.comment-link {margin-left:.6em;}

Die Rückseite der Reeperbahn

In memoriam | Mein Shirtshop | Twitter | RSS-Feed abonnieren | Mail: mattwagner {at} web.de

Mein Foto
Name: Matthias Wagner
Standort: Hamburg, Germany

Schreiberling




05 März 2010

Udo Lindenberg wird immer präsenter



Manche dürften an der Wachsversion von Udo Lindenberg vor allem die Tatsache schätzen, dass sie nicht so was wie „Keine Panik!“ nuscheln kann. Ich zum Beispiel.

Die Figur ist die jüngste Errungenschaft des Hamburger Panoptikums am Spielbudenplatz, nur wenige Meter entfernt von Lindenbergs Stern auf der Reeperbahn. Verantwortlich für die erschreckend lebensechte Nachbildung des sog. „Panikrockers“, der seit vielen Jahren in der Atlantic-Bar ungestraft verhaltensauffällig werden darf, indem er absichtlich Likör verschüttet, ist die Bildhauerin Saskia Ruth.

Die Kleidung des wächsernen Udo – samt Hut und Sonnenbrille – wurde übrigens vom Original höchstpersönlich getragen und dann gespendet. Sie ist also durch und durch mit Udos DNS imprägniert, und wer die Figur stibitzt oder auch nur den hässlichen Hut, der könnte Lindenberg klonen.

Doch wer will das schon.

Foto: Panoptikum


Labels: , , ,

24 Februar 2010

Was Kirche und Kiez trennt



Wer aktuell erwägt, zum Christentum zu konvertieren, hat die Qual der Wahl, aber buchstäblich.

Wo soll er bloß hin – zu den Kinderf*ckern, die vor jeder neuen Vergewaltigung die letzte einfach wegbeichten? Oder doch lieber zu den Suffköppen, die den Abendmahlswein wegkippen, als gäbe es selbst für sie kein Morgen?

Hach, es ist ein Krux mit dem Kreuz. Da lobe ich mir doch den Kiez: Hier ist der Sex nicht ganz so tabulos, und wer besoffen Auto fährt, ist in der Regel noch clever genug, sich nicht erwischen zu lassen.

Womit wir völlig unelegant überleiten können zum legendären Tittenmaler Erwin Ross, den Günter Zint, der unermüdlichste Kiezfotograf aller Zeiten, unzählige Male in seinem Leben abgelichtet hat.

Heute mailte mir Günter – selbst ein Kiezoriginal wie viele seiner Motive – einige sehr schöne Ross-Fotos, von denen ich hier eins dokumentiere.

Will sagen: Wer für Bücher, Filme oder was weiß ich St.-Pauli-Bilder aus knapp fünf Jahrzehnten braucht, der kommt an Günters Archiv nicht vorbei – und sollte sich einfach mal mit ihm in Verbindung setzen.

PS: Nein, er bezahlt mich NICHT für diesen Blogbeitrag.
Er wusste nicht mal was davon.


Labels: , , ,

17 Februar 2010

Rubens ist tot



Wieder ein Kiezoriginal weniger.

Nach Stefan Hentschel, Käse-Renate, Opa Edi und Domenica hat es nun auch den Maler Erwin Ross erwischt.

Bis zuletzt hat der 83-Jährige – Kampfname: Rubens von der Reeperbahn – in seinem Atelier Bilder produziert. Seine saftigen Porträts draller Nackter zieren flächendeckend den Kiez. Auch die gespreizten Beine, durch die man die Ritze an der Reeperbahn betritt, sind sein Werk, und zwar sein berühmtestes.

Ross’ malte Frauen immer so, wie Klischeemachos sie sich vorstellen: üppig, kurvig, verspielt und mit sinnlichem Blick.

Die Härte des Sexgeschäfts, den Schmuddel, die emotionale Verrohung, die auf dem Kiez ja auch zu Hause sind, hat er stets rausgehalten aus seinen Bildern. Stattdessen verkörpern sie das Versprechen auslebbarer Lust – und zugleich die Chance, dass die porträtierte Sexbombe dir irgendwann zwei Kinder schenkt und ihr glücklich werdet im Treppenviertel mit Elbblick.

Seit dem 12. Februar ist Ross nicht mehr da. Seine Nackten aber werden es noch lange sein.



Labels: , , , ,

12 Februar 2010

In Schillers Quetsche



So daunig und ätherisch, so wolkigweich verwunschen, so pathos- und gefühlsumflort die elektronische Musik von Schiller alias Christopher von Deylen auch ist: Sein Händedruck ist definitiv Heavy Metal.

Damit nimmt er schlagartig Platz 2 in meiner persönlichen Härtehitliste ein, direkt hinter dem (freilich unerreichbaren) Kalle Schwensen.

Von Deylens Händedruck widerfuhr mir heute im Restaurant Kochlabor, wo besorgt dreinschauende Männer aus Holz an den Wänden kleben – und mit genau diesem Gesichtsausdruck werde ich der nächsten Begegnung mit Schiller entgegenblicken.

Vor einer mit Kalle Schwensen freilich sähe ich eher aus wie der Typ auf Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“.

Am besten meidet man also beide.



Labels: , , ,

25 Januar 2010

Ruud van Nistelrooys bevorstehender Kreuzbandriss



Nicht nur ganz Hamburg – ausgenommen St.-Pauli-Fans –, sondern praktisch ganz Restdeutschland überschlägt sich, weil der holländische Altstar Ruud van Nistelrooy zum HSV wechselt. Dabei ist der Mann bald 34 (ein für Stürmer methusalemisches Alter) und wurde bei Real Madrid dermaßen aussortiert, dass sie nicht mal mehr Geld für ihn haben wollen.

