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Die Rückseite der Reeperbahn

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Mein Foto
Name: Matthias Wagner
Standort: Hamburg, Germany

Schreiberling




24 August 2009

Gigant am Strand

Nach stundenlanger Countryberieselung aus der Kurmuschel in Travemünde drangen heute plötzlich ganz andere Klänge gen Strand.

Verantwortlich dafür schien ein lustloser Stand-up-Komiker aus Berlin zu sein; das manchmal vom mittelstarken Ostseewind etwas zerfleddert herüberwehende „Icke“ legte das nahe.

Ich schaute mir den Mann an. Trotz des wolkenarmen Sommerwetters (Foto) hatte er sich in puncto Outfit für eine zwiebelartige Schichtung entschieden. Von außen nach innen trug er …

– einen eierschalenfarbenen Anzug über dunkler Weste,
– ein schneeweißes Oberhemd mit weit aufgeknöpftem Kragen,
– darunter ein blaues Halstuch sowie ein Unterhemd;
– um die Hüfte hatte er sich etwas geschlungen, das ich als braunen Pulli zu identifizieren glaubte, ein Ärmel davon baumelte ihm jedenfalls recht unvorteilhaft im Schritt, und
– komplettiert wurde diese keineswegs wettergemäße Aufmachung durch eine Baseballmütze mit asiatischem Schriftzeichen und
– Turnschuhen, auf denen groß „BÄR“ stand.

Und dieser Mann war sage und schreibe: der legendäre Rolf Zacher.

Eins der größten deutschen Schauspielorginale, ein Gigant, demgegenüber Til Schweiger nichts weiter ist als ein Molekül eines vertrockneten Krümelchens Eintagsfliegenschiss, einer vom Schlage Klaus Kinskis oder Udo Kiers, ein Ex-Krautrocker, Ex-Knastie und Ex-Junkie – und der stand also unverhofft vor mir in der Travemünder Kurmuschel.

Das einzige Mal, dass ich Zacher vorher begegnet war, ist schon ungefähr 20 Jahre her. Damals beschlich mich während einer Berlinale-Party ein menschliches Bedürfnis. Ich betrat die sanitären Anlagen, und wen fand ich vor am Pissoir? Rolf Zacher. In der Hand sein bestes Stück, im Mund eine schon lange nicht mehr abgeaschte Kippe, irgendetwas vor sich hinbrabbelnd mit der Stimme von Nicolas Cage aus „Wild at heart“ .

Seither hat sich Rolf Zacher, wie ich heute erfreut feststellen durfte, nicht wesentlich verändert. Wahrscheinlich färbt er sich – anders als Gerhard Schröder – die Haare, aber sonst waren seine Gesichtsschluchten ganz die alten; er sah sogar gesünder aus als damals mit seinen gegeelten Haaren der Vollfettstufe und jener speziellen Hagerkeit, die Heroin hervorzurufen weiß.

Rolf Zacher jedenfalls lebt, das kann ich hier froh verkünden, auch wenn er jetzt in Travemünde am hellen Nachmittag in „BÄR“-Sneakers singend und blödelnd Badegäste irritiert, die nicht wissen, welche Type sie vor sich haben.


Bei YouTube könnten sie es sich anschauen. Auf eigene Gefahr.

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28 Mai 2009

Ohne Worte (40): Ostseeimpressionen



Die Seebrücke von Weissenhäuser Strand, abends.


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21 Mai 2009

Vatertag am Meer



In der eigentlich scheintoten Ruheoase Weissenhäuser Strand an der Ostsee (Foto) fühlen wir uns plötzlich wie auf der Reeperbahn nachts um halb eins.

Überall marodieren nämlich Jungs (Vatertag!) durch die Dünen, die schon mittags so derbe betankt sind, dass sie lallend ins kalte Meer springen und Sachen grölen wie „Sven ist die schwulste Sau der Welt/der Welt/der We-he-he-he-helt!“

Dabei versuchen sie sich gegenseitig in den Hintern zu treten (was trotz ihrer alkoholinduzierten Desorientierung sogar manchmal gelingt).

Flankierend zu diesen betrüblichen Szenen juveniler Verirrung, die sich dünauf, dünab zutragen, stapfen vollschlanke Prollfrauen mit Dauerwellen und freilaufenden Kampfhunden übern Deich und kokettieren kajalumflort mit den Suffköppen.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich bereits erschaudernd orgiastische Interaktionen frühverwelkter Schwabbelkörper in Senken im Sand, nur notdürftig vom Strandgras verdeckt.

