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Die Rückseite der Reeperbahn

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Mein Foto
Name: Matthias Wagner
Standort: Hamburg, Germany

Schreiberling




12 März 2008

Die Ungeduldige

Gespannte Ruhe an der Fußgängerampel vorm Bahnhof Altona. Alles steht, die Autos, die Fußgänger, alle sehen rot, nur die Rechtsabbieger nicht. Jede Sekunde jedenfalls muss es für uns designierte Straßenüberquerer grün werden.

Eine junge Frau gegenüber erscheint mir besonders ungeduldig. Sie ist hibbelig, setzt den Fuß auf die Straße, zuckt zurück. Komm endlich, mach schon!, schreit sie innerlich, ich höre es ganz genau.

Doch die Fußgängerampel bleibt auf rot. Jetzt zuckt die Frau zum zweiten Mal, doch erneut übermannt sie die Unsicherheit; die Autos stehen da wie eine leise murmelnde Meute, wachsam und bereit zum Sprung, die Frau traut sich wieder nicht.

Dann schaut sie kurz unter sich, zwei Sekunden nur, doch es sind die Sekunden, in denen die Ampel endlich grün wird. Sie, die es am eiligsten von uns allen hat, verpasst den entscheidenden Moment.

Alle sind schon zwei, drei Meter weit, als sie es merkt. Sie betritt die Straße als letzte, sie hat entscheidende Sekunden verloren. Als wir uns begegnen, flucht sie innerlich, ich höre es ganz genau. Und muss grinsen, weshalb auch immer.

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28 Februar 2008

Wie ich mal ein Rollstuhlpaar am Leben ließ



„Am Film stören mich nur die Bilder“, hat Adorno mal gesagt. Diesen Aphorismus möchte ich gerne aufgreifen, um hier erneut zu bekennen: Mich stören an der Stadt nur die Menschen.

Deshalb war auch „I am Legend“ so erholsam. Ein menschenleeres New York, wie wunderbar. Für Hamburg wünscht sich mein Radler-Ich so was täglich. Vor allem, wenn ich auf dem Radweg unterwegs bin und vor mir einen Rollstuhlschieber mit immobiler Frau sehe, der unversehens einen Schlenker nach links auf meine Fahrbahn macht und in jener Sekunde, da ich ihn ausweichend rechts umkurven will, wieder ebendorthin zurückschwenkt.

Es kam mir in einem Anflug ernster Paranoia so vor, als habe der Mann einen Rückspiegel installiert, mit dessen Hilfe er seine Fahrbewegungen derart auf mein Herannahen abstimmen konnte, dass ein Kollisionskurs unter allen Umständen garantiert war – und zwar auf Kosten der hilflosen Rollstuhlinsassin, die seine Manöver nur als merkwürdigen, doch keineswegs hämischen Schlingerkurs analysiert haben muss.

Ich freilich wusste es besser. Trotz alledem schaffte ich es übrigens, beide am Leben zu lassen und nebenbei auch mich. Was mir aber unterm Eindruck dieses Vorfalls mehrere Stunden lang nicht gelang: mich in die euphorisierende Vorstellung einer menschenlosen Stadt hineinzusteigern.

Vielleicht sollte ich mal wieder einen entstressenden Kurs besuchen – oder am Samstag die Lesung betrunkener Autoren im Indra, wo die Beatles ihr erstes Konzert in Hamburg spielten.

Denn wenn schon Menschen, ob Rollstuhlschieber oder Verseschmiede, dann wenigstens rechtschaffen besoffene.

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20 Februar 2008

Weiblich, jung sucht … Schwarzfahrer

Seit mehr als zwei Jahren muss man im Schnellbus vorne einsteigen, wie mir damals auf recht rüde Art von einem Busfahrerflegel beigebogen wurde.

Und zwar muss man deshalb vorne einsteigen, weil damals eine allgemeine Fahrscheinvorzeigepflicht eingeführt wurde. Seither gewährt jeder Schnellbusfahrer erst dann Einlass in sein rollendes Reich, wenn die ihm hingehaltene Karte sein Wohlgefallen fand. Eigentlich kein schlechtes Prinzip, denn es erspart der Stadt Kosten für zusätzliche Kontrolleure.

Umso baffer war ich heute früh, als ich im 37er über die Reeperbahn rollte und plötzlich von einer jungen attraktiven Blondine angesprochen wurde. „Guten Tag, Kontrolle“, lächelte sie hinreißend, während ihre gelockten Strähnen im Sonnenlicht funkelten wie Goldfäden, sofern die Sonne geschienen hätte. „Zeigen Sie mir bitte Ihren Fahrschein.“

Wenn ich mit zwei Seltsamkeiten auf einmal konfrontiert werde, legt mich das lahm. Das wusste ich vorher gar nicht, jetzt schon. Denn die ganze Situation schien mir schlicht surreal. Während ich wie ferngesteuert nach meiner Brieftasche kramte, fasste ich die zwei Seltsamkeiten innerlich in Form einer Zwillingsfrage zusammen.

Warum, fragte ich mich statt sie, kontrollieren die Verkehrsbetriebe mit Extrapersonal die Fahrscheine von Passagieren, deren Fahrscheine soeben bereits vom Schnellbusfahrer kontrolliert wurden?

Und wo sie das schon mal tun: Warum sind die Kontrolleure plötzlich jung, hübsch, weiblich und lassen güldne Locken im imaginären Sonnenlicht schimmern, statt wie bisher strähnhaarig, ächzend und missgelaunt 60-jährige Prekariatsbäuche durch den viel zu schmalen Gang zu wuchten?

Natürlich erwischten die beiden Grazien keinen einzigen Schwarzfahrer. Wie auch? Und natürlich fing ich mich in meiner Verwirrung nicht früh genug, um die Damen auf die Absurdität ihres Tuns hinzuweisen.

Vielleicht machen die Verkehrsbetriebe das ja auch extra und setzen weibliche Kontrolleure nur in Linien ein, wo sie garantiert keine von uneinsichtigen Schwarzfahrern gelangt bekommen können. Eigentlich sehr fürsorglich.

Und ein sehr starkes Indiz für volle städtische Kassen, allem Gejammer des Senats zum Trotz.


(Das Foto entstand zwar an einer Haltestelle der Linie 36 an der Elbchaussee, doch es passt erstaunlich gut.)

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30 Januar 2008

Kampf der Systeme

Heute erprobte sich in Altona ein Lieferwagen der Paketpost erfolgreich als Bahnschranke, und das sehr effektiv.

Warnblinkend parkte er die Straße Am Sood zu, es gab kein Durchkommen. Er versperrte so ausgerechnet einem ebenfalls wild blinkenden DPD-Konkurrenten die Durchfahrt.

Beide Wagen waren verwaist, doch uns war sofort klar: Das hier war der Kampf der Systeme, hier focht Godzilla gegen Frankensteins Monster, und das mitten in Altona, vor unseren Augen.

Allerdings schien dieser Kampf gerade unentschieden zum Stillstand gekommen zu sein. Die eingedellte Stelle überm rechten Vorderrad des gelben Wagens verwies jedoch auf vorausgegangene Action.

„Ein Unfall!“, frohlockte ich gegenüber dem Franken, mit dem ich auf dem Weg zum Lunch war. DPD vs. DHL: Symbolträchtiger hätte das kaum sein können. Höchstens wenn auch noch ein grünes PIN-Auto in all das verwickelt gewesen wäre. Aber man kann nicht alles haben.