Der hiesige Jubel verweist letztlich auf einen latenten Minderwertigkeitskomplex der Bundesliga. Noch jeder große Name muss ungefragt als Pseudobeweis für die Wertigkeit der Liga herhalten. Dabei übersieht man gern, dass es den Topleuten in der Blüte ihrer Jahre nicht im Traum eingefallen wäre, nach Deutschland zu wechseln.

Wenn sie aber am Winteranfang ihrer Karriere in England, Italien oder Spanien nur noch die Ersatzbänke drücken dürfen, gehen sie schließlich doch noch nach Deutschland, wo sie selbst zwar nur noch auf ein Gnadenbrot
hoffen (also zwei Millionen netto im Jahr), doch ihr einstiger Glamour in vorauseilender Masseneuphorie allzu gerne mit künftiger Realität verwechselt wird.

Kann natürlich sein, dass van Nistelrooy noch mal eine gute Halbserie gelingt. Wahrscheinlicher aber ist das Modell „langwierige Knieverletzung nach drei Spielen“.

Gut, es gibt hier auf dem Kiez eh wichtigere Dinge als van Nistelrooys bevorstehender Kreuzbandriss: Im Millerntorstadion (hier ein älteres Foto mit Michel) sind am Samstag beim Spiel gegen Aachen die Bierleitungen eingefroren, und die Fans mussten auf Glühwein umsteigen. Das ist Tragik!

Unabhängig davon haben wir eh die Schnauze voll von der vielwöchigen Dauerkälte. Hiermit fordere ich daher die zuständigen Kräfte auf, endlich in den Frühlingsmodus zu wechseln.


Und zwar pronto. Soll heißen: bis gestern.


Labels: , ,

25 Dezember 2009

Bousdoukos hat auch eine ruhige Seite

Die automatische Damenstimme in der U3 betont unsere Haltestelle irgendwie komisch.

„Nächste Station: Sankt P…AU…li“, flötet sie. Beim Diphtong hebt sie die Stimme, und zwar anzüglich. „Als wenn sie sagen wollte: ,Sie wissen schon …'“, analysiert Ms. Columbo. Ganz genau. Ein vokales Augenzwinkern. Die Hochbahn weiß eben, was sie dem Kiez schuldig ist.

Rund um die Reeperbahn herrschte heute überwiegend Feiertagsruhe. Allerdings haben wir die Herbertstraße dahingehend nicht überprüft. Allweihnachtlich sollen sich dort ja die Entrechteten und Geknechteten besonders ballen, um sich für – sagen wir – 150 Euro temporär die Einsamkeit abkaufen zu lassen.

Wir hingegen taperten quer durch die Stadt, um im Mundsburgkino Fatih Akins „Soul Kitchen“ zu gucken. Ein Film, der wirkt, als hätte er sich an einem Aufputschmittel verschluckt, so penetrant ballert er uns mit bedeutsam gemeinter Musik zu, so überdreht ramentert das Ensemble durch die Kulissen; vor allem Adam Bousdoukos
als bandscheibenvorfallgeschädigter Gastronom.

Übrigens war Bousdoukos am Dienstag, als ich mit dem Franken und Kramer beim Mercadoitaliener speiste, ebenfalls aufgetaucht und goutierte mit ein paar Freunden die hervorragenden (weil selbstgemachten) Nudeln. Allerdings machte er privat weit weniger Krach als im Film, und wäre mir „Soul Kitchen“ am Dienstag bereits bekannt gewesen, so hätte ich Bousdoukos dafür sicher ausdrücklich belobigt.

Denn kaum etwas ist mir unangenehmer, als wenn man mich beim Lasagneessen mit Deppenleerzeichen (Foto) oder Lärm behelligt, der über das eh schon dezibelintensive Geplapper und Gelaber Kramers und des Franken hinausgeht.

Zusätzlich erträglich wäre höchstens eine Damenstimme, die „Sankt P…AU…li“ flötet, doch in der U-Bahn esse ich so gut wie nie Lasagene, vor allem keine selbstgemachte.


Labels: , , , , , , , ,

12 November 2009

Monochrom statt molekular



Gestern Abend wurde ich im Rahmen einer CD-Präsentation von Tim Mälzer bekocht. Natürlich nicht ich alleine, aber auch ich.

Vorher schwor der TV-Koch uns auf die Modalitäten ein: Wer den jeweils als Auftakt eines Ganges servierten
Jelly Shot nicht zu sich nähme, bekäme nichts zu essen. Punkt. „Und wenn trockene Alkoholiker dabei gewesen wären?“, gab Ms. Columbo später zu bedenken, als ich ihr davon erzählte. Tja. Soweit hatte Mälzer wohl nicht gedacht.

Bei einem Wodka Jelly Shot handelt es sich übrigens um eine Art Wackelpudding mit Umdrehungen. Scheußlich, aber knallt. Der erste war grün, weil Mälzer heute nach Farben kochte, und als erster Gang war Zander in Kräuterkruste mit Erbsenpüree dran. Das war alles sehr grün, also musste auch der Shot grün sein. Er schmeckte fern nach Waldmeister, aber darauf kam es nun wirklich nicht an.

Während Mälzer wuselte und kochte, standen wir um ihn herum, reichten ihm Pfannen oder stellten dumme Fragen. Die beantwortete er im Dampfplauderstil, während er ohne hinzusehen in einem Affenzahn Knoblauch oder Schalotten schnitt. Verstohlen musterte ich seine Fingerkuppen. Sie waren seltsamerweise alle noch dran. Oder wieder.