Alles in allem präsentiert sich uns also eine unschön kiezähnliche Szenerie, der wir in Richtung Seebrücke zu entfliehen versuchen, doch vergebens.

Auf dem Rückweg nämlich taumelt uns in kompletter Brückenbreite eine Gruppe halbnackter 18-Jähriger entgegen; einem hängen sämtliche Hosen auf Halbmast, was mir und Ms. Columbo einen verstörenden Blick auf sein vor Kälte schildkrötenkopfhaft eingeschrumpeltes Gemächtchen abverlangt.

Nein, uns rettet nur noch eins: eine Runde progressiver Muskelentspannung im Hotel, um zu vergessen.


Hat aber nicht funktioniert.


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23 Juni 2008

Flucht ans Meer

Also eins ist ja wohl mal klar: Solange Hamburg zuverlässig einmal im Jahr von zehntausenden Bräsköppen auf Motorrädern heimgesucht wird, die zwei Tage lang nix anderes tun, als monoton knatternd über den Kiez zu ötteln, solange sind die Benzinpreise ja wohl noch immer nicht hoch genug, und zwar bei weitem nicht.

Wir flohen heute jedenfalls vor den Hamburger Harley Days an den Travemündener Strand, wo sich das Maritimhotel tapfer
reckte Richtung Wolkenberge, die ihre nasse Last aber freundlicherweise bei sich behielten.

Der einzige Makel dieses perfekten Tages war ein Plakat an einem Laternenpfahl vorm Bahnhof. Es warb für die Hamburger Harley Days.

Aber wenigstens in aller Stille.

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08 Juni 2008

Nicht traurig sein



Dies als kleiner Trost für unsere regengeplagten süddeutschen Freunde: Auch in Travemünde war es heute sehr feucht …

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01 Juni 2008

Sehr „witzig“

Der Franke (Foto) macht die schlechtesten Witze der Welt, sie sind sogar schlechter als die von Karl Dall. Zum Glück vergisst man sie dank einer von der Evolution weise eingerichteten Kurzzeitgedächtnisblockade sofort wieder, anders wäre das auch gar nicht auszuhalten.

Allerdings kann ich genau deswegen kein einziges Beispiel beibringen. Egal. Jedenfalls reißt er manchmal etwas, was in seiner Welt als Witz durchgeht, und das wäre sogar noch halbwegs erträglich, wenn er es nicht auch noch abschlösse mit dem dröhnendsten Lachen weltweit. Es ist sogar noch dröhnender als das von … mir fällt echt niemand ein.

Auf diese miesen Witze mit ihrem dröhnenden Abschluss kann man keineswegs anders reagieren als mit vollverquälter Säuerlichkeit, die man an einem guten Tag in ein außerordentlich mühsam inszeniertes Höflichkeitsgrinsen zu pressen vermag. Diese mimische Kraftanstrengung soll ausschließlich und bedingungslos dazu führen, dass der Franke augenblicks das Thema wechselt und nicht länger auf der soeben produzierten Hochnotpeinlichkeit herumreitet.

Doch genug ist nie genug, das gilt dem Franken beim Essen genauso wie beim Witzereißen. Regelmäßig nämlich thematisiert er mein heroisch hervorgewürgtes Qualgrinsen – keineswegs aber in der Form, dass er mir auf Knien dankt für diesen Freundschaftsbeweis; nein, er missdeutet meine Reaktion in grotesker Wirklichkeitsverzerrung als „Humorlosigkeit“. Eine Interpretation, die er mit dröhnenden Hohnlachen abzurunden weiß.

Kurz: Es gibt keinen Ausweg. Man muss seine Witze einfach mit jener Duldungsstarre überstehen, die sonst nur noch bei einer Wurzelbehandlung erforderlich ist. Warum ich trotzdem heute einen ganzen Tag mit dem Franken am Strand von Travemünde verbrachte, frage ich mich schon.

Wahrscheinlich lag es an der mildernden Gesellschaft von JV, die das Frisbeespielen weitaus besser beherrscht als das Trinken. Was aber nichts heißen will.

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29 Juni 2007

Polnischer Nachtrag: Der nasse Slip

Wir hatten uns ein paar Fahrkarten gekauft und in die Tram gesetzt, wie wir es oft tun in unbekannten Städten.

