Angst und Schrecken in Altona
Im Altonaer Restaurant Eisenstein, wo ich unlängst das Chorizo-Erlebnis hatte, bekommt man stets vorab ein paar Scheiben Brot mit Butter. Ein begrüßenswerter Service, aber in quantitativer Hinsicht ausbaufähig. Denn das Eisenstein knappst. Dabei sind die maximal drei winzigen Scheibchen lebenswichtig, wenn man etwa ein Pastagericht bestellt, denn was ist das Schönste daran? Das Soßentunken mit saugfähigem Brot.
Bei den üblichen Eisenstein-Portiönchen reicht das Brot aber nur bis zum ersten Drittel der Pastaportion. Also ordere ich gewöhnlich nach – was sich leichter anhört, als es ist. Denn dieser verständliche Wunsch des Königs Gast stößt beim Bedienungspersonal auf Abwehrreflexe. Offenbar manövriert das Restaurant derart knapp an der Klippe des ökonomischen Kollaps’ entlang, dass es mitentscheidend für seine Existenz ist, ob man einen weiteren Kanten des Mehlgebäcks herausgibt oder nicht.
Vor allem die ältere verkniffene Blonde mit der Brille („die stumme Hexe“) ist eine Meisterin im Ignorieren lockender Rufe und windmühlenartiger Armbewegungen. Und wenn ich es schließlich doch geschafft habe, ihr mit einem Hechtsprung um die Knöchel zu fallen und keuchend meinen Brotwunsch zu japsen, schnappt sie sich mit eisiger Miene das leere Schälchen und schreitet wortlos davon.
Ihre in ebenso schneidender Stille ablaufende Rückkehr nach einigen Minuten ist von Hass und Verachtung geprägt. Ohne jeden Blickkontakt wirft sie im Vorübergehen das nur noch mit zwei winzigen Scheibchen Nachlieferungsbrot erbärmlich bestückte Schälchen auf den Tisch und hinterlässt in mir ein Gefühl der Zerschmetterung und Scham – ganz so, als hätte ich einem taubblinden und halsabwärts gelähmten Waisenkind die Barbiepuppe entwunden und ihr höhnisch auflachend den Kopf abgebissen.
Das alles muss man wissen, wenn man den Ablauf meines heutigen Eisenstein-Besuches korrekt einstufen möchte. Ich hatte eine kleine Tagespizza bestellt, erhielt allerdings versehentlich eine große. Mir fehlte die Zeit und vor allem die moralische Kraft, sie umzutauschen, deshalb aß ich tapfer das über den Tellerrand lappende Teigmonster.
Ein Mordstrumm, ich schaffte ihn gerade so – doch als Folge davon scheiterte ich erstmals in meiner Eisenstein-Geschichte bereits an der ersten Brotportion. Gleich zwei Scheiben blieben übrig, und daraus, das dämmerte mir schnell, erwuchs ein ungeheures Problem für künftige Besuche.
Denn eins war klar: Das Übriglassen dieses Brotes signalisierte der Blonden etwas Grundfalsches – eine überdimensionierte Portion. Möglicherweise schlösse sie daraus, sie könne die Erstration von nun an von drei auf zwei Scheiben reduzieren. Die daraus resultierende Notwendigkeit für mich, in Zukunft noch früher Brot nachbestellen und diesen Bestellvorgang vielleicht sogar ein weiteres Mal wiederholen zu müssen, erfüllte mich mit namenlosem Schrecken.
Nein, an diesen zwei übrigen Scheiben entschied sich alles, hier mussten Weichen gestellt werden. Es gibt ja solche Momente im Leben, wo einem das unmittelbar klar wird – zum Beispiel in diesen Filmen, wo sich der schweißüberströmte Held im Angesicht des tickenden Zeitzünders entscheiden muss, ob er den roten oder den blauen Draht durchschneidet.
Doch was sollte ich tun? Ich war pappsatt, rien ne va plus. Natürlich konnte ich das Brot verschwinden lassen, es somit als aufgegessen suggerieren – aber wohin? Zufällig führte ich keine Tüte mit mir. Und es einfach so in die Jackentasche stecken und hinfort die Restkrümel gedanklich beim Verschimmeln beobachten? Nein, mein Hygieneempfinden ließ das nicht zu.