Beim Flambieren eines Carpaccios vom Iberico-Schwein gab er Einblick in die Ausstattung seines Restaurants Bullerei. „Ich habe eine Hightechküche, ich habe alles, ALLES!“, bellte er, „aber das Einzige, was ich bedienen kann, ist der Ofen. Und mein Herd zu Hause kann auch nur heiß werden, aber er kostet 20 000 Euro!“

Zu diesem Zeitpunkt war der zweite Wodka Jelly Shot, ein roter, schon Geschichte, und es drohte ein gelber. Denn inzwischen hatte Mälzer sich pochiertem Kabeljau mit Currysoße, Gewürzbirne und Kumquats zugewandt.

„11 Prozent aller Deutschen sagen, das liebste Tier, das sie auf dem Teller haben, sei Hack“, gluckste Mälzer, und schon stand der rosa Jelly Shot an, denn das geräucherte, gepökelte Rinderfilet auf Rote-Bete-Püree mit Rotweinrauchaalbutter war so pink, wie Floyd niemals waren.

Zwischendurch, das muss Erwähnung finden, sprachen wir übrigens kräftig den Bullerei-Hausweinen zu, die allerdings im Gegensatz zu den gepimpten Wackelpuddingvarianten nur zwei Farbnuancen aufzuweisen hatten.

Inzwischen war Mälzer richtig in Fahrt. „Kobe-Rinder werden massiert, hören klassische Musik und bekommen Bier zu saufen – das ist wie bei mir zu Hause!“, johlte er, während er daran scheiterte, die Kindersicherung am Handmixer zu deaktivieren.

Der letzte Shot (blau) war aus mindestens zwei Gründen kongenial koloriert, und nur einer davon war das Dessert (blaues Schokomus mit Blaubeeren).

Mälzer war übrigens auch schon mal in Spanien, um sich an Ferran Adriàs Molekularküche zu wagen. War aber nix für ihn. „Das ist ganz viel Kokolores. 38 Gänge, und 36 davon hättest du in die Tonne treten können. Mir war wirklich schlecht, ich musste brechen. Aber ich hab’s zweimal runtergeschluckt.“

Das hätte an diesem Abend in der Bullerei höchstens ein weiterer Wodka Jelly Shot schaffen können, doch kurz vor eins gelang mir die Flucht. Grandioser Abend.


Labels: , , , ,

26 Oktober 2009

Der designierte Containerkanzler

Heute dämmerte mir zu meiner nicht geringen Bestürzung, dass erstmals in der Geschichte der Menschheit ein Mann, der eine Zeit im „Big Brother“-Container in Köln-Ossendorf verbracht hat, demnächst nur noch eine Zyankalikapsel weit davon entfernt sein wird, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden:

Guido Westerwelle.

Auf den Trichter brachte mich eine unverhoffte Begegnung im Fitnessstudio. Neben mir mühte sich nämlich ein einstiger „Big Brother“-Insasse. Es war jedoch nicht Westerwelle, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit „Mark“ aus Staffel 5.

Ja, verdammt: Ich habe Staffel 5 gesehen – und erwarte nun demütigst das umstandslose Geteert- und Gefedertwerden, doch ohne diesen Fernsehfauxpas wäre zweifellos die oben artikulierte Erkenntniskette (Guido, Zyankali, Kanzler) nicht zustande gekommen.

So hat selbst „Big Brother“ noch sein Gutes.


Foto: Wikipedia

Labels: , ,

24 Oktober 2009

Kahl und Kähler

Als ersten aus der legendären Ur-Titanic-Mannschaft lernte ich einst Ernst Kahl kennen. Und heute, als zweiten, Richard Kähler (Foto), mit dem ich im Miller zusammensaß bei Espresso, Spaghetti und Maracujasaft.

Kahl und Kähler: Das klingt nach einer ausnehmend logischen Abfolge.

Für Satirezeitschriften zu arbeiten scheint – so ein erstes, frühes Fazit, das freilich noch einer hoffentlich bald verbreiterbaren empirischen Basis bedarf – ernste Auswirkungen auf die Persönlichkeitsbildung zu haben; diese Leute sind nämlich alle verteufelt sympathisch, gebildet, eloquent und durchweg liebenswert.

Könnte Mahmoud Ahmadinedschad nicht auch mal bei einer Satirezeitschrift anheuern, wenigstens als Praktikant?

Aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert, sonst wäre zum Beispiel auch Klaus Kinski noch gar nicht tot, sondern hätte gerade seinen 83. Geburtstag gefeiert – und dieser listige Schlenker gibt mir die willkommene Gelegenheit, noch mal die Umstände meines Erwerbs einer wertvollen Devotionalie in Erinnerung zu rufen.

Dieser Text ist eine Linkhölle, ich weiß. Und das Foto bei Kähler stibitzt.


Labels: , , ,

22 Oktober 2009

„Ich bin ein Nichts“



Wenn Gunter Gabriel Radiohead covert, sollte man eigentlich ergriffen oder erschüttert schweigen, je nachdem. Doch ich sollte vorher noch schnell erwähnen, dass heute Abend auch die Schauspielerin, Totschlägerin und Dschungelkönigin Ingrid van Bergen beim Konzert im Knust auftauchte.

Die Gute ist 78, verfügt aber noch über eine gleichsam mädchenhafte Beweglichkeit, und wenn auch ihrem Gesicht bereits jedes der 78 Jahre brutalstmöglich imprägniert ist, so versteht es die Bergen doch virtuos, ihr ungebrochen kregles Wesen auch outfitmäßig perfekt überzubetonen.