Als ich die Szenerie fotografierte, kam plötzlich der DHL-Mann zurück. „Wir hatten keinen Unfall!“, wedelte er abwiegelnd mit den Armen. Er wäre uns natürlich keinerlei Rechenschaft schuldig, doch er begann zu erklären.

Er habe den Wagen zwecks ortsnaher Auslieferung einfach mal dort abgestellt, weil Am Sood eh selten frequentiert sei. Und der zufällig dann doch ebenda langkommende DPD-Wagen habe die willkommene Gelegenheit einer unüberwindlichen DHL-Sperre einfach nur gewitzt genutzt, um sein Gefährt ebenfalls illegal abzustellen und rasch auszuliefern. Natürlich glaubten wir ihm kein Wort, zumal der DPD-Mann nun ebenfalls angelaufen kam und blaffte: „He, wie parkst du denn?“


„Wir hatten keinen Unfall“, flüstere der Gelbe uns noch einmal schnell zu, ehe er sich seinem Pendant zuwandte und die explosive Situation alsbald beendete, indem er seine Tour fortsetzte.

Tja, und so hatte auch dieser Tag wieder seine kleine banale, verblogbare Attraktion.

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10 Januar 2008

Das Ergebnis ist immer das gleiche

Die Kreuzung Barner Straße und Friedensallee ist verkehrstechnisch von großer Tücke, obgleich ihre HVV-Anbindung geradezu obszön grandios ist.

Diverse Buslinien durchkreuzen die Gegend, doch sind die Haltestellen etwas verstreut gelegen. An der Barner Straße kommt die 37 vorbei, hundert Meter weiter in der Friedensallee öffnet die 150 dir gern die Tür, und auf der anderen Seite des Häuserblocks in der Bahrenfelder Straße lockt die Linie 2.

Alle fahren in die richtige Richtung, nämlich zum Bahnhof Altona. Mein Ehrgeiz besteht nun in der Regel darin, den nächsten eintreffenden Bus zu erwischen, unabhängig von der Haltestelle. Dadurch erhoffe ich mir ein frühestmögliches Eintreffen zu Hause.

Dazu muss ich anmerken: Ich kann mir keine Abfahrtzeiten merken, aber das nur nebenbei. Zuerst probiere ich es stets mit dem 37er, der mich aber regelmäßig in den Wahnsinn treibt, weil er einfach nicht kommt.

Natürlich warte ich ein paar Minuten über die turnusmäßige Abfahrtzeit hinaus, bin ja kein Anfänger, doch dann keimt auch schon der erste dämonische Gedanke, der sich alsbald zur Zwangshandlung auswächst: Los, lauf rüber zur 150, flüstert der Dämon, die kommt bestimmt gleich!

Das tat ich auch schon mehrfach, nur um in der Ferne sogleich den 37er an meiner alten Haltestelle vorfahren zu sehen, während nunmehr der 150er geruhte, eine kleine Auszeit vom harten Tagwerk zu nehmen.

Einmal ging ich am Ende auch noch rüber zur Haltestelle der 2 und durfte frustriert der 150 hinterherwinken, die nur eine Minute nach meinem Verlassen der Station frohgemut eingetroffen war. Die 2 hingegen kam laut Fahrplan erst in zehn Minuten. Also lief ich gesenkten Kopfs zum Bahnhof (sieben Minuten) und traf spätestmöglich zu Hause ein.


Inzwischen bin ich aber auf buddhaeske Weise gleichmütiger geworden. Ich warte einfach auf die 37, wann immer sie kommt. Wozu habe ich 8133 Songs auf dem iPod?

Heute stehe ich dergestalt in mir ruhend an der Haltestelle, als eine leicht atemlose Mittfünfzigerin angerauscht kommt und mich fragt, ob der 37 schon durch sei. Ich verneine das, und die Dame stellt sich erleichtert zu mir.

Doch nur fünf Minuten später verliert sie schnaufend die Geduld und dampft ab zur 150. Jetzt, vorfreue ich mich diebisch, werde ich die ganze trickreich inszenierte Aufführung der hiesigen Verkehrsbetriebe also mal live an der richtigen Bushaltestelle erleben.

Denn das Abdampfen der Frau muss nach meiner Erfahrung und kosmischer Logik das sofortige Eintreffen der 37 bedingen. Sie hingegen darf das ganze Elend aus hundert Meter Entfernung hilflos fluchend mitansehen, während ich fröhlich pfeifend in den Bus steige und mir stumm gratuliere zu einer taktischen Meisterleistung.

Klasse Plan. Doch der Bus kommt nicht. Nicht nach fünf und nicht nach acht Minuten, sondern erst nach zwölf. Trotz der geflohenen Frau.

Man kann sich einfach auf nichts mehr verlassen. Nur auf den dauermelancholischen Blick der abgebildeten Statue. Ich kenne sie nur zu gut: Sie steht auf halbem Weg zwischen der 37er-Haltestelle und dem Bahnhof Altona.

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26 August 2007

Keine Moralapostel, o nein

Wie die Landeier stehen wir kurz vor Abfahrt des Zuges nach Lüneburg vorm Fahrkartenautomaten – und geben schließlich aus Verzweiflung und Zeitnot entnervt auf.

Wir verstehen einfach nicht, was genau das Gerät von uns will. Und immer, wenn wir es zu wissen glauben, will es doch etwas anderes, was wir allerdings nicht dechiffrieren können. Dabei haben wir beide studiert!

Na gut, dann lösen wir die Fahrkarten eben im Zug beim Schaffner, ist doch egal. Doch während der halbstündigen Fahrt kontrolliert uns kein Mensch, wir steigen unbehelligt in Lüneburg aus nach kostenloser Fahrt.

Und nun die Frage an alle Mahatma Gandhis, Martin Luther Kings und Dietrich Bonhoeffers unter uns: Hätten wir fairerweise in Lüneburg doch noch Hin- und Rückfahrt lösen sollen?

Immerhin haben wir ja eine kostenpflichtige Dienstleistung in Anspruch genommen, und die sollte ordnungsgemäß entlohnt werden; das Sklavenhalterzeitalter ist schließlich längst überwunden. Wenn ich einen Flohmarktstand betreibe, erwarte ich ja auch, dass niemand ihn plündert, nur weil ich mal kurz auf Toilette muss.


Trotz alledem erwiesen wir uns als moralisch verwahrlost und buchten nur Rückfahrttickets.

Später auf der Geburtstagsparty erzählte uns ein Freund, es wäre unmöglich gewesen, im besagten Zug nachzulösen. Man hätte uns mit je 40 Euro zur Kasse gebeten, wegen Schwarzfahrens.

Ms. Columbo feixt noch breiter als vorher. Ich auch. Aber ich habe das Gefühl, Mahatma Gandhi hätte uns nicht adoptiert.

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19 August 2007

Meditieren auf der Reeperbahn

Mehrfach jährlich herrscht hier auf dem Kiez die sonische Hölle. Zum Beispiel beim Schlagermove („Fiesta Mexicana“-grölende Kampftrinker in Schlaghosen), dem Christopher-Street-Day (Tunten in Tüll und Karnevalsklamotten) oder den Harley Days (rollende Bierbäuche mit applizierten Graubärten).

Müsste ich mich entscheiden, welchen dieser empörenderweise sogar polizeiunterstützten Terrorakte ich zum Teufel wünschen sollte, so fiele mir das leicht: alle drei.