Es gab schlicht keine Lösung für alle Probleme gleichzeitig, das musste ich mir eingestehen. Und so schnitt ich weder den roten noch den blauen Draht durch, sondern zog aufgewühlt davon und ließ zwei Scheiben Brot auf dem Tisch zurück. In meinem Rücken spürte ich den Hass und die Verachtung der Blonden, vergiftet von zwei, drei Tropfen eisigen Triumpfs.
Die einzige Lösung, das fällt mir jetzt erst ein, wäre die, künftig nur noch große Pizzen zu bestellen und nie mehr Pasta. Dann hätte ich gesiegt.
Gewissermaßen.
Bei den üblichen Eisenstein-Portiönchen reicht das Brot aber nur bis zum ersten Drittel der Pastaportion. Also ordere ich gewöhnlich nach – was sich leichter anhört, als es ist. Denn dieser verständliche Wunsch des Königs Gast stößt beim Bedienungspersonal auf Abwehrreflexe. Offenbar manövriert das Restaurant derart knapp an der Klippe des ökonomischen Kollaps’ entlang, dass es mitentscheidend für seine Existenz ist, ob man einen weiteren Kanten des Mehlgebäcks herausgibt oder nicht.
Vor allem die ältere verkniffene Blonde mit der Brille („die stumme Hexe“) ist eine Meisterin im Ignorieren lockender Rufe und windmühlenartiger Armbewegungen. Und wenn ich es schließlich doch geschafft habe, ihr mit einem Hechtsprung um die Knöchel zu fallen und keuchend meinen Brotwunsch zu japsen, schnappt sie sich mit eisiger Miene das leere Schälchen und schreitet wortlos davon.
Ihre in ebenso schneidender Stille ablaufende Rückkehr nach einigen Minuten ist von Hass und Verachtung geprägt. Ohne jeden Blickkontakt wirft sie im Vorübergehen das nur noch mit zwei winzigen Scheibchen Nachlieferungsbrot erbärmlich bestückte Schälchen auf den Tisch und hinterlässt in mir ein Gefühl der Zerschmetterung und Scham – ganz so, als hätte ich einem taubblinden und halsabwärts gelähmten Waisenkind die Barbiepuppe entwunden und ihr höhnisch auflachend den Kopf abgebissen.
Das alles muss man wissen, wenn man den Ablauf meines heutigen Eisenstein-Besuches korrekt einstufen möchte. Ich hatte eine kleine Tagespizza bestellt, erhielt allerdings versehentlich eine große. Mir fehlte die Zeit und vor allem die moralische Kraft, sie umzutauschen, deshalb aß ich tapfer das über den Tellerrand lappende Teigmonster.
Ein Mordstrumm, ich schaffte ihn gerade so – doch als Folge davon scheiterte ich erstmals in meiner Eisenstein-Geschichte bereits an der ersten Brotportion. Gleich zwei Scheiben blieben übrig, und daraus, das dämmerte mir schnell, erwuchs ein ungeheures Problem für künftige Besuche.
Denn eins war klar: Das Übriglassen dieses Brotes signalisierte der Blonden etwas Grundfalsches – eine überdimensionierte Portion. Möglicherweise schlösse sie daraus, sie könne die Erstration von nun an von drei auf zwei Scheiben reduzieren. Die daraus resultierende Notwendigkeit für mich, in Zukunft noch früher Brot nachbestellen und diesen Bestellvorgang vielleicht sogar ein weiteres Mal wiederholen zu müssen, erfüllte mich mit namenlosem Schrecken.
Nein, an diesen zwei übrigen Scheiben entschied sich alles, hier mussten Weichen gestellt werden. Es gibt ja solche Momente im Leben, wo einem das unmittelbar klar wird – zum Beispiel in diesen Filmen, wo sich der schweißüberströmte Held im Angesicht des tickenden Zeitzünders entscheiden muss, ob er den roten oder den blauen Draht durchschneidet.
Doch was sollte ich tun? Ich war pappsatt, rien ne va plus. Natürlich konnte ich das Brot verschwinden lassen, es somit als aufgegessen suggerieren – aber wohin? Zufällig führte ich keine Tüte mit mir. Und es einfach so in die Jackentasche stecken und hinfort die Restkrümel gedanklich beim Verschimmeln beobachten? Nein, mein Hygieneempfinden ließ das nicht zu.