Sie lief auf mit Rockerlederjacke und strohdummblonden Haaren, ihre Pumps waren spitz wie ein Brieföffner, und an ihren kurzen 78-jährigen Fingern trug sie silberne Ringe von jener speziellen Wuchtigkeit, wie sie Türsteher auf dem Kiez zum versonnenen Seufzen bringt.

So, und jetzt Gabriel hören, ergriffen oder erschüttert, je nachdem.



Labels: , , ,

17 Oktober 2009

Mälzers brutale Wahrheit

Die meisten Restaurants, zumal die teuren, tun so, als sei das Essen im 21. Jahrhundert ein durchweg kultureller Akt. Alles, was diese Ästhetisierung eines existenziellen Triebs atmosphärisch trüben könnte, wird verborgen und versteckt.

Diese totale Verbrämung beginnt bei der verschleiernden Lyrik der Speisekarten (Christian Rachs Tafelhaus etwa offeriert gerade „Panaché von Meeresfischen“) und endet mit bisweilen hochdekorativen Arrangements auf dem Teller, die man versucht ist fotografisch zu verewigen (was ich in der Tat bereits getan habe).

Promikoch Tim Mälzer allerdings spielt dieses Spiel nicht mit. In seiner Bullerei in der Schanzenstraße wird man im Flur zwischen Restaurant, Bistro und Klo mit der brutalen Wahrheit hinter all dem Getue um die Ästhetik des Essens konfrontiert.

Dort hängen zwei original Tierhälften in einem grell ausgeleuchteten Innenschaufenster. Echte Leichen. Konservierte Todesangst. Tragödie, Panik, Untergang.

Das Rot des Fleisches scheint auf den ersten Blick zu rot zu sein, das Weiß von Sehnen, Fett und Rippen zu leuchtend – hat hier etwa der Präparator Gunther von Hagens unselig gewirkt?

Das könnte man denken, doch dann fällt der großäugige Blick auf den Boden unter der zerteilten Tierleiche. Da steht ein Metallbottich mit ausgelegter Alufolie, und dort hinein tropft Tropfen für Tropfen das restliche Tierhälftenblut.

Dieses makabre Arrangement holt dich augenblicks zurück auf den Boden der kulinarischen Tatsachen. Und wer danach seine Rinderhüfte mit Senf-Kräuterkruste noch guten Appetits verputzen kann, muss sich gewiss nicht mehr – zum Beispiel von Vegetariern – als Heuchler oder Eskapist beschimpfen lassen.

Wir haben übrigens heute Nachmittag bei Mälzer nur zwei Espresso getrunken. Aber es hingen ja auch nirgends grell ausgeleuchtete tote Arabicabohnen herum, aus denen irgendeine Restflüssigkeit tropfte, zugegeben.


Labels: , ,

28 September 2009

Vom aufopferungsvollen Trinken

„Ist es denn schicklich, wenn man seiner überforderten Tischdame beim Leeren ihrer diversen Weingläser behilflich ist?“, fragte ich heute Abend aus sehr gutem Grund den Stilpapst Uwe Fenner, bei dem Ms. Columbo und ich ein Etiketteseminar absolvierten.

„Es ist nicht nur schicklich“, rief daraufhin der Grandseigneur mit formvollendeter Verve aus, „es ist sogar das Gebot der Stunde!“

So konnte ich also die Vorgabe der Altruzentrik, die laut Fenner den guten Umgangsformen das theoretische Fundament liefert, mit einem erfreulich hohen Anteil Hedonismus garnieren. Eine Win-win-Situation in höchster Vollendung.

Hicks.

Labels: , ,

19 September 2009

Mit Stars im Pool

Weil der Name Baden-Baden bei einem einfach gestrickten Menschen wie mir als dauerhaft insistierender Imperativ ankommt, finde ich mich heute zufällig in genau jenem Hotelpool wieder, in dem vor zwei Jahren Ricky Martin mit seinem Freund Schluss gemacht hat.

Davon sind dort aber keine Spuren mehr zu finden. Ich bin sogar getaucht. Nichts. Dafür tummeln sich immer mal wieder junge Männer mit uns im Pool, die nach Rockstars aussehen.

Die Beatles, Oasis oder Selig würde ich erkennen, aber wer sind denn die bloß? Bei jedem Konzert des New-Pop-Festivals scannen wir alle Männer auf der Bühne. Es scheiden aus: The White Lies, Soha, Noisettes, Lenka, Livingston und sämtliche männlichen Bandmitglieder von Saint Lu (Foto).

Dann kommt heute Abend die Gewissheit beim Konzert im Festspielhaus: Es waren der Bassist und der Gitarrist von Razorlight. Um es noch einmal zu verdeutlichen: Wir schwammen mit Razorlight im gleichen Pool, in dem Ricky Martin vor zwei Jahren mit seinem Freund Schluss gemacht hat, omfg. „Das ist doch irgendwie cool?“, sagt – nein, eher fragt – Ms. Columbo. „Das ist sogar obercool“, bestätige ich.

Unsere Stadtführerin heißt Gunhilt Dame. Selten war Nomen omener. Sie ist eine ca. 70-jährige schmale Lady mit kokettem rotem Blazer über blauen Hosen, mit deren Bügelfalten Ricky Martin final-mortal mit seinem Freund hätte schlussmachen können (und dann hätte man auch noch Spuren davon im Pool gefunden, oh ja).

Dazu trägt Frau Dame einen blauen Schirm leger im Arm und parliert druckreif über 2000 Jahre Stadtgeschichte. Sie ist übrigens der meines Wissens einzige Mensch, der das Verb „unterminieren“ noch buchstäblich und nicht allegorisch gebraucht.