Außerdem gibt es hier noch ein Radrennen, die CyClassics. Auch das führt zu Lärmentwicklung. Denn tausende von Menschen stehen gewöhnlich an der Strecke und nerven akustisch die schutzlosen Fahrer.

Doch dank der Tour de France war heute alles anders. Zwar rauschte das Fahrerfeld zig-mal über die Reeperbahn, nur stand da kaum jemand rum. Radelnde Chemiedepots? Braucht wohl keiner mehr.

Weil aber natürlich trotzdem alles für den Autoverkehr gesperrt war, herrschte heute auf dem Kiez plötzlich eine himmlische Ruhe. Dafür danke ich Leuten wie Ullrich, Fuentes und Sinkewitz von Herzen. Bitte immer weiterspritzen, ja?

Natürlich nutzte ich auch die unverhoffte Chance, mich mal mitten auf die verwaiste Reeperbahn zu stellen und diese sonst tagtäglich so gequälte Straße einmal im verträumten Dämmerzustand zu fotografieren.

Ein bisschen war’s wie meditieren. Ommm.

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02 Juni 2007

Versuch einer Busfahrt

Seit 15 Jahren schon hat der notorische CO2-Privatproduzent und Klimawandelbeschleuniger GP keinen Bus mehr bestiegen, aus diversen Gründen: weil sie ihm immer zu voll waren und zu prollig, weil die Mitfahrer stanken und ein bestürzender Mangel an rahmengenähten Schuhen ihm jede Fahrt vergällte.

Das ist im 21. Jahrhundert alles nicht mehr so, hatte ich ihn immer mal wieder zu beruhigen versucht. Gerade im Schnellbus, trumpfte ich gelegentlich auf, seien freie Platzwahl und dezente Passagiere schier an der Tagesordnung. Es handle sich bei einer solchen Unternehmung quasi um eine Stadtrundfahrt, nur viel billiger.

Als wir nun gestern Abend eine gemeinsame Party im nicht gerade fußnahen Uhlenhorst aufsuchen wollten, ließ er sich endlich einmal breitschlagen zum Busfahren, nach 15 abstinenten Jahren. Ich stieg an der Davidstraße zu, GP saß schon drin. Mir schwante sofort Übles.

Der Bus nämlich war voll wie die Reeperbahn nachts um halb eins. GP hatte zwar noch einen Platz ergattert, fuhr allerdings rückwärts und wurde von benachbarten Passagieren räumlich eingeengt. Gleichwohl versuchte der Gentleman in ihm, den ausgestrahlten Missmut nicht als Vorwurf an mich rüberkommen zu lassen.

„Was ist denn los?“, fragte ich und versuchte meinerseits, die Bestürzung, die mich sowieso bereits ergriffen hatte, mimisch als Erlebnis einer absoluten Ausnahmesituation zu codieren, so dass GP keinesfalls dem Glauben verfallen könnte, im Bus sei es immer so, wie sich die momentane Lage darstellte (was er ja sowieso 15 Jahre lang angenommen hatte).

Eine erfahrene Hanseatin im eleganten Kostüm klärte mich auf: „Die S-Bahn fährt nicht – Personenschaden. Da weiß man ja schon, was los ist.“ Sie lächelte so schmerzlich wie verschwörerisch. Ja, das weiß man in der Tat.

Ich stellte mich in den Gang und versuchte mimische Entschuldigungssignale Richtung GP auszusenden. Er sah aus dem Fenster. Zeitgleich wurde ich abgelenkt, und zwar olfaktorisch.

Neben mir nämlich stand ein grauer älterer Herr mit Pennytüte, dessen Haare seinem hellgrauem Jacketkragen einen feinen Fettschmier aufpinselten; und von ihm ging eine warme Dunstwolke aus, die mich inzwischen schmeichelnd umschloss und ihr Volumen stetig vergrößerte, und zwar in Richtung GP.

Die Dunstwolke roch nach Urin.

In diesem Augenblick zerbrach etwas in mir, vor allem meine bereits hektisch imaginierte Argumentationskette, mit der ich GP nach dem Aussteigen einen weiteren Busfahrversuch in näherer Zukunft hatte abringen wollen.

Nein, das war’s. Die Quote rahmengenähter Schuhe brauchte ich nicht mal mehr zu ermitteln. Zumal ich auch selbst keine trug.

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23 April 2007

Macken (1): Worte entbeinen

Die charmanteste von Ms. Columbos Macken ist die: Zu glauben, sie hätte keine. Aber sooo viel sind es ja auch wirklich nicht. Zumindest im Vergleich zu mir.

Wenn in diesem Blog erst jetzt, nach mehr als anderthalb Jahren, eine Rubrik namens „Macken“ startet, so liegt es nämlich keineswegs an der völligen Abwesenheit derselben – im Gegenteil: Es versteckten sich derart zahlreiche in den bisherigen Blogeinträgen, dass ich zu dem Schluss kam, sie verdienten eine eigene Rubrik.

Beginnen wir also diesen hoffentlich langen und fruchtbaren Strang, und zwar mit einer relativ harmlosen: Wenn ich S- oder U-Bahn fahre und nichts zu lesen dabei habe, beginne ich mich nach einer gefühlten Nanosekunde entsetzlich zu langweilen – was ich sofort gierig damit überbrücke, Wörter von den Werbeschildern im Wagon in alle nur denkbaren deutschen Teilwörter zu zerlegen. Innerlich natürlich, nicht öffentlich.

Nehmen wir als Beispiel das nur scheinbar spröde, unergiebige Wort „Postbank“. Zurzeit deliriert es noch unschuldig auf einem dieser Schilder vor sich hin, doch schon in wenigen Sekunden wird es sachgerecht entbeint. Postbank, da stecken drin: natürlich „Post“ und „Bank“ (letztere gleich zweimal, einmal zum Sitzen, einmal zum Überfallen), „an“, „ost“, „Po“ und „post!“ (als – ähem – Befehlsform an Poser); auch die „Ostbank“ lässt sich bilden, und zusammen mit dem Ausgangswort, was natürlich mitgezählt wird (ich spiele nach meinen Regeln!), kommen wir auf recht formidable neun Wörter.

Nicht schlecht für einen Begriff, der aus lediglich acht Buchstaben besteht, wovon nur zwei sich des Vorzugs erfreuen dürfen, ein klangvolles Leben als Vokale führen zu dürfen.

Ja, und schon fahre ich in St. Pauli ein und habe mich nur mäßig gelangweilt. Dafür nehme ich es auch gern in Kauf, als Beherberger von Macken zu gelten. Im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten, deren charmanteste es ist zu glauben, sie hätten keine. Pah.

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10 April 2007

Ein Stofftier, aber nicht Knut

Ja, irgendein Wahnsinniger ist hinabgestiegen ins Gleisbett am S-Bahnhof Reeperbahn. Er hat die Gleise überquert, den Hammer ausgepackt und einen Nagel in die Fahrplanwand geschlagen. Um ein kleines schwarzes Stofftier mit gelben Füßchen daran aufzuhängen.

Dann ist er wieder über die Gleise zurückgestiegen. Er ist hochgeklettert auf den Bahnsteig, hat auf den nächsten Zug gewartet und ist davongefahren.

Wer immer das war, er muss die ganze Aktion lebend überstanden haben. Auf dem Hinweg hatte er die Starkstromleitung ja evidenterweise nicht berührt, sonst hinge jetzt kein Stofftier da. Und wäre ihm der Rückweg letal misslungen und hätte die Polizei seine verkohlten Überreste von den Gleisen schaben müssen, dann wäre einem der Beamten sicher das kleine schwarze Stofftier mit den gelben Füßchen am Fahrplanplakat aufgefallen, und er hätte es abgenommen.

