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20 März 2006

Der getrübte Spreeblick

Es kam, wie es kommen musste: Die türkische Teenagerband Grup Tekkan hat einen Plattenvertrag, ihr Trashsong „Wo bist du, mein Sonnenlicht?“ wird Ende der Woche in die Topten gehen. Bei TV Total waren die lieben Dilettanten auch schon. Und schuld ist die Bloggemeinde, allen voran Spreeblick, wo schon an normalen Tagen Zehntausende vorbeisurfen.

Spätestens als dort das grottige Video verlinkt wurde, gab es aber für den Spreeblicktraffic ebenso kein Halten mehr wie für das „Sonnenlicht“-Video. Seither haben Millionen von Menschen den Clip angeklickt. Und jetzt – man kann das ohne Haareraufen gar nicht niederschreiben – geht der Song in die Charts.


Irgendwo klopfen sich wahrscheinlich gerade ein paar von Lachkrämpfen geschüttelte Musikmanager die Schenkel blutig. Denn es scheint, als sei die Blogosphäre erstmals richtig auf geschicktes Guerillamarketing hereingefallen. Die kollektive Intelligenz der Blogger, die clevere Skepsis, die sonst dazu führt, Strategien zu entlarven und Fakes auffliegen zu lassen: Sie hat versagt. Blinde Schadenfreude trübte ihnen den Verstand. Sie sind reingefallen, aber bitterböse. Sie waren nützliche Idioten beim Plan, Müll in die Charts zu hieven. Danke auch.


An der Spree aber ist man weiterhin völlig dumm vor Glück und
juchzt rethorisch: „Wie fühlt es sich an, an einem Tag 100.000 Besucher auf der Seite zu haben?“ Das deutet offengestanden nicht gerade auf eine Resistenz gegen künftiges Missbrauchtwerden durch Marketingstrategen hin.

In den USA lassen sich die ersten Blogger
teuer einkaufen, um als Profis für Firmen zu bloggen. Hierzulande machen sie’s kostenlos und merken es nicht mal. Blamabel.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, die Plattenfirmen dissen

1. „It ain't gonna suck itself“ von Cracker

2. „E.M.I.“ von The Sex Pistols

3. „Wahre Antwort“ von Peter Holler


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15 Comments:

Blogger ramses101 said...

Na ja, wenn man über Trash stolpert, kann man das doch auch im Blog veröffentlichen? ich glaube nicht, dass das Guerillamarketing war. Das Video wurde ja nicht an Spreeblick geschickt, sondern von Spreeblick entdeckt. Auf einem (bis zu diesem Zeitpunkt) nicht allzu stark frequentiertem Blog, dessen Autor das Video auch online gestellt hat.

Da könnte man mit viel Wohlwollen eine Strategie erkennen - aber ausgerechnet von der Plattenindustrie? Ausgerechnet die sollen plötzlich verstanden haben, wie Internet funktioniert? Und wie man dieses Blogdingens für sich instrumentalisieren kann? Me don't think so.

Dass die Jungs selbst es darauf angelegt haben, bin ich sofort bereit zu glauben. Aber der Erfolg war Zufall.

09:59  
Blogger dL said...

Ich schließe mich Ramses an (obwohl ich auch schon halbernst der Blogosphäre die Schuld in die Schuhe geschoben habe).

Hier herrscht einfach eine viel zu große Lust auf Müll. Spaß mit Scheiße. Bock auf Leute, die sich zum Affen machen. Ist auch nix Neues - siehe Guildo Horn, Maschendrahtzaun, etc.pp. ... (Wobei da wenigstens noch Töne getroffen wurden. Manchmal.) Ich kann mir also nicht wirklich vorstellen, dass das von langer Hand geplant wurde und wenn, dann wurde da sicherlich mehr "basisviral" gedacht - Emails machen das schon. Haben sie ja auch.
Wenn das geplant wurde, dann Chapeau ... Dann war das nämlich ganz schön risikofreudig.

10:12  
Blogger Matt said...

Vielleicht habt ihr recht …

Allerdings darf man nicht vergessen, dass auch die Plattenindustrie lernfähig ist und allmählich die Mechanismen des Web versteht.

Die Frage ist: Wurde sie wirklich vom Hype überrascht oder hat sie ihn lanciert? Jedenfalls steht sie derart schnell mit allen verfügbaren Kräften parat, dass ich weiterhin meine Verdachtsmomente habe.

ramses, klar verbloggt man skurrile Fundstücke – es sei denn, man hat den Verdacht, instrumentalisiert zu werden. Und diesen Verdacht werden Blogger nach dieser Erfahrung künftig hoffentlich öfter haben.

11:11  
Blogger mspro said...

Das war schließlich nicht der erste nicht-lancierte Zufallshype in der Musikgeschichte. Die gibt es immer wieder, diesmal kam es halt aus Blogs.