Während unseres Spaziergangs mit Gunhilt Dame klackern überall die Kastanien auf die Dächer, deshalb tragen hier so viele Menschen Hüte und/oder meiden die Alleen.

So, morgen geht’s weiter nach Passau.

Labels: , , , , , ,

15 September 2009

Gunters kleiner Trick



Traf heute Gunter Gabriel (67). Er gestand mir, er erzähle Leuten gerne, er sei bereits 70, damit sie ihm verwundert sagten, er sähe noch gar nicht so alt aus.

Auch die Sängerin Anna Ternheim (31) deutete später am Abend beim Konzert in der Fabrik ihr Alter an. Sie sieht allerdings definitiv jünger aus, als sie ist – und auch jünger als Gabriel, zumindest aus der Ferne.

Der Clip zeigt ihre aparte akustische Solofassung von „My secret“.

Labels: , ,

10 September 2009

Ein Ruck muss durch Ole gehen!



Wenn man während einer Busfahrt das Glück hat, neben dem legendären Fotografen Günter Zint zu sitzen, ist der Ausflug gerettet, egal was sonst noch passiert. Der Mann ist nämlich ein Anekdotenspringbrunnen.

Kein Wunder: Zint fotografierte einst im Starclub, er lernte die Beatles kennen, spielte zu Hause Jimi Hendrix Platten vor, zog mit Günter Wallraff konspirativ durch die Lande – und wies unlängst noch Eric Burdon (The Animals) darauf hin, dass er Mist schreibt in seiner Autobiografie, wenn er behauptet, er habe nie im Starclub gespielt. Hat der gute Eric nämlich doch, und Günter kann es beweisen, er war nämlich dabei.

Zint betreibt seit 1991 das Sankt-Pauli-Museum in der Hein-Hoyer-Straße, eine Schatzkiste ohnegleichen, nicht nur wegen des gewaltigen Zint’schen Fotoberges. Es dokumentiert in vielfältiger Form das Leben und Treiben auf dem Kiez im Lauf der Zeiten – und ist jetzt in Gefahr.

Denn die Stadt will den eh mageren Jahreszuschuss nicht mehr zahlen; schließlich muss unser Erster Bürgermeister Ole von Beust jeden Cent zusammenkratzen, um den städtischen Anteil am 450-Millionen-Projekt Elbphilharmonie zu wuppen.

Günter Zint und seine Tochter Lena, die gerade eingestiegen ist, könnten das Sankt-Pauli-Museum mit einem Tausendstel dieser Summe länger betreiben, als es je Huren in der Davidstraße geben wird, aber das kriegen die Zints nicht, das Tausendstel.

Deshalb hat Günter der Stadt zwei Vorschläge gemacht, von denen sie sich einen aussuchen kann – und Ole wäre echt mit der Angelrute gepeitscht, wenn er das nicht täte.

Zum Beispiel wäre der generöse Günter bereit, das komplette Museum der Stadt zu übereignen, wenn sie ihm, dem 68-Jährigen, hinfort eine monatliche Leibrente von 2500 Euro zahlte. Dafür will er sich sogar noch weiter ums Museum kümmern. Das wäre der billigste Kulturschatz, den Hamburg je erworben hätte, selbst wenn Günter 100 würde, was ihm unbedingt zu wünschen wäre.


Also, Ole: Gib dir einen Ruck!


Im Rahmen der Busfahrt hat er mich übrigens fotografiert, der legendäre Knipser. Viel mehr werde ich im Leben nicht erreichen können.

Und natürlich habe ich mich revanchiert.


Labels: , , ,

24 August 2009

Gigant am Strand

Nach stundenlanger Countryberieselung aus der Kurmuschel in Travemünde drangen heute plötzlich ganz andere Klänge gen Strand.

Verantwortlich dafür schien ein lustloser Stand-up-Komiker aus Berlin zu sein; das manchmal vom mittelstarken Ostseewind etwas zerfleddert herüberwehende „Icke“ legte das nahe.

Ich schaute mir den Mann an. Trotz des wolkenarmen Sommerwetters (Foto) hatte er sich in puncto Outfit für eine zwiebelartige Schichtung entschieden. Von außen nach innen trug er …

– einen eierschalenfarbenen Anzug über dunkler Weste,
– ein schneeweißes Oberhemd mit weit aufgeknöpftem Kragen,
– darunter ein blaues Halstuch sowie ein Unterhemd;
– um die Hüfte hatte er sich etwas geschlungen, das ich als braunen Pulli zu identifizieren glaubte, ein Ärmel davon baumelte ihm jedenfalls recht unvorteilhaft im Schritt, und
– komplettiert wurde diese keineswegs wettergemäße Aufmachung durch eine Baseballmütze mit asiatischem Schriftzeichen und
– Turnschuhen, auf denen groß „BÄR“ stand.

Und dieser Mann war sage und schreibe: der legendäre Rolf Zacher.

Eins der größten deutschen Schauspielorginale, ein Gigant, demgegenüber Til Schweiger nichts weiter ist als ein Molekül eines vertrockneten Krümelchens Eintagsfliegenschiss, einer vom Schlage Klaus Kinskis oder Udo Kiers, ein Ex-Krautrocker, Ex-Knastie und Ex-Junkie – und der stand also unverhofft vor mir in der Travemünder Kurmuschel.

Das einzige Mal, dass ich Zacher vorher begegnet war, ist schon ungefähr 20 Jahre her. Damals beschlich mich während einer Berlinale-Party ein menschliches Bedürfnis. Ich betrat die sanitären Anlagen, und wen fand ich vor am Pissoir? Rolf Zacher. In der Hand sein bestes Stück, im Mund eine schon lange nicht mehr abgeaschte Kippe, irgendetwas vor sich hinbrabbelnd mit der Stimme von Nicolas Cage aus „Wild at heart“ .

