Verkäuferin, denn das wäre ja wohl der Text des betroffenen Kunden vor mir gewesen.

Die Schweinegrippe inkubiert übrigens bis zu vier Tage.

PS: Ja, ich habe dieses Foto schon mal verbloggt, und zwar am 15. Januar 2007.


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24 Juli 2009

Ohne Worte (52): Guten Appetit



Mit Dank an Me.



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06 Juli 2009

Auf Tomatenjagd

Wir stehen noch unterm Eindruck der Hummertapete im Kieler Maritimhotel, als uns bei einem Spaziergang durch die Altstadt dämmert: Das war noch gar nichts.

Denn auf nur zehn Metern Strecke entfaltet sich ein komprimiertes Horrorszenario; es ist sozusagen der Eingang in den Hades: erst eine Scientologybude, dann eine Aktivistin der Rentnerpartei, schließlich drei Panflötenindios mit CD-Verkaufsstand. Hier hilft nur Flucht.

Zurück in Hamburg fehlen Tomaten. Zum Glück wimmelt der Kiez auch sonntags vor offenen Geschäften. Bei Penny aber gibt es keine mehr. Also Lidl.

Dort liegen nur noch zwei dreieckige flache Plastikschalen mit supersüß ausschauenden Kirschtomaten im Regel, doch vor mir stürzt sich ein Mittzwanziger drauf.

Er öffnet beide Schalen und beginnt umstandslos damit, ihren Inhalt in einer zusammenzuführen. Das schafft er auch bis auf vier partout nicht mehr hineinquetschbare Tomätchen, und die will ich natürlich jetzt auch nicht mehr.

Dann nimmt der Mann die nun proppevolle Schale, geht damit zur Kasse und hofft aufs sonntägliche Vorfeierabendkoma der Verkäuferinnen.

Ich weiß nicht, ob das geklappt hat, doch auch so zeigt die Methode des jungen Mannes zweierlei: a) wieviel Luft (nach oben) in einer dreieckigen Tomatenplastikschale ab Werk noch da ist und b) welche Sparpotenziale der Rest der Welt oftmals ungenutzt verstreichen lässt, sei es aus Anstand oder Dummheit.

Allerdings hat die Methode des Tomatenumfüllens auch Nachteile. „Wegen solcher Dödel“, wird Ms. Columbo später schimpfen, „wird hier alles kameraüberwacht!“

Tomaten erwische ich schließlich bei Topkauf in der Davidstraße, und zwar kurz bevor dort hitzeermunterte Huren die schärfsten Klamottenfitzelchen seit Erfindung des Rasiermessers vorführen.

Ich weiß es – denn wir haben hinterher, nach dem Tomatenmahl, noch mal nachgeschaut.


PS: Ach ja, noch ein mitgebrachter Kalauer, weil er zu lang ist zum Twittern: Was wünscht sich der in der Hauptstadt Schleswig-Holsteins für die Wasserversorgung Zuständige inständig? Immer eine Handbreit Wasser unter Kiel …


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26 Juni 2009

Gewebeproben

„Und jetzt“, schreit mich die Trainerin während des Bauch-Rücken-Kurses an, „das Gewebe zwischen Bauchmuskeln und Schambein richtig einsaugen!“

Das hab ich aber dann doch lieber nicht gemacht. Obwohl meine Stimmung durchaus mit kannibalistisch nicht schlecht beschrieben war, denn vorher war ich in der Clemens-Schultz-Straße von einer nun auch in unserem Viertel grassierenden Kalaueritis unter Friseuren belästigt worden („Haarlichkeit“).

So was hat es früher auf St. Pauli nicht gegeben, und vielleicht ist die Gentrifizierung doch schon weiter fortgeschritten, als ich Naivling neulich noch dachte.

Früher hatten Kiezfriseure übrigens auch keine Webadressen und warben auch nicht mit afrogelockten Totenschädeln. Und früher hat mich im Fitnessclub niemand aufgefordert, das Gewebe zwischen Bauchmuskeln und Schambein einzusaugen.

Am Wochenende sollte es dringend mal wieder Hähnchen von Freddy geben, denke ich.


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22 Mai 2009

Das Restaurant des Schreckens



Kellner
(räumt die noch halbvollen Schüsseln mit ekliger Spargelcremetütenpampe ab): Hat’s geschmeckt?

Wir: Nein.
Kellner (süffisant): Noch eine?

20 Minuten später.

Kellner (räumt die Reste des Hauptgerichtes ab, bestehend aus wüstentrockenem Wildlachs mit einem als Kartoffelgratin verbrämten weißen Matsch): Hat’s geschmeckt?
Wir: So lala.
Kellner (konspirativ spöttisch): Noch eins?

12 Minuten später.

Kellner (räumt die umfangreichen Reste des Desserts ab: Instantschokopudding mit Dosenbirnen, die wie Dichtungsmasse schmeckten, was Ms. Columbo später auf „Türstopper“ korrigiert): (sagt nichts)

Wir: (sagen auch nichts)

Blöd, dass wir Halbpension gebucht haben.

PS: Dafür ist das Wetter wengistens weiterhin von existenzieller Wucht (Foto).


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23 April 2009

Das Hinternargument

Der Franke will zu Kieser. Ich bin entsetzt.