Nein, der Wahnsinnige muss das alles wirklich lebend überstanden haben. Um welches Stofftier es sich handelt, konnte ich nicht genau erkennen, und zur Beweissicherung hinabsteigen wollte ich nicht.

Eins jedenfalls ist sicher: Es ist nicht Knut.

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09 April 2007

Im Totenpark

„Komm, wir probieren’s einfach!“, schlägt Ms. Columbo fröhlich Schwarzfahren vor, nachdem wir planen, den größten Parkfriedhof der Welt in Ohlsdorf zu besuchen und ich auf die mangelnde Reichweite unserer Monatskarte verwiesen habe.

„Früher“, tadle ich sie streng, „warst du eine anständige junge Frau, und jetzt planst du Gesetzesbrüche! Was ist bloß aus dir geworden?“ Sie bestreitet meine Analyse keineswegs, führt aber vor allem meinen schlechten Einfluss ins Feld. Mist, sie hat Recht.

Daher schlage ich verschärfend vor, wir könnten heute nachmittag ja Blumen von den Ohlsdorfer Gräbern klauen, das sei bestimmt noch verwegener als schwarzfahren. „Nein“, erwidert Ms. Columbo entschieden, „meine Gegner müssen sich wehren können.“

Also bleibt es beim abschnittsweisen Schwarzfahren, was durchaus zur aufregenden Episode gerät, denn am Jungfernstieg steigt ein Uniformierter der Hochbahn zu, platziert sich nur wenige Sitze entfernt gegenüber und bleibt bis Ohlsdorf (zum Glück tatenlos) sitzen, das sind gefühlte 34 Stationen.

Vorm Haupteingang des Friedhofs stoßen wir auf ein Bestattungsinstitut, welches die populäre Philosophie des „Geiz ist geil“ behutsam in seinen Tätigkeitsbereich überführt hat. Dennoch scheinen mir die beiden Wörter „Sarg“ und „Discount“ noch ein wenig zu fremdeln, aber das war ja bis vor kurzem auch noch mit „Billig“ und „Flug“ so.

Man sollte niemals Avantgardisten in ihrem Tun behindern.

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31 März 2007

Ziviler Ungehorsam 2007 …

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28 März 2007

Beunruhigende Zeichen

In Peter Weirs 30 Jahre altem Filmklassiker „Die letzte Flut“ häufen sich mitten in einer australischen Großstadt seltsame Vorzeichen einer großen Katastrophe, von der die düster schweigenden Aboriginies längst wissen.

Dieser Film fiel mir heute ein, als ich abends vorm Dorinthotel auf den Bus wartete und neben dem Gehweg den abgebildeten Steinhaufen auf blauer Plastikscheibe entdeckte.

Ein beunruhigendes Ritual scheint ihm zugrunde zu liegen. Mir kommt er vor wie eine Art Schrein, der sich hermetisch abkapselt; mit ihm scheint etwas Archaisches einzubrechen in die ganz normale Hamburger Welt der Ampelphasen und Abfahrtzeiten.

Wahrscheinlich war es aber nur ein Kind, das, als der Bus kam, von seiner Mutter unwirsch aus der Botanik gezerrt wurde, sich plärrend hinwarf auf den nächstbesten Sitz hinterm Fahrer und mitansehen musste, wie sein kleines Kunstwerk aus Plastik und Kieseln zurückblieb, um bald darauf einen vergrübelten Blogger an eine Filmapokalypse aus ferner Zeit zu erinnern.

Ähnlich verwirrt war ich im vergangenen Mai, als ich in St. Pauli ein sorgsam geometrisch auf einem Randsteineck drapiertes Baguette entdeckte. Es liegt nahe, mir außer „Die letzte Flut“ auch „23 – Nichts ist so, wie es scheint“ noch mal anzuschauen.

Oder vielleicht lieber doch nicht.

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19 Februar 2007

Die sixtinische Hölle

Tagein, tagaus steht eine Frau am Tresen der Sixt-Filiale an der Reeperbahn. Ganz links, halb hinter dem Palmwedel: Dort ist sie zu sehen.

Unablässig getunkt und getaucht in orangerotes Kunstlicht fristet sie dort ein tristes Dasein, welches die wärmende Farbe kaum lindern dürfte. Sie sieht nie die Sonne und ich nie einen Kunden am Tresen.

Die eingefärbte Einsamkeit der Frau in ihrer sixtinischen Hölle scheint umfassend, ihre Isolation komplett – eine Art Guantanamo Bay mitten auf dem Kiez, nur ohne Verhöre. (Aber nicht ohne Folter.)

Und während sie gefesselt ist an den verfluchten Tresen und sich nicht bewegen darf, weil doch mal ein Kunde kommen könnte oder wenigstens eine versprengte Saufnase, steht hinten rechts der Slogan: „the spirit of mobility“.

Wer immer sich diese Kombination aus Internierung einer Frau und einem die Bewegungsfreiheit preisenden Spruch ausgedacht hat: Sein zweiter Vorname ist Hohn und sein dritter Spott.


Der Kurs der Sixt-Aktie ist übrigens auf dem höchsten Stand seit siebeneinhalb Jahren.

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13 Februar 2007

Das Rolltreppentabu

Als ich in St. Pauli aus der U-Bahn steige und gen Ausgang strebe, bietet sich mir ein seltsam asymmetrisches Bild: Auf der fünf Meter breiten festen Treppe zähfließender Verkehr kurz vorm Vollstau, dagegen null Menschen rechts auf der defekten Rolltreppe. Die ich verwundert natürlich benutze.

Und während ich fröhlich und unbehindert hochfedere wie eine verspielte Bergziege, huscht mein Blick links hinüber zur dichtgedrängten Phalanx verärgerter Treppenschnecken, die meine gänzlich freie Bahn wie auf ein Kommando rechts liegengelassen haben.

Warum bloß wirkt eine nicht mehr rollende Rolltreppe auf einen Schlag nur noch so anziehend wie eine doppelt brustamputierte Pamela Anderson?

Ich meine: Die Stufen sind doch weiterhin da, auch wenn sie sich nicht mehr bewegen. Man kann sie benutzen, eine nach der anderen, ich bin der lebende Beweis. Aber nein, die Masse meidet sie mit instinktiver Scheu.

Vielleicht – und das ist ein beunruhigender Gedanke – stimmt ja auch mit mir etwas nicht.

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19 Januar 2007

Total therminiert

Warum man sich nach knapp vier Stunden im hiesigen Thermalbad fühlt, als hätte man gerade den Ironman auf Hawaii absolviert, kann uns auch eine eigens befragte Einheimische nicht schlüssig beantworten, aber immerhin bestätigen.

Sie ergänzt die merkwürdige Zerschlagenheit, die uns postthermal befallen hat, allerdings noch um eine Beobachtung an sich selber. Nach dem Thermenbesuch, erzählt sie, ereile sie stets ein seltsamer Entspannungskopfschmerz – ein Wort, das ich sogleich begeistert zum Wort des Tages küre: Entspannungskopfschmerz!

Stets wandelnd auf dem schmalen Grat zwischen halbwach und wegdämmernd versuchen wir nachmittags telefonisch die Chance zu ermitteln, morgen fahrplangemäß von der Bahn nach Hamburg transportiert zu werden. Dafür wurde eigens eine Hotline eingerichtet. Doch wie immer in solchen Sonderfällen hätte man sich diese Mühe gleich sparen können.