Seither hat sich Rolf Zacher, wie ich heute erfreut feststellen durfte, nicht wesentlich verändert. Wahrscheinlich färbt er sich – anders als Gerhard Schröder – die Haare, aber sonst waren seine Gesichtsschluchten ganz die alten; er sah sogar gesünder aus als damals mit seinen gegeelten Haaren der Vollfettstufe und jener speziellen Hagerkeit, die Heroin hervorzurufen weiß.

Rolf Zacher jedenfalls lebt, das kann ich hier froh verkünden, auch wenn er jetzt in Travemünde am hellen Nachmittag in „BÄR“-Sneakers singend und blödelnd Badegäste irritiert, die nicht wissen, welche Type sie vor sich haben.


Bei YouTube könnten sie es sich anschauen. Auf eigene Gefahr.

Labels: , ,

26 Juli 2009

Lady Gagas fäkales Versagen

Mit ihrem atemberaubenden Hintern könnte das neue Popwunder Lady Gaga sofort im Dollhouse anfangen. Leider kam ich heute Abend im Stadtpark nicht nah genug ran, um das niveauvoller zu verifizieren (nur 3-fach-Zoom).

Auch verbal drehte sich bei der Frau aus New York viel um besagte Körperregion – vor allem um das, was bisweilen dort zutage tritt. Wie viele andere englischsprachige Künstler versuchte auch Lady Gaga, sich mit radegebrochener Fäkalsprache bei uns einzuschmeicheln.

Zunehmend vergnügt rief sie also lauthals „Scheise!“. Allerdings tat sie das mit stimmhaftem s, wie in „Reise“.

Warum bringen Management, Labels und PR-Berater ihren Künstlern eigentlich nicht die korrekte Aussprache dieses beliebten Terminus bei? Sie errängen noch ganz andere Erfolge bei uns dem Fäkalen sehr zugeneigten Deutschen, sprächen sie es mit scharfem s aus.

Zumal nicht einmal anatomische Gründe dagegen sprächen. Denn auch Amerikaner wie Lady Gaga kennen diesen Zungenlaut von Wörtern wie „science“, die sie gewöhnlich unfallfrei bewältigen, also schafften sie das gewiss auch bei „Scheiße“, so ihnen nur irgendjemand das mal ordentlich verklickerte und vorspräche.

Doch wahrscheinlich wagt es keiner aus der Lakaienschar, den Star zu korrigieren. Falls du
also hier mitliest, Lady Gaga: Das s in „Scheiße“ wird so scharf ausgesprochen wie dein Hintern aussieht.

Und wenn es bei dir mal nicht mehr so läuft mit der Musik (was ich nicht glaube, denn du wirst so groß werden wie Madonna, garantiert), dann stelle ich gern den Kontakt zum Dollhouse her.


Labels: , , , , ,

10 Juli 2009

Von Hunden, Bullen und Schweinen

Natürlich gehört diese Meldung aus dem Klatsch-und-Tratsch-Bereich von web.de zu jenen, die wir liebend gern zu verpassen das Vergnügen gehabt hätten.

Gleichwohl muss ich als gescheiterter Lyriker dem gestochen scharfen Vers „Sarah Connors Hund/tötet zwei Kaninchen“ Respekt zollen.

Sein konsequent trochäischer Stechschritt klatscht einem nämlich rhythmisch an den Kopf wie die Springerstiefel eines Eutiner Polizisten, wenn man zur falschen Zeit im Jolly Roger Astra trinkt.

Und so habe ich sogar von Sarah Connors Töle den Bogen zum Kiez schlagen können, aber wahrscheinlich guckt mal wieder kein Schwein.


Labels: , , ,

09 Juli 2009

Hier wächst zusammen, was nicht zusammengehört

Bisher hatte ich zum Mobilfunkanbieter Vodafone gar keine Meinung. Ja, ich wusste nicht mal, ob und wie peinlich die Firma ist. Seit heute ist das anders: Denn ich habe ihren neuen Werbespot gesehen.

Er verhunzt einen meiner fünf ewigen Lieblingssongs, nämlich David Bowies „Heroes“, und allein das wäre schon ein Killergrund, eher die klassische no go area T-Mobile zu entern, als sich je in die Hände von Vodafone zu begeben.

Doch hinzu kommt noch ein Begleitsalbadern von seltener Schmerzbefreitheit. Verantwortlich dafür ist Vodafone-Marketingchef Gregor Gründgens.

„Vodafone gibt dir die Kraft, das Beste aus deinen Möglichkeiten zu machen, die dir das Leben bietet“, raunt er, als rede er von Gott oder wenigstens LSD, aber er meint nur Funkwellen. Und dann sagt er auch noch: „Wir haben den muscle, um Dinge zu bewegen.“


Er sagt wirklich „muscle“, man kann es überall nachlesen.

Doch nun zu etwas komplett anderem, nämlich Ernst Kahl. Der Dichter, Sänger, Maler, Zeichner, Songwriter, Drehbuchautor, Schauspieler, Gitarrist, Nichtautofahrer und Bahnhofsrenovierer hat – wie mir heute mal wieder bewusst wurde, als mir ein älterer Brief von ihm in die Hände fiel – die feinfedrigste Handschrift auf der ganzen Welt, und ich hätte diese spontane Eloge auch sofort auf 140 Zeichen vertwittert, wenn ich dafür nicht mehrere von Kahls Berufungen hätte weglassen müssen.

Man könnte sogar sagen, Ernst Kahl hat neben der schönsten Handschrift der Welt auch den muscle, Dinge zu bewegen – zum Beispiel ein Handy in die Mülltonne.