Einfach losfahren und irgendwann, irgendwo aussteigen, wo es hübsch ist. Später wieder ein- und umsteigen, ins Blaue hinein die Fremde erkunden, und alles für ein paar Zloty (die „Swoti“ ausgesprochen werden, aber das nur nebenbei).

So waren wir kreuz und quer durchs öffentliche Verkehrsnetz von Danzig mäandert und irgendwie in Brzezno gelandet, einem kleinen Vorort direkt am Meer, dessen Seebrücke auf dem Foto zu sehen ist.

Brösen, wie das Städtchen früher auf deutsch hieß, ist nicht so überdeutlich auf Touristen abgestimmt wie Zoppot. Nein, hier gehen traditionell die Arbeiterfamilien baden, hier verleiht niemand Strandkörbe.

Der Sand ist feinkörnig und weißgelb, man sinkt sanft ein beim Gehen, und an jenem Tag lag die Ostsee bereitwillig flach da und glitzerte in der Sonne wie eine einzige Verlockung. Unwiderstehlich.

Einziges Problem: Badesachen hatten wir keine dabei, und von FKK halten die Polen ungefähr so viel wie von Schwulen und Lesben, nämlich wenig. „Dann gehe ich eben in Unterhosen rein“, informierte ich Ms. Columbo und schritt sofort zur Tat.

Eine halbe Stunde lang erfreute ich mich meines aquatischen Daseins. Allmählich aber schob sich mir das Problem des Landgangs ins Bewusstsein.

Mein Slip nämlich flatterte mir schon im trockenen Zustand nicht gerade um den Hintern (und um alles andere, was so ein Slip zu umhüllen hat). Die Aussicht, damit aus dem Wasser zu steigen und einen Strand voller polnischer Familien mit sehr vielen Kindern zu betreten, bereitete mir zunehmend Unbehagen.

Und das war berechtigt. Denn der wassersatte Slip tat an der Luft genau das, was man von ihm erwarten durfte: Er schmiegte sich mir derart eng an die Haut, als wäre er aufgesprüht. Dabei arbeitete er sämtliche drunter liegenden Körpermerkmale aufs Deutlichste heraus.

Mich beschlich sogar das Gefühl, seine einst weiße Farbe habe sich völlig verflüchtigt und einer weitgehenden Transparenz Platz gemacht, der polnische Familien mit sehr vielen Kindern nicht gerade mit uferloser Toleranz zu begegnen bereit wären.

Manchmal träumt man ja davon, aus heiterem Himmel öffentlich untenrum nackt dazustehen, und das sind keine schönen Träume, wirklich nicht. Doch das hier war kein Traum.

Ich zuppelte ein wenig am Slip herum in der Hoffnung, die dadurch einströmende Luft möge eine Art Blase unterm Stoff bilden, so dass darunter
alles einigermaßen im Vagen verschwände. Doch mit einem kurzen präzisen Schmatzen sog sich die Unterhose wieder fest – wie die Abgussform einer hyperrealistischen Skulptur, die in Polen nur ohne Jugendfreigabe ausgestellt werden dürfte, wenn überhaupt.

Mir fiel meine Mütze ein, mit der ich aus Sonnenschutzgründen schwimmen gegangen war. Ich nahm sie ab und hielt sie wie zufällig vor die problematische Region. Und so stapfte ich verkrampft durch den weißgelben Sand hoch zu Ms. Columbo, die mich mit spöttischem Grinsen empfing.

Die Situation war damit allerdings noch nicht überwunden. Ohne Handtuch war ich dazu verdammt, mich vom Brösener Wind trocknen zu lassen, ehe ich dazu übergehen konnte, mich wieder polengemäß korrekt zu kleiden. Und das zog sich hin.

Der Slip selbst hingegen, dessen besonders problematische Vorderseite ich noch immer mühsam mit der Mütze verdeckte, schien sich jeder Verdunstungsaktivität hämisch zu verweigern. Das würde Stunden dauern.

Eine schnellere Lösung musste her. Unterwegs hatten wir an einem Kiosk die einzige deutsche Tageszeitung gekauft, und sie erwies sich nun als Rettung. Ms. Columbo versuchte meine Körpermitte mithilfe der ausgebreiteten Blätter (ich glaube, es war der Sportteil) möglichst umfänglich zu verdecken, ich zog mir dahinter fahrig den verzweifelt klammernden textilen Wasserspeicher runter und die richtige Hose an.

Und so war doch wahrhaftig die Hamburger Tageszeitung Die Welt mal zu irgendetwas nütze.

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