Es gab schlicht keine Lösung für alle Probleme gleichzeitig, das musste ich mir eingestehen. Und so schnitt ich weder den roten noch den blauen Draht durch, sondern zog aufgewühlt davon und ließ zwei Scheiben Brot auf dem Tisch zurück. In meinem Rücken spürte ich den Hass und die Verachtung der Blonden, vergiftet von zwei, drei Tropfen eisigen Triumpfs.
Die einzige Lösung, das fällt mir jetzt erst ein, wäre die, künftig nur noch große Pizzen zu bestellen und nie mehr Pasta. Dann hätte ich gesiegt.
Gewissermaßen.
Labels: essen, lebensmittel, ottensen, restaurant, typen
19 Comments:
Tolle Geschichte. Ich hoffe nur, Sie haben das Urheberrecht an dem Brötchenfoto:
http://neobazi.net/archives/6415
Einzeln betrachtet ist so ein Brotstückchen sicher verschmerzbar für das Eisenstein, aber in Summe betrachtet könnte es tatsächlich den finanziellen Ruin bedeuten. Uns ist mal ein Handbuch einer großen Fitnesskette in die Hand gefallen (die mit dem großen, gelben M ...) und da wurde haarklein beschrieben, was wie und vor allen Dingen warum in so einer Filiale zu beachten ist. Da ging es dann sogar ums Klopapier. Singemäß stand da, dass das Klopapier so anzubrigen ist, das es für den Kunden unangenehm ist, sich viel davon zu nehmen, er also sozusagen gezwungenermaßen wenig davon verbraucht. Einzeln betrachtet ist so ein Blatt Klopapier natürlich lächerlich, auf 80 Filialen betrachtet nimmt das aber einen großen Posten ein.
Die Frage, die sich mir dabei stellte war aber, ob man wirklich wenig Klopapier verbraucht und damit übelriechende Reste in Kauf nimmt. Ich bin da sehr pingelig, würde das unangenehme Klopapierabrollen also in Kauf nehmen und evt. jetzt, wo ich über diesen Vorgang bescheid weiß, sogar mehr davon nehmen. Wobei ich kein Kunde dieser Fitnesskette bin.
Hm. Zum Pizzaessen in Zukunft in das ›Mama Mia‹!?
Moin Matt,
ich habe schon so manches mal gedacht, ob diese Seite nicht eine sinnvolle und manchmal sehr erleichternde Ergänzung für Sie wäre: http://www.dienst-ohne-leistung.de
Übrigens: neue Redakteuere sind jederzeit willkommen ;-)
Grüße von der Elbe
ElbKind
Hey, für die paar Cent, die ein Essen im Eisenstein kostet, kann man ja nun wirklich keine vier Scheiben Brot erwarten! Und was die Hexe angeht: Scheinbar muss man ihr mit ausgeprägter Unfreundlichkeit begegnen, dann taut sie angeblich etwas auf.
Ich möchte den Mama-Mia-Vorschlag unterstützen! Bevor Sie weiterhin diesen gräßlichen Ketten Ihr Geld in den Rachen werfen (wenn auch wenig), gehen Sie doch lieber zum direkt in der Nähe gelegenen MM. Dort bekommen Sie dann auch wirklich leckere P&P.
Sie sollten sich überlegen, vorher noch die Hexe in den Pizzaofen zu schieben.
"Vor allem die ältere verkniffene Blonde mit der Brille („die Hexe“) ist eine Meisterin"
ha ha ha, ich war schon zwei Jahre nicht mehr da, aber ich glaube ich weiss wer gemeint ist. die ist echt... naja...
Gibts das Voltaire auch noch?
Grüße aus Dublin
Das nächste Mal einfach ein Baguette mitnehmen und freundlich nach einem Brotmesser fragen. Das sollte für volle Brotkörbe bei Ihren nächsten Besuchen sorgen.
Eigeninitiative ist sehr gefragt!
Neopa, dieses Foto ist selbstverständlich im Ausland stibitzt.