Die Assgeier stehen halt immer parat und sie wissen mittlerweile, wie schnell man da handeln muss, wie kurz das Leben eines solchen Hypes ist. Dazu braucht man wirklich keine Verschwörungstheorien zu entwickeln. Blutige Hälse müssen schnell sein.

11:39  
Anonymous Bazi said...

Für mich ist es nicht so sehr wichtig, ob es Guerillamarketing war oder eine für die Plattenindustrie willkommene Überraschung. Der für mich entscheidende Satz in Matts Beitrag lautet:

"Sie waren nützliche Idioten beim Plan, Müll in die Charts zu hieven. Danke auch."

Das sollten wir uns hinter die Ohren schreiben, finde ich, obwohl bei den meisten von uns schon aufgrund der Besucherzahlen eine solche Gefahr sicher sehr gering ist.

13:40  
Blogger Matt said...

Genau: Traffic korrumpiert, und absoluter Traffic korrumpiert absolut … (in Anlehnung an Lord Actons Aphorismus aus dem 19. Jahrhundert, der auf die Macht gemünzt war)

16:00  
Blogger ramses101 said...

Und das ist alles nur geklaut, das ist alles gar nicht meiner ...:

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,407120,00.html

18:39  
Anonymous joshuatree said...

Ich oute mich: Ich kenne den Song nicht. Und nach diesen Diskussionen unter Matt´s geistig-honorigem "Capisce" muss ich ihn auch nicht zwingend hören, würde aber gern. Matt?

Ich bin alt genug, um "The Teens" noch zu kennen. Und den "Kult" um das "echte, wahre, apostrophierte" Bloggen. Tatsächlich spielen Eitelkeiten, und schnöde plumpe Marketingbotschaften immer eine Rolle. Alles wiederholt sich ...

@ramses: Das ist kein Guerilla-, sondern Gorillamarketing.

00:17  
Blogger Matt said...

joshua, wenn du ihn dir wirklich antun willst, findest du ihn innerhalb von Sekunden – Google sei Dank.

Aber ich wollte ihn keinesfalls verlinken …

00:23  
Anonymous Fellow Passenger said...

This comment has been removed because it linked to malicious content. Learn more.

04:44  
Anonymous kubelinski said...

werter mister matt,

auch ich muss mich blossstellen: ich höre weder internet, noch radio hardware noch habe ich tv (in gar keiner form). somit hatte ich nicht das vermeitliche vergnügen den musikalischen lekerbissen zu geniessen.

doch auch ohne eine hörprobe schien mir alles soweit verständlich. bis auf ihre aufzählung »ex cathedra...« jedoch die einzigen, welche ich unter der top 3 erkannt habe, sind die pistols. was hat das zu bedeuten?

für eine aufklärung wäre ich sehr dankbar. sonst fand ich den diskurs kurzweilig und sehr erfrischend.

besten dank.

00:09  
Blogger Matt said...

Lieber kubelinski, wahrscheinlich bedeutet das nichts anderes, als dass Sie es seit langer Zeit (1977?) vermeiden, das Ohr an den Puls des alternativen Pop zu legen.

Fatal ist das! Cracker müssten sie sich unbedingt zu Gemüte führen, vor allem erwähntes Stück, welches gar einen Missbrauch der Masterbänder des Stones-Meisterwerks „Sticky Fingers“ schildert. Und Herr Hollers desillusionierte Betrachtung der Musikindustrie ist auch ein Hinhören wert.

18:29  
Anonymous globalhead said...

Ich möchte, dass Ihr Euch das hier mal anschaut:
http://www.youtube.com/watch?v=z7VNfcoqrEc

Das ist ein ziemlich gut gemachtes Cover von dem Grup Tekkan Hit, aber ich weiss nicht, wie ich das deuten soll.

20:07  
Blogger derherrsimon said...

Lieber Matt!

Wie kann ein Blogger einen Song durchs Posten in die Charts hieven? Für Charterfolge sind immer noch Plattenkäufe notwendig, oder?

Und ob das Ding nun erfolgreiches Guerilla-Marketing war, ist eigentlich völlig egal. Wenn es sich um wirklich ein "Produkt" eines Musikkonzerns handeln sollte, dann um eins, dass den Leuten Spaß bringt. Nichts anderes, als wenn man sich ein lustigen Film kauft. Man will eben unterhalten werden. Das ist hier passiert. Sonst hätte sich das Video nicht so schnell verbreitet, denn zum Weiterschicken wurde niemand gezwungen.

21:32  
Blogger Matt said...

Lieber herrsimon, das stimmt schon. Plattenverkäufe resultieren aber wesentlich aus dem Bekanntwerden eines Songs; und dabei hat die Blogosphäre eine wesentliche Rolle gespielt.

Von der Vermutung eines erfolgreichen Guerillamarketings bin ich aber inzwischen abgerückt, nachdem die Hintergründe der Produktion ans Licht gekommen sind.

21:39  

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