Bei einer Katastrophenhotline durchzukommen ist nämlich etwa so wahrscheinlich, wie den Ironman auf Hawaii zu gewinnen oder nach einem Besuch des hiesigen Thermalbads nicht von bleierner Müdigkeit niedergestreckt zu werden.

Der abgebildete Kran unterm Baldachin der postkyrillischen Wolken steht übrigens direkt neben der Therme; auch er gab sich träumerisch bewegungslos. Mal hoffen, dass sich ihm die Bahn morgen nicht anschließt.

Denn in Baden-Baden festzuhängen wäre nur von sehr beschränktem Reiz, auch wenn man sich mithilfe diverser aquatischer Attraktionen nach Belieben sedieren könnte – und so das Hierhängengebliebensein eventuell wieder vergäße.

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04 Januar 2007

Zu spät im Büro

Immer, wenn die S- oder U-Bahn auf freier Strecke langsamer wird und schließlich stehenbleibt, weiß der geübte HVV-Benutzer Bescheid.

Erst einmal wird gar nichts passieren. Still und stumm sitzen wir herum und denken uns unseren Teil. Irgendwann knackt es im Lautsprecher, und eine sachliche Stimme erzählt etwas von einer „technischen Störung“.

Manchmal, wie heute morgen, sagt sie auch etwas, was der Wahrheit näher kommt. Wir stehen also hier auf freier Strecke zwischen Königstraße und Altona wegen eines „Rettungswageneinsatzes“.

Nach zehn Minuten ruckt die Bahn wieder an. Wir fahren im Bahnhof ein. Wir steigen aus, wir wuseln durcheinander. Auf der Rolltreppe – „Entschuldigung, darf ich mal durch?“ – drängeln wir uns aneinander vorbei, gehen zum Kiosk, durch die Halle.

Alles ist wie immer, die Wände, der Boden, die Luft. Der Crobag-Mann reicht seine Croissants über den Tresen, jemand holt sich eine Abokarte am Automaten, er flucht über die Münze, die ihm aus der Hand rutscht und hell keckernd über die Kacheln tanzt.

Wir gehen hoch ins Freie, träge treibt der Westwind atlantische Wolken über die Stadt – und nichts, überhaupt nichts erinnert mehr an diese sekundenlange Explosion der Verzweiflung, die vor wenigen Minuten einen Menschen dazu trieb, sich vor einen Zug zu werfen.


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29 November 2006

Nichts geht mehr

Beim abendlichen Heimradeln erweist sich der Verkehr als völlig lahmgelegt. Alles steht, Bus an Auto, Auto an Bus. Warnblinkanlagen flackern, ungeduldige Menschen stehen in der Bahrenfelder Straße zwischen Auspuffrohren und Kühlergrills herum. Alles sind ratlos. Klar ist: Nichts geht mehr. Stillstand. Eine Zivilisation am Rande der Hilflosigkeit.

Kurioserweise traut sich dennoch keiner weg von seinem Wagen, obwohl ja auch niemand damit durchbrennen könnte. Eine Krux. Als Fahrradfahrer aber grinst man der Malaise souverän ins Gesicht und schlängelt sich virtuos durch den autoimmobilen Parcours.

Und der zieht sich hin, alle Achtung. Auch in der Kleinen Rainstraße steht Wagen an Wagen. Nichts nervt den urbanen Menschen mehr, als zur Untätigkeit, zum Verharren an einem bezugslosen Ort verdammt zu sein – vor allem, wenn er nicht weiß, warum. Woher kommen wir, wohin gehen wir – und wann endlich, verdammt noch mal?

Nur der Radfahrer wird es bald erfahren, denn er zwängt sich durch kleine blechgesäumte Lücken, er nutzt kurz den Gehweg, hüpft fidel über den Bordstein zurück auf die zugestellte Straße, stützt sich an der Wand eines – haha – Schnellbusses ab und erreicht schließlich den Anfang des Staus, der gerade halb Altona lahmlegt.

Und hier haben wir den Übeltäter. Wo die Kleine in die Große Rainstraße übergeht, parkt ein roter Golf halb auf der Straße, und genau dort kommt nun ein Bus nicht mehr um die Kurve. Ein Umstand, der sich in Form zunächst stockenden, dann stehenden Verkehrs rückwärts fortgepflanzt hat und sich inzwischen wahrscheinlich der Stresemannstraße nähert oder sogar schon der Abfahrt Bahrenfeld, und vielleicht leckt der Stau auch bereits gierig hoch auf die Autobahn und führt zu zähem Fließen bis hinauf nach Schnelsen-Nord und irgendwann bis Flensburg.

Und alles wegen eines roten Mittelklassewagens. Hier an der Ecke, vorm Golfus delicti, ist Volksauflauf. Polizei sichert die Lage. Alles wartet auf den Abschleppwagen. Bis dahin ruht weiter still und starr, was doch zum Sichbewegen geschaffen ist. Schaulustige besprechen die Lage. Nicht bei den Buskunden, aber bei den Fuß- und Müßiggängern herrscht vorfreudige Erwartung. Beim Abschleppen zuzusehen, ist immer eine feine Sache.

Noch feiner wäre es allerdings, der Fahrer des roten Golfs kehrte jetzt zurück und müsste sich dem Volkszorn stellen. Ich habe eine solche Situation mal in der Friedensallee erlebt, wo ein unsensibler Automobilist ebenfalls einen Bus blockiert hatte. Bei seiner Rückkehr erkannte er gleich die Brisanz der Situation und versuchte sich gleichsam unsichtbar ins Auto zu flüchten. Die nahezu tollwütigen Busfahrgäste allerdings stellten ihn und schrien ihm Vorwürfe entgegen, von denen ein mit Schaum vor dem Mund vorgetragenes „Ich habe ein krankes Kind zu Hause! Was denkst du dir eigentlich, du!“ der niederschmetterndste war.

Noch nie habe ich eine Menschenmenge so nah an ihrer Verwandlung zum Lynchmob gesehen wie damals. Daran merkt man, welche Bedeutung die Bewegungsfreiheit hat. Kein Wunder, dass Gefängnisinsassen manchmal sogar Dächer entern, nur um sich mal ungestört die Füße vertreten zu können.

Heute jedenfalls droht dem Golffahrer ebenfalls großes Ungemach, träte er unbefangen an sein Gefährt heran. Doch wenn er schlau ist, gesellt er sich einfach unauffällig zum potenziellen Lynchmob und schaut mit innerem Bedauern zu, wie sein Wagen demnächst abgeschleppt wird. Im Endeffekt kommt ihn das billiger – und ist deutlich weniger riskant.

So lange kann ich aber nicht warten. Also radle ich weiter und erfreue mich einer gähnend leeren Reststrecke bis zum Bahnhof Altona. Unterwegs wiege ich mich in der süßen Gewissheit, wieder ein wenig Blogstoff aufgesammelt zu haben.

So hat selbst das Lahmliegen des Hamburger Individualverkehrs noch sein gerüttelt Maß Gutes.

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17 Oktober 2006

Alive and well in Rome

Kaum sind wir in Rom, krachen U-Bahnen ineinander. Uns geht es aber gut. Wir haben bisher nicht mal die Linie A benutzt, sondern nur die B.

Keine weiteren Witze an dieser Stelle, dazu ist die Sache zu ernst.

