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Name: Matthias Wagner
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Schreiberling




27 März 2007

Die uninteressanten Päckchen

Gegenüber auf dem Flachdach turnen plötzlich zwei Jungs herum. Sie laufen hin und her, gehen dann zur Dachkante am Innenhof und werfen zwei weiße, offenbar gewichtige Päckchen hinunter. Schätzgewicht: vier Kilogramm.

Das ist der Moment, wo ich mich entschließe, wieder mal bei der Davidwache durchzuklingeln. Während ich auf die Streife warte, klettern die Jungs über Feuerleitern höher und höher. Jetzt stehen sie ungesichert auf dem Dach von Reeperbahn Nr. 35. Sie posieren, fotografieren sich gegenseitig mit ihren Handys. Immer hart an der Kante – ein gefährliches Spiel.

Zwei bullige Polizisten betreten unsere Wohnung, ein Mann und eine Frau. Ich zeige ihnen die Extremkletterer gegenüber und erzähle von den zwei weißen Päckchen. Letzteres stößt komischerweise kaum auf Interesse. Stattdessen verlangen sie meinen Personalausweis und treten sehr präsent auf unseren Balkon. Das finde ich merkwürdig. Lernt man das etwa auf der Polizeischule: Wenn dich ein mutmaßlicher Täter noch nicht entdeckt hat, dann werfe ihm den Überraschungseffekt per Selbstenttarnung vor die Füße?

Natürlich erblicken die Jungs die Polizisten sofort und verschwinden über den Dachgiebel auf die Reeperbahnseite. Die Polizisten geben das per Funk an die Verstärkung durch. „Auf der anderen Seite kommen die nicht runter“, theoretisiere ich und versuche noch einmal die Aufmerksamkeit auf die zwei weißen Päckchen zu lenken. Vergeblich.

Man sieht von unserem Balkon aus nur einen Teil des Innenhofs, doch das reicht, um dort frisch eingetroffene Menschen zu erkennen, und es sind keine Polizisten. Möglicherweise wollten die beiden Jungs ihre Fracht nicht verstecken, sondern übergeben. Eile scheint geboten, doch die beiden Uniformierten auf unserem Balkon geben sich gelassen. Das Funkgerät meldet sich. „Seht ihr die beiden noch?“, krächzt es. „Negativ“, sagt der Mann.

Beide Polizisten meine ich zu kennen, ich weiß auch woher: Aus den vielen Spiegel-TV-Dokus über den Kiez. Alle enden immer mit einem Einsatz der Leute von der Davidwache. Gehört zum Drehbuch. Das hier, denke ich bei mir, ist wie im richtigen Leben, also wie im Fernsehen.

Die Polizisten verlassen den Balkon und verharren im Wohnzimmer. Sie sind kurzärmlig, und ihnen ist kalt. Ich biete eine Jacke an, sie lehnen ab. Kaum ist unser Balkon menschenleer und die Luft scheinbar rein, klettern die Jungs wieder über den Giebel und beginnen den Abstieg. Natürlich haben sie keine Chance. Die Verstärkung wird per Funk informiert, dann gehen die beiden Polizisten runter, wo ihnen die Jungs in die Arme laufen.

Verstärkung trifft ein, Verhaftung mit allen Schikanen wird abgespult. Abgang alle. Auch im Innenhof sind keine Menschen mehr zu sehen, erst recht keine Polizisten.

Und auch keine weißen Päckchen mehr. Jede Wette.

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8 Comments:

Anonymous Opa said...

Nächstes Mal alarmieren Sie besser den BaziND. Unser Kampfstoffspürhund kümmert sich gerne um die Päckchen.

08:10  
Anonymous oldman said...

Gemäß Definition darf ein Päckchen ein Maximalgewicht
von 2 Kilo haben. Das wird den Bulligen mit kurzem Hemd
ins Schleudern gebracht haben. Außerdem mußte er
die Steighilfe an der Hauswand gegenüber in Augenschein
nehmen.
Sehr umsichtig der Beamte.
Er hatte evtl. auch Otto Reutter im Hinterkopf:
http://www.otium-bremen.de/js/index.htm?/autoren/a-reutter.htm
War es vielleicht gerade vier Uhr?

11:39  
Blogger Matt said...

Nein, es war deutlich später. Da hat Reutters gewissenhafter Maurer sich schon längst das Abendessen von der Gattin servieren lassen, um sich zu regenerieren von des Tages Müh und Plage.

14:31  
Anonymous Rabe said...

Mann, bei Ihnen ist ja vielleicht immer was los! Hier in unserer Straße parkt nicht mal ein Auto falsch.

22:56  
Blogger Matt said...

Na, dann wissen Sie ja, was zu tun ist …

23:17  
Blogger Gabaretha said...

Ach, vielleicht waren die Päckchen ja ganz harmlos. Vielleicht handelt es sich in Wirklichkeit um, in weißem Papier eingewickelten, Gouda? Vielleicht hat irgendwer aus Winsen-Luhe seine überzähligen 20 Käsestücke dringend loswerden müssen?
Wäre doch immerhin auch eine Möglichkeit, oder?

00:18  
Blogger Matt said...

Spitzentheorie. Der Winsener war allerdings keiner von den beiden Dachkletterern. Doch der Käse kann natürlich auf verschlungenen Wegen durch die Welt mäandert sein, das weiß man nicht. Vielleicht sollte ich der Davidwache diese Theorie mitteilen; die sind bestimmt dankbar für jede Hilfe …

00:37  
Anonymous Dennis said...

Evtl. hat man ja das getrocknete Sperma aus Hausnummer 35 abgeholt. Ist doch dieser Erotik Laden ;).

19:23  

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