Der Verdächtige
Soll ich? Quatsch! Oder doch?
Wir haben eine neue Kanzlerin, die noch einen braunen Hals hat von ihrem damaligen Besuch bei Irak-Krieger Bush, mit dem sie der deutschen Regierung in den Rücken fiel. Und im Irak wurde gestern eine deutsche Staatsbürgerin entführt. Kann es nicht sein, dass wir jetzt ebenso auf der Liste stehen wie England und Spanien?
Der Mann an der Tür schaut umher. Warum setzt er sich nicht? Sein Parka beult sich, der Rucksack ist prall. Ich bin wie versteinert. Die Türen flappen zu mit einem dumpfen Zischen, und der Bus fährt los. Die wahrscheinlich lächerliche Entscheidung, auszusteigen und auf den nächsten zu warten, ist mir abgenommen worden.
Der Spiegel liegt auf meinem Schoß. Ich beobachte den Mann, der sich jetzt umdreht und durch die Türscheiben in die Dunkelheit starrt. Sein Rucksack wölbt sich mir schwarz entgegen. Der Mann hält sich mit einer Hand an der Stange fest. Sein Körper schwankt im Zusammenspiel von Gravitation und Fliehkraft.
Wann würde es passieren? An einer Ampel? Wenn der Bus die Reeperbahn hochfährt? Vielleicht an der Haltestelle Davidstraße, wo die Sünde und Verderbtheit der westlichen Welt sich verdichtet zur grandiosen Verhöhnung seines Glaubens? Oder will er zur U-Bahn, in einen Tunnel, zum Hauptbahnhof?
Die nächste Haltestelle, Altonaer Poststraße. Der Bus stoppt, die Türen zischen auf. Der Mann steigt aus. Ich sehe, dass er ein steifes Bein hat. Er hätte sich gar nicht hinsetzen können, so eng, wie die Sitzreihen aneinander gebaut sind.
Ich bin beschämt und erleichtert. Abends im bretonischen Restaurant Ti Breizh in der historischen Deichstraße esse ich einen Schoko-Marzipan-Crêpe, für den Adam jederzeit den Garten Eden verlassen hätte. Über die Ost-West-Straße huschen die Lichter der Autos; und das würden sie auch, wenn abends irgendwo in der Stadt ein Bus explodiert wäre.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Two wrongs won't make things right“ von Tarnation, „Summer dress“ von Red House Painters und „Sight of you“ von Pale Saints.
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