Aber mir ist es ein Raetsel, wie man ueberhaupt unbeschadet durch den roemischen Verkehr kommen kann, ob unter- oder ueberirdisch. Durch einfaches Hupen zum Beispiel kann man hier das Vorfahrtsrecht erwerben. Vor allem Vespafahrer machen davon haeufig Gebrauch.

Dass das nicht immer gutgehen kann, signalisieren die unablaessig durch die Stadt jaulenden Sirenen der Einsatzfahrzeuge. Sie brauchen dafuer nicht mal ein U-Bahn-Unglueck. Ihr Sirenenton ist uebrigens original bei Johnny Weissmueller abgekupfert, der in den 30er Jahren den ersten Tarzan der Filmgeschichte gab.

Der Podcastbeweis folgt nach unserer Rueckkehr.

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03 August 2006

Eeeeebola!

Die Hamburger Hochbahn ließ im Mai einen „Haar Styling Zug“ übers Schienennetz tuckern, original mit Deppenleerzeichen. Leider habe ich die nur viertägige Aktion verpasst, sonst hätte ich meine drei Haare mal dem sogenannten Szenefriseur und Modelabelchef Michael Jung und seinem hochmotivierten Team hingehalten. Ich bin nämlich schon lange unzufrieden sowohl mit der Üppigkeit meines Haupthaars als auch mit der zunehmend verblassenden Kolorierung des verbliebenen Restes.

Vor allem aber hätte mich interessiert, wie das Team Jung die üblichen Zottelbärte auf den hintersten U-Bahnsitzen angegangen wäre, bei denen milieubedingte Spezifika eine Stilberatung erschweren. Zum Beispiel bei jenen Gesellen, die dazu neigen, in ihrer eigenen Kotze einzuschlafen. Oder die, welche statt Haaren eine festgebackene Filzmasse hutartig herumtragen, der sich selbst die hartgesottenen Mikrobiologen vom Tropeninstitut wohl nur mit Handschuhen und Mundschutz zu nähern wagten.

Andererseits hätten ja gerade Herrschaften mit Naturfilzhut das segensreiche Wirken des Teams Jung und der kooperierenden Körperpflegemarke besonders nötig gehabt. Aber egal: Ich hab die sicher sehr unterhaltsame Aktion eh komplett verpasst.

Apropos Tropeninstitut: Es ist weltberühmt und befindet sich nur wenige Fußminuten von hier in der Bernhard-Nocht-Straße. Gar nicht so selten fällt mir schaudernd ein, welch possierliche Kleinstlebewesen dort liebevoll in Kost und Logis gehalten werden. Zum Beispiel das Ebolavirus: keine hundert Meter Luftlinie von hier. Marburgvirus, Gelbfieber, HIV – die Tropeninstitutler sagen allmorgendlich herzhaft hallo zu diesen Schlawinern, natürlich im Schutzanzug.

Ms. Columbo und ich haben uns übrigens mal eine Zeitlang mit dem kleinen makabren Scherz vergnügt, den Werbespot eines schweizer Hustenbonbonherstellers virologisch anzuverwandeln – und statt des typischen „Riiiiicola!“ ein genau ins Versmaß passendes „Eeeeebola!“ zu jubilieren. Inzwischen gucken wir aber keine Fernsehwerbung mehr.

Von hinten übrigens sieht der Gebäudekomplex, in dem sich auch das Tropeninstitut befindet, streckenweise so aus wie auf dem heutigen Foto. Da sollte unbedingt auch mal ein Hair Styling Team drübergehen.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Kleinstlebewesen
1. „Language is a virus" von Laurie Anderson
2. „Die Wahrheit ist ein Virus" von Rainer von Vielen
3. und alles von Biohazard

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28 Juli 2006

Mittendrauf, statt nur dabei

Spätabends erblickt die (zumindest mit technischen Hilfsmitteln) falkenäugige Ms. Columbo von unserem Balkon aus zwei Männer, die es sich mitten auf der Kreuzung vorm Tippel II muckelig machen. Aus Gründen der Bequemlichkeit haben sie zwei Stühle dabei, und darauf sitzen sie nun.

Ungerührt ignorieren sie den abendlichen Verkehr. Wer im Auto vorbeikommt, lässt sich zwar kurz irritieren, umkurvt dann aber doch mit dem typischen Fatalismus des Großstädters das Hindernis, um es sogleich wieder zu vergessen. Diese Typen muss ich mir anschauen, klar. Ich gehe runter.

„Was seid ihr denn für welche?“, schlage ich einen leutseligen Ton an, „habt ihr eine Wette verloren?“ (Das ist übrigens Ms. Columbos Theorie.) Die beiden, das sieht man gleich, sind St.-Pauli-Fans. Der eine, ein muskulöser Mensch mit Mütze, trägt als Gesinnungsnachweis ein T-Shirt mit Stadtteilschriftzug. Der andere, ein kleiner pummeliger Mittdreißiger von schon leicht angegrauter Provenienz (vor allem an den Schläfen), brabbelt etwas vor sich, ohne die von mir vorgebrachte Theorie von Ms. Columbo zu verifizieren.

„Bissu auch Paulifan?“, fragt er.
„Bin ich“, bestätige ich.
Inzwischen ist ein weiterer Passant hinzugetreten, ein arabisch und zugleich derangiert wirkender Bartträger mit zerrissenen einst weißen Hosen und Bierflasche in der Hand. Letzteres eint ihn übrigens mit den beiden Herren auf den Stühlen. Der Neuankömmling (auf dem Foto verdeckt) ist begeistert von der Situation. „Ihr seid so cool, ey, so cool!“, ruft er und offenbart dabei ein völlig entspanntes Verhältnis zu seinen zahlreichen prominent platzierten Zahnlücken.

Ungerührt, geradezu huldvoll nehmen die Kreuzungssitzer die Eloge entgegen. „Haste was zu kiffen?“, versucht der Mützenträger umstandslos die Diskussion in eine für ihn günstige Richtung zu lenken. Der Araber verneint und verweist kundig auf die Hafenstraße; außerdem steht ihm eh mehr der Sinn nach weiterer Untermauerung seiner „Ihr seid so cool!“-These.

„Bissu auch Mitglied im Pauliforum?“, wendet sich der Grauschläfige nun wieder an mich. „Bissu sweiunpfirsich? Du siessaus wie
sweiunpfirsich.“ Eine recht schmeichelhafte Schätzung, wie ich ihm dankbar zu verstehen gebe. Ich verzichte darauf, die an dieser Stelle eigentlich angebrachte Vertiefung der Diskussion über die Zahl 42 im Sinne Douglas Adams' anzugehen, denn von der Detlev-Bremer-Straße her hält ein Taxi auf unsere kleine Gesellschaft zu. Es bremst, und beim Umkurven dreht der wie beseelt dreinschauende Fahrer die Scheibe herunter und sagt: „Das ist so geil, so geil!“

Die Begeisterungsstürme, die zwei mit Dope unterversorgte Betrunkene mitten auf einer Kiezkreuzung auszulösen vermögen, sind wirklich erstaunlich. Der kleine Pummel entwickelt plötzlich Theorien über die Richtung, aus der die unvermeidlichen Ordnungshüter bald anrollen werden. „Gleich kommt die Schmier!“, prognostiziert er, was ich als Kiezmetapher für die Polizei deute, „und zwar von da unten“, womit er die Westrichtung der Seilerstraße meint.

Vom Tippel II dringt inzwischen durch ausgesandte Boten eine betrübliche Kunde: Die Wirtin, heißt es, würde von nun an jede Bierversorgung des exterritorialen Gebietes einstellen. Unwiderruflich. Die Stuhlbesetzer nehmen es hin mit der Gelassenheit derjenigen, denen man zuletzt mehrfach bestätigt hat, cool und geil zu sein.