Labels: , , ,

21 Juni 2009

Gesichtszwillinge (23)



Nicht mal mehr beim Aufspüren bisher unentdeckter Gesichtszwillinge schafft man es heutzutage noch, der weltweit Erste zu sein.

Das spanische Weblog Poprosa hat mir, wie ich muffig feststellen muss, bereits im September 2008 die schöne Kombi Bianca Jagger/Michael Jackson weggenommen.

Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass die 59-jährige Jagger dem bald 51-jährigen Jacko physiognomisch vorauseilt. Er kann also immer genau sehen, wie er in acht Jahren aussehen wird.

Beruhigend für ihn: Sein Teint wird zunehmend gesünder.



Labels: ,

25 Mai 2009

Gesichtszwillinge (22)



Zugegeben, die Haarfarbe stimmt nicht.


Fotos: zish.ch und siimpsonspedia


Labels: , ,

26 April 2009

Schöneberger Nächte sind lang



Ein Konzert von Antony & The Johnsons (Foto) ist ohne Zweifel das Sakralste, was man als Agnostiker erleben kann – vielleicht gerade deshalb, weil Antony alle Sünden verkörpert, welche das Christentum besonders verdammt: Promiskuität, homosexuelle Liebe, Verwischung der Geschlechter.

Dafür kann man auch schon mal extra nach Berlin fahren, in den Admiralspalast. Wir sitzen auf dem Balkon. Zwei Reihen vor uns streitet sich Herbert Grönemeyer im Stehen mit einer blonden Frau, die aussieht wie Nina Hoss und es wahrscheinlich auch ist.

Es geht hin und her, am Ende scheinen sie sich zu einigen und sitzen schließlich friedlich in einer Reihe, wenn auch nicht nebeneinander. Vielleicht ging es einfach nur darum, wer die Getränke holen sollte. Wenn ja, dann hat Hoss gewonnen.

Nach dem Konzert versacken Dr. K., Xóchil und ich in einer langen Schöneberger Nacht, und ich frage mich, ob es für eine Künstlerin wirklich eine angemessene Art ist, den Tag, an dem ihr langersehntes Debütalbum erscheint, mit zwei haarlosen bebrillten Endvierzigern zu verbringen, die ihr von gestörten Vater(bzw. Mutter-)beziehungen und der säkularen Gottesdefinition in Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ erzählen.

Immerhin lief sie nicht schreiend davon, und das auch erst um drei Uhr morgens.


Labels: , , ,

28 März 2009

Gesichtszwillinge (21)

Wäre Elvs Presley (l.) Afroamerikaner gewesen, hätte er ausgesehen wie
Aretha Franklin
(r.).

Und umgekehrt.



Labels: , ,

20 März 2009

Gesichtszwillinge (20)



Charles Manson (r., Foto: Spon) lieferte 1970 die physiognomische Prognose für Reinhold Messners Aussehen heute (Foto: Wkipedia).

Was das für die weitere Zukunft des Südtirolers bedeutet, darf man sich gar nicht ausmalen.



Labels: ,

17 März 2009

Lachhaft galore



Das Publikum beim Konzert von Annett Louisan in der prachtvollen Laeiszhalle (Foto) besteht im wesentlichen aus Paaren aller Altersstufen und Sexualpräferenzen. Ob die Frau hinter uns auch jemand dabei hat, ist ungewiss; sie lacht jedenfalls alleine, und das über jeden Scheiß.

Die Frau hat das fleischige Lachen der Dicken. Ich stelle sie mir mit aufgedrehten Locken vor und einem unerotischen Busen, auf dem man eine Teekanne abstellen kann.

Als Vorprogramm tritt der kanadische Songwriter und aktuelle Louisan-Lover Martin Gallop auf. Herr Gallop sagt, Frau Louisan sei noch in der Schminke, sie sehe zwar seiner Meinung nach bereits toll aus, doch Louisan selber meine, da sei noch Luft nach oben.

Die Frau hinter uns juchzt los wie ein Lachsack unter Starkstrom.

Herr Gallop holt eine Frau aus dem Publikum auf die Bühne und sagt, er empfände etwas für sie. Hinter uns explodiert eine Lachbombe mit der Wucht von hundert Kilo. Oder mehr.

Herr Gallop stellt eine Maschine auf die Bühne, die sitarhafte Töne macht, und sagt, das sei sein Inder. Und die Frau hinter uns wiehert los wie eine Lipizzanerstute, der man die Euter tätschelt.

Ein dankbareres Publikum als sie findst du nicht auf Erden, ihr Humorlevel liegt tiefer als das tote Meer, du könntest ihr ein monochromes Mondrian-Quadrat vor die Schnüss halten, und sie würde kreischend mit Lachtränenbächen ihren Busen fluten, bis die Teekanne wegschwämme.

Und wir? Grinsen schief, hängen verkniffen im Sitz und gehen in der Pause.

Irgendwie beneide ich diese Frau. Doch das darf niemand je erfahren.



Labels: , , ,

Gesichtszwillinge (19)



Diese beiden Fotos dokumentieren einen klaren Fall von interkontinentaler Reinkarnation – wäre nicht Buster Keaton schon 1966 gestorben und Mesut Özil erst 1988 geboren.

Aber vielleicht hat sich die betroffene Seele dazwischen einfach mal 22 Jahre Ruhe gegönnt. Unsterblichkeit ist schließlich ein harter Job.

(Mit Dank an J. D.)