Stefan, es scheint mir insgesamt gefährlicher für ein Unternehmen, einen Kunden, der monatlich 60 Euro überweist, wegen eines Blattes Klopapier zu verlieren. Aber die müssen es ja wissen, ich bin nur Laie.
doubl, GP: Das Mama Mia ist mir jetzt schon derart oft untergekommen, dass ich hiermit verspreche, es alsbald aufzusuchen. Danke für den Hinweis.
ElbKind, die von Ihnen empfohlene Seite stößt bei mir auf höchstes Interesse. Ich werde mich ihr bald ausführlicher widmen. Sie können gerne unter Quellenangabe auch Beiträge von mir verwenden, doch auf mich als exklusiven Autor sollten Sie nicht hoffen. Es sei denn, Sie unterbreiten mir ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann, wenn Sie verstehen, was ich meine.
GP, das Eisenstein ist keineswegs eine Kette, sondern ein sehr passables Restaurant mit eigenem Stil. Man kann sagen: Es erwirbt sich die Möglichkeit, seine Kunden ungestraft verachten zu können, mit der kulinarischen Qualität, die es zu bieten hat. Über Ihren Vorschlag mit der Hexe und dem Ofen muss ich trotzdem einmal etwas nachdenken.
Valentin, ja, das Voltaire erfreut sich weiterhin seiner Existenz, obwohl mir die Anzahl der Gäste stets etwas spärlich vorkommt. Ihre Frage habe ich gleich zum Anlass genommen, heute Mittag dort zu speisen, und das Couscous mit Hühnchen war einmal mehr superb.
Zoee, Ihr Vorschlag hat ungeheuren Charme. Er steht auf der Liste jener Dinge, die ich mir irgendwann einmal vorknöpfen werde.
PS: In der Wortbestätigung („uhzoeeec“) taucht Ihr Name auf. Raffiniert!
Quote: "Offenbar manövriert das Restaurant derart knapp an der Klippe des ökonomischen Kollaps’ entlang,..." Mit diesem Satz ist Ihnen mal wieder ein großer Wurf gelungen! Wie neulich die Wendung mit der Hoffnung und der Plaudertasche, welche öfter mal in meinem aktiven Wortschatz zu finden ist.
Danke für solche Stilblüten!
Matt, die Kette mit dem gelbem M ist nicht Meridian. Da ist das Klopapier aufgrund des hohen Beitrages und der "nur" 5 Filialen nicht kriegsentscheidend. Mit dem gelbem M meine ich Mc-Fit und da ist bei einem Beitrag von 16 Euro so ein Klopapier im Verhältnis schon entscheidend.
Ich wollte Meridian trotz einiger Vorbehalte nicht in Misskredit bringen. Zumindest nicht wegen Klopapier. Das passt irgendwie nicht zusammen.
Liebe Anja, ich hoffe, Sie meinen das mit den Stilblüten nicht wörtlich, sonst muss ich mich schamrot in ein Mauseloch verkriechen …
Stefan, Mc-Fit ist mir neu, und 16 Euro klingt wirklich alarmierend. Sind dort die Fitnessgeräte etwa aus Wellpappe?
@Matt,
die nicht. Aber die Gebäude. ;) Na ja, so ähnlich jedenfalls. Mc Fit bietet gerätetechnisch eine gute Qualität, von der Lage her sind sie eher B-Lage (Steilshop, Stellingen ect.) und das i.d.R. in großen Elektronikmärkten im Obergeschoss, die sich schlecht vermieten lassen. Betreuungstechnisch auch eher mau, kein oder wenig Kursangebot, 24 Stunden geöffnet mit Drehkreuz, Duschen kostet extra. Mehr unter www.mcfit.de zwecks Horizonterweiterung. Ich arbeite in der Branche (Geräte) und kenne daher so ziemlich alles im Fitnessmarkt, vom Discounter (Mc Fit) bis hin zu Meridian (Premimclub). Ähnlich gelagert ist übrigens Fit24 (Harburg, Wandsbek). Mir war übrigens so, als ob in Kieznähe ein Fit24 entstehen sollte.
@Matt:
Das war eine ordentliche Stilblüte von mir, selbstreferenziell sozusagen.
Keine Sorge, sie schreiben hervorragend, alles klingt so leicht bei Ihnen.