„Haste wirklich nix zu kiffen?“, wendet sich der Muskelmann wieder an das Zahnlückensortiment auf zwei Beinen. Jetzt lässt sich sogar die Wirtin selber blicken. „Gleich kommt die Schmier!“, warnt sie, doch das gehört auf der Kreuzung längst zum Allgemeinwissen. Selbst ich ertappe mich dabei, wie ich sie mitleidig anlächle.

Und wirklich: Die Schmier kommt. Allerdings aus ungeahnter Richtung, nämlich der Detlev-Bremer-Straße. Die beiden biersatten Verkehrshindernisse packen erstaunlich katzenartig ihre Stühle und huschen hinüber zum Tippel II, der Araber, der Bote des Bierstopps und ich treten dezent zurück an den Straßenrand.

Und als der Streifenwagen langsam über die Kreuzung gleitet wie ein witterndes Raubtier, ist das übliche Raum-Zeit-Kontinuum längst wieder hergestellt. Nichts mehr erinnert an die zwei traulichen Zecher, nichts mehr an unsere kleine Runde mitten auf der Straße, mitten im Verkehr.

Ich muss an Samuel Beckets Stück „Warten auf Godot“ denken, weiß aber nicht mehr, warum.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Kreuzungen und Straßen
1. „Crossroads" von Calvin Russell
2. „Crossroads" von Robert Johnson
3. „Our house" von Madness

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18 Mai 2006

Die letzten 36 Stunden

Dienstag

8.15
: Wecker klingelt, Bad, Frühstück, Abschiedskuss für Ms. Columbo.


9.15
: Radle zur Arbeit. Heute werden 100 Mails auf mich warten. Und tausend Dinge mehr. F…


12.19
: Mittagspause. Wir hetzen los. In 30 Minuten müssen wir wieder zurück sein. Verschlinge Viktoriabarschfilet. Esstempo kann nicht gesund sein. Egal. Hetze zurück. Höchstens noch 50 Mails. Beruhigend. Auf eine gewisse Art.


18.15
: Radle rasend heim. Willkommenskuss von Ms. Columbo. Schnell was essen. Muss zum Konzert.


21.00
: Treffe vorm Knust ein. Der Franke auch. Okkervil River spielen. Folk noir aus den USA. Düster, verletzlich, wild. Band lässt uns aber erst mal eine Stunde warten. Wir trösten uns mit Beck's. Band spielt bis Mitternacht. Radle rasend heim. Muss noch bloggen. Aber was? Am besten die Dylan-Radioshow. Die Welt soll davon erfahren.


2.00
: Ins Bett. Kann nicht gleich schlafen wegen irgendwelcher Musik im Ohr. Geht nicht weg; wie ein Loop.


Mittwoch


8.15
: Wecker klingelt, Bad, Frühstück, Abschiedskuss für Ms. Columbo.


9.05
: Zur Bushaltestelle, weil Fitnesstasche zu unhandlich fürs Fahrrad. Muss feststellen, dass Haltestelle verlegt worden ist. 800 Meter laufen mit blöder Fitnesstasche. Kriege den Bus noch so eben. Im Büro werden 100 Mails auf mich warten. Und tausend Dinge mehr. F…


12.45
: Mittagspause. Wir hetzen los. In 30 Minuten müssen wir wieder zurück sein. Verschlinge Currywurst mit Pommes Frites. Esstempo kann nicht gesund sein. Egal. Hetze zurück. Höchstens noch 50 Mails. Beruhigend. Auf eine gewisse Art.


18.15
: Mit dem Bus ins Fitnessstudio. Vorm Bauch/Rückenkurs noch schnell für 20 Minuten auf den Crosstrainer zum Aufwärmen. Sage tschüs zu 317 Kalorien.


20.35
: U-Bahn nach St. Pauli. Hetze die Treppen hoch, werfe Tasche ins Bad, stelle Fernseher an: Champions-League-Finale. Genieße beim Laufen in die Küche die Tatsache, die gleiche Luft zu atmen wie Ronaldinho, global gesehen. Esse Käsebrote mit Basilikumtomaten, während erste Halbzeit läuft.


21.45
: Zeichne Finale weiter auf. Muss zum Konzert von Gregor Samsa ins Molotow (Foto: die Decke). Club liegt auf der anderen Seite der Reeperbahn, drei Fußminuten weg. Zum Glück.


22.02
: Treffe erregt und verschwitzt im Molotow ein. Hatte mich durch den Absperrzaun der Riesenbaustelle Reeperbahn gezwängt, fand aber an der anderen Seite keinen Ausgang. Irrte minutenlang über den Spielbudenplatz. Fühlte mich wie auf Guantanamo Bay. Musste schließlich am Dixieklo den Zaun anheben, quetschte mich durch. Erfahre im Molotow, dass die Band schon gespielt hat. Könnte heulen.


22.15
: Eile durch die Seilerstraße zurück nach Hause. Vor mir watschelt ein Typ in Shorts und Hawaiihemd. Er stoppt an einem Auto und stellt, während er seine Wagenschlüssel sucht, eine Motorsäge aufs Dach. Will lieber nicht wissen, warum.


22.50
: Aufzeichnung des Champions-League-Finales. Barca schießt zwei Tore in drei Minuten. Ms. Columbo kommt nach Hause. Willkommenskuss. Vertrete die Theorie, Arsenal-Keeper Jens Lehmann habe sich in der ersten Halbzeit beim Stand von 0:0 nur deshalb vom Platz stellen lassen, um seinen Torrekord nicht zu gefährden und vor der WM keinen Treffer mehr zu kassieren. Hat funktioniert.


22:58
: Spiel ist aus. Schaue Ronaldinho beim Feiern zu. Atme die gleich Luft wie er, global gesehen, was eine Gnade ist. Aber jetzt Schluss mit lustig: Private Mails müssen erledigt werden. Sind zum Glück nur 19.


23.31
: Verdammt, muss noch bloggen! Aber was bloß, WAS? Ach, warum nicht einfach die letzten 36 Stunden im Zeitraffer zusammenfassen? Genau. So mach ich's.


0.14
: Jetzt noch geschäftliche Korrespondenz, Banküberweisungen, Kram. Und dann ab ins Bett. Wenn nur diese komische Musik im Ohr wegginge. Ist hartnäckig wie ein Loop. Aber immerhin anderes Stück als gestern.

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23 April 2006

Die Evolution und Berlin

Berlin ist schon merkwürdig. Im Bus am Bahnhof Zoo lösen wir Tickets und werden von einem gelben Kasten zum Entwerten derselben aufgefordert. Allerdings ist der Schlitz schmaler als die Tickets breit sind. Sie passen einfach nicht rein.

Wir erwägen Experimente wie Falten der Fahrkarten oder gewaltsames Verbreitern des Entwertungsschlitzes, beschließen aber am Ende doch, die Sache stillschweigend hinzunehmen und eventuelle Kontrolleure in kampfeslustige Diskussionen über die Detailschwächen des Berliner Nahverkehrssystems zu verwickeln.

Die Fahrt allerdings verläuft ohne Zwischenfälle, und an der Zielhaltestelle erweist sich sogar die archaisch anmutende Wegbeschreibung von Dr. K. („ ... über große Straße Richtung Osten ...“) als nicht komplett undechiffrierbar. Denn unter Reaktivierung bestimmter Steinzeitgene identifiziere ich trotz dichter Wolkendecke die korrekte Himmelsrichtung.