Labels: ,

11 März 2009

Gesichtszwillinge (18)



Wahrscheinlich bin ich wieder mal der Einzige, der die optische Verwandschaft sieht, doch mal ehrlich:

Sehen der Kannibale von Rohtenburg, Armin Meiwes (l.), und der Gigolo der Klatten, Helg Sgarbi, nicht ein bisschen so aus, als seien sie dereinst aus derselben Mutter geschlüpft?

Wenn nicht, dann nehme ich alles zurück.


Labels: ,

10 März 2009

Der Schuft



Damals, als Udo Lindenbergs Stern ins Pflaster der Reeperbahn eingelassen wurde, residierte der Quatsch Comedy Club noch ein paar Meter weiter im Imperialtheater.

Später zog Thomas Hermanns Lachveranstaltung ins Café Keese an der Reeperbahn. Genau vor der Eingangstür ist Udos Stern angebracht. Und jetzt gibt es dort einen semantischen Akkord, der dem Echo-Gewinner Lindenberg nicht sonderlich schmecken dürfte.

Er sollte sich trösten mit dem klassischen Motto des Café Keese, das auch den Einzug des Quatsch Comedy Club bislang schadlos überstanden hat: „Honi soit qui mal y pense“ – übersetzt: ein Schuft, der Böses dabei denkt.


Ich weiß auch, wen das Keese damit meint.

Labels: , ,

22 Februar 2009

Unter Trophäenblondinen



Echo-Aftershowparty. Hier lässt die untergehende Musikbranche noch mal alles raushängen, was sie eigentlich nicht mehr hat.

4000 Gäste im Berliner Postbahnhof, und jeder von ihnen könnte ein Star sein – oder bloß ein Schreiberling wie ich. Alles ist möglich, alles denkbar, alles ist vollkommen unsicher.

Die Gäste mustern sich verstohlen. Kenne ich den neben mir an der Dessertbar persönlich oder doch nur aus dem Fernsehen? Und wenn ja: aus welcher Sendung? Welchem Film/Clip/Dschungelcamp? Ist der, er mich gerade angerempelt hat, ein FDP-Generalsekretär oder ein lustiger Volksmutant? Man weiß es (oft) nicht.

Eines aber stellt sich schnell heraus: 2009 sind immer noch oder schon wieder Trophäenblondinen angesagt. Je unansehnlicher/älter/schmerbäuchiger der Star/Plattenboss/Bandmanager, desto 90/60/90er das hellhaarige Babe an seiner Seite.

Und das Babe lächelt beseelt. Warum auch nicht: Es hat schließlich einen fetten Fisch geangelt. Jetzt darf es auf Partys mit 4000 Leuten und wird verstohlen gemustert, weil man es ja aus dem Fernsehen kennen könnte.

Der Typ am Sushibuffet, der mich von hinten fragt: „Ist das frisch?“, sieht aus wie Max Mutzke, und wahrscheinlich ist er es auch. Er sieht erbarmungswürdig hungrig aus, er will ein „Ja“ hören, und er kriegt ein „Ja“.

Hoffentlich habe ich jetzt nicht seine Karriere beendet, denn er kann ja singen, der Mutzke, das kann er wirklich. Ein dicker Klempner aus England fotografiert das sensationelle Dekolletee seiner noch dickeren Gattin. Vorhin stand er noch auf der Echo-Bühne und gab an, ein gewisser Paul Potts zu sein und eine Million Alben verkauft zu haben.

Mit dieser Quote bist du ein Star in der Musikbranche, du könntest dir eine beliebige 90/60/90er Trophäenblondine aus dem Sortiment auswählen. Nur wem sie wegnehmen – Dieter Gorny? Christian Neander?

Ach, das Leben ist kompliziert auf der Echo-Aftershowparty. Die beste Beschäftigung ist deshalb verstohlenes Mustern, während man Sushi möfelt und mittelmäßigen Weißwein von Gallo trinkt, dessen Mittelmäßigkeit man ihm niemals vorwerfen würde, denn er ist ja kostenlos.

Auch den abgebildeten Herrn mit der komischen Tätowierung habe ich ausgiebig gemustert und bin sicher, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben.

Aber ich weiß einfach nicht, wo ich ihn hinstecken soll.


Labels: , , , ,

16 Februar 2009

Domenicas traurige Augen

Bitter auf Twitter: Lance Armstrong beklagt sich über den Klau seines Fahrrads (ein Gefühl, das ich sehr gut kenne). Zugleich lobt er eine Belohnung in unbekannter Höhe für die Wiederbeschaffung aus; das heutige Foto soll unterstützend wirken.

Meine vertiefend gemeinte Frage, ob die Diebe außer dem Fahrrad vielleicht auch noch seine … ähm … Medizin mitgenommen hätten, ließ Lance bislang unbeantwortet.

Der Kiez hat gewichtigere Probleme als Armstrong, so viel steht fest. Momentan trauert er um Domenica. Die berühmteste Ex-Domina Deutschlands hieß übrigens wirklich so und lebte nach einem Intermezzo in der Eifel zuletzt wieder in der Talstraße. Von ihrer Loggia aus konnte sie, wie es in der Boulevardpresse heißt, den Transenstrich sehen.

Ich bin Domenica nur ein einziges Mal begegnet, und zwar auf dem Postamt gegenüber unserer Wohnung. Am auffälligsten an ihr waren keineswegs die voluminösen Wölbungen an ihrer Vorderseite, obwohl sie zweifellos den Status eines Naturwunders beanspruchen konnten, sondern Domenicas traurige Augen.


Zur Beerdigung werden sie alle kommen: Promis und Luden, Politiker und Freier, wahrscheinlich der halbe Kiez. Denn hier schämt man sich seiner Huren nicht, im Gegenteil.


Labels: ,