Immerhin: Dass Mr. Wachsende Wampe überhaupt anfängt, körperliche Ertüchtigung als Option zu erwägen, gehört zu den größten Sensationen seit Entdeckung des Turiner Grabtuchs.

Gleichwohl liebäugelt er mit dem falschen Anbieter – und das auch nur aus Bequemlichkeit, weil nämlich eins dieser monothematischen (Rücken!) Quälstudios bei ihm in Eimsbüttel um die Ecke liegt.

„Geh da nicht hin!“, beschwöre ich ihn. „Qual, Askese und Selbstkasteiung erwarten dich dort!“ Stichhaltige Argumente, die selbst ein Franke kognitiv verarbeiten können müsste, doch er bleibt seltsam still.

Plötzlich fällt mir ein, dass er ja als Katholik sozialisiert wurde, also gewissermaßen zu den Miterfindern der Selbstgeißelung gehört. Vielleicht erweckt Kieser einfach bittersüße Kindheitserinnerungen in ihm.

„In meinem Fitnessclub“, locke ich ihn gleichwohl, „kannst du schönen Frauen auf den Hintern starren und danach gepflegt saunieren, und zwar gemischt! Na?“ Außerdem sehen die Flaschenregale dort schön aus (Foto).

Richtig überzeugt ihn das alles aber noch immer nicht. Er stopft sich weiter wortlos löffelweise lavaheiße Lasagne in den Schlund, während die Option Kieser über ihm schwebt wie ein Damoklesschwert, das er für ein Origamiflorett hält.

„Da kann man dreimal kostenlos trainieren“, nuschelt er zwischen Blattnudeln und Hackfleischbrocken. „Mensch, Franke, Probetraining besorge ich dir auch!“, weise ich ihn erbarmungslos zurecht.

Doch alles vergeblich: Der Standortvorteil ist für ihn ein Killerargument. Läge die Hölle in Eimsbüttel und böte Hanteltraining mit gleichzeitigem Gegrilltwerden: Er unterschriebe sofort den Vertrag, Hauptsache, er hätte es von dort nur zwei Minuten nach Hause.

Vielleicht sollte ich ihm also die Sache mit der körperlichen Ertüchtigung einfach komplett ausreden. Denn so wie er isst, verbraucht er schon genug Kalorien. Und Muskelaufbau ist bei seiner spezifischen Art der Messer- und Gabelhandhabung ebenfalls eine gleichsam beiläufige Nebenwirkung.

Nur an den Hintern schöner Frauen mangelt es in seiner Welt. Vielleicht ein Ansatzpunkt, den ich noch mal vertiefen sollte, als letzte Rettung vor Kieser.


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21 März 2009

Der endlose Einkauf

Im Gemüseladen. Meine strategische Position ist heute – im Gegensatz zu vielen anderen Freitagen – sehr günstig: Nur zwei Leute sind vor mir dran, und die gehören auch noch zusammen.

Allerdings hat das Paar einen recht langen Einkaufszettel dabei, und der wird Frucht für Frucht, Staude für Staude, Pilz für Pilz abgearbeitet. Stand ich zunächst als einziger hinter den beiden in der Schlange, so ist sie inzwischen zu beträchtlicher Länge angewachsen.

Wie immer hier im Gemüseladen nimmt die Kundschaft das Warten mit kieztypischer Stoik hin; die Qualität der Ware und der Charme des Chefs dämpfen jeden Gedanken an Rebellion.

Das Paar vor mir will jetzt auch noch Champignons. Und Schalotten. Aber bitte nur mittelgroße.

„So, das war’s“, sagt die Frau dann und kramt nach ihrer Börse. „Ach, eine Birne – zwei!“, fällt ihr noch ein, und Thorsten, der Gemüsemann, kramt erfreut nach den Birnen. Die Schlange schweigt ergeben. Erneut startet das Paar den Bezahlvorgang.

„Avocado“, sagt der Mann unversehens. Ach ja, die Avocado. Natürlich. Thorsten holt eine, die Rechnung wird ergänzt, endlich kommt die Börse zum entscheidenden Einsatz. Ich traue dem Frieden noch immer nicht, doch das Paar ist schon beim Einpacken, jetzt verabschiedet es sich sogar wortreich, quetscht sich an der Schlange vorbei, öffnet die Tür, und ich sage zu Thorsten: „Zwei Bund Rauke, bitte.“

Thorsten lächelt wissend, es ist die übliche Order. Danach, das wissen wir beide, kommt es unerbittlich zum Feldsalat. Er greift nach der Rauke.

„FENCHEL!“, kreischt es plötzlich panisch vom Ausgang her, „wir haben den Fenchel vergessen!“

Alle schauen sich um. Das Paar müht sich aufgeregt an der Schlange vorbei. Sie kommen zurück, etwas hat überlebt, es ist noch nicht vorbei.

Thorsten wendet sich an mich und fragt: „Ist das okay? Oder sollen sie sich wieder hinten anstellen?“ Ich knirsche vernehmlich mit den Stirnfalten – und beschließe dann, meinen sardonischen Tag ein andermal zu nehmen.

Fenchel ist es einfach nicht wert.


PS: Das heutige Raukenfoto darf übrigens gerne unter Quellenangabe und Verlinkung für nichtkommerzielle Zwecke verwendet werden, und zwar weltallweit. Schließlich ist heute Feiertag – und für mich gar ein inneres Missionsfest.

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