Ich bin stolz wie Oskar, Ms. Columbo hält mich für einen Helden. Und mir wird plötzlich klar, wie unsere Spezies es schaffen konnte, zur dominierenden auf diesem Planeten zu werden.

Mehr über die Evolution und Berlin nach unserer Rückkehr.

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14 Februar 2006

Die Noppen

Heute passierte praktisch nichts. Dass der Franke vorm Mittagessen zwar über Sattheit klagte, dann aber doch einen kapitalen Teller Chili con carne wegschaufelte und sich sogar nachlud, ist nur eine Randnotiz wert. So kennen wir ihn schließlich.

Und dass unermüdliche Bautrupps inzwischen fast die kompletten Gehwege der Reeperbahn samt Querstraßen in Trümmerfelder aus Gruben, Gattern und pluckernden Presslufthämmern verwandelt haben: geschenkt. An der Haltestelle steht man halt da mit Ohrhörern unter der Wollmütze und fleht den Bus herbei, um die Musik wieder identifizieren zu können, die einem wahrscheinlich gerade durch die Schnecke fließt.

Der Bus kommt natürlich nicht, nicht um elf nach, was er laut Plan tun müsste, auch nicht um viertel nach, aber dann um neun vor halb. Er nennt sich übrigens „Schnellbus“. Pah.

Deswegen fahre ich heute abend mit der S-Bahn. Im Bahnhof Altona gehe ich zum tausendsten Mal an diesen seltsam genoppten Pfeilern vorbei, komme aber erstmals auf die Idee, einen davon zu fotografieren. Manchmal wüsste ich wirklich gerne, nach welchen Kriterien unsere Synapsen Entscheidungen für uns treffen.


Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, die sogar Presslufthämmer übertönen können
1. „Good times are back“ von TV Smith
2. „Ace of spades“ von Motörhead
3. „Toccata“ von The Toy Dolls

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22 November 2005

Der Unfall

Erschreckend, wie leicht man Alltagsrollen wechselt und zugleich die Fähigkeit verliert, darüber zu reflektieren. Als Autofahrer erregst du dich über Radfahrer, die dir in der Einbahnstraße entgegenkommen, als Fußgänger nerven dich um Haaresbreite vorbeizischende Drahtesel, und als Radfahrer plagen dich VERDAMMT NOCH MAL BRÄSIGE FUSSGÄNGER, DIE BLIND AUF RADWEGE ZUSTOLPERN, OHNE AUCH NUR EINE SYNAPSE IHRES SPATZENHIRNS AUF DEN GEDANKEN ZU VERWENDEN, NACH LINKS UND RECHTS ZU SCHAUEN!

Zurzeit bin ich immer noch überwiegend Radfahrer, daher das Geschrei. Kleinen Kindern bringt man bei, sich sorgfältig umzusehen, bevor sie Wege oder Straßen betreten. Spätestens mit der Pubertät scheint diese nützliche zivilisatorische Fähigkeit wieder verloren zu gehen. Dabei hilft sie doch dabei, die eigenen Gene weiterzugeben. Merkwürdige Evolution.


Dumpf einherwankende Fußgänger sind für unsereins dennoch das kleinere Übel. Schlimmer sind (natürlich) Autos. Mich hat mal in der Louise-Schroeder-Straße eine Fahrerin auf die Kühlerhaube genommen, als sie den von mir gerade benutzten Radweg zeitgleich passieren wollte. Fahrrad und ich flogen auf die zweispurige Straße, ich fand mich etwa in der Mitte wieder, und als ich mich etwas verwirrt umschaute, sah ich in wenigen Metern Entfernung eine Phalanx von Autos gleichmütig an der roten Ampel stehen, bereit zum Losfahren.


Die Autofahrerin saß schreckensstarr in ihrem Wagen, neben mir lag die zerklumpte Drahtstahlgummiskulptur, die mal mein Rad gewesen war. Ich erhob mich vorsichtig und versuchte, innerlich irgendwelche immobile oder schmerzende Körperzonen zu sondieren, konnte aber nichts feststellen. Ich war komischerweise komplett unversehrt. Der Clark Kent von Hamburg.


„Keine Polizei!“, wimmerte die unter Schock stehende Fahrerin, die sich als Türkin erwies. Ich fand unter Verweis auf meine nicht beeinträchtigte Physis trostreiche Worte und schlug vor, sie möge mir doch das Rad unter Umgehung aller Instanzen einfach informell ersetzen, und die Sache sei erledigt. Ein Betrag von 125 Euro für das einige Monate zuvor fürs Doppelte erstandene Gefährt schien mir fair. Ihr auch – wobei sie wahrscheinlich zu allem Ja und Amen gesagt hätte, in ihrem Zustand.


Abends klingelte das Telefon. Sie war dran; ob wir nachverhandeln könnten. Im Hintergrund war die Stimme ihres Mannes zu hören, der Anweisungen und Gesprächstaktik soufflierte. Ich war zu verblüfft und zugleich amüsiert, um dem aufsteigenden Ärger Raum zu geben. So ließ ich mich um 25 Euro runterhandeln.


Irgendwann später wurde mir klar, dass ich den Radweg in die falsche Richtung befahren hatte. Aber sie hätte wirklich auch mal gucken können.

Das Foto zeigt übrigens, wo man im Bedarfsfall gut ein neues gebrauchtes Rad beschaffen könnte. Ist aber leider Amsterdam.


Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Touch me in the Morning“ von MFSB, „Be thankful for what you've got“ von William Devaughn und „Lichterloh“ vom Kammerflimmer Kollektiv.


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07 Oktober 2005

Die Kiezpolizisten

Vorm Bahnhof Altona fuhr heute ein Streifenwagen beinah einen Fahrradfahrer um - in einer Fußgängerzone! Die rechtlichen Probleme möchte ich mir gar nicht ausmalen. Aber es ist ja nichts passiert.

Genauso wie damals, als ich zwischen Schmuckstraße und Simon-von-Utrecht-Straße entlang radle und in einiger Entfernung vor mir zwei Polizisten sehe, die derart breit nebeneinander herschlendern, dass an ein Vorbeifahren nicht zu denken ist. Also klingle ich vorsorglich. Keine Reaktion. Fünf Meter hinter ihnen klingle ich erneut, diesmal deutlich schärfer im Ton. Und siehe da: eine Reaktion! Ohne den Weg freizumachen, dreht sich einer der beiden um und sagt: „Das hier ist kein Radweg.“

Autsch ... Stimmt. Jetzt wo er's sagt. Ein Fußweg. Und ich versuche, Kiezpolizisten da runterzuklingeln, die härtesten der harten! Mein fieberhaftes Grübeln um Schadensbegrenzung mündet in der beschämend lahmen Frage: „Aber wo denn dann?“ Die beiden stehen da, cool, lässig, mit leicht zurückgelehnten Köpfen und der ganzen Präsenz nicht nur des Gesetzes, sondern auch des moralischen Rechts, was ja beileibe nicht immer das Gleiche ist. „Hier gibt's keinen“, sagt der eine. „Da ist die Straße.“

Ich habe dann das Rad bis zur Ampel an der Großen Freiheit geschoben. Seither peile ich aufmerksamst die Lage vor mir, wenn ich zwischen Schmuckstraße und Simon-von-Utrecht-Straße entlang radle. Man weiß ja, was sie mit Wiederholungstätern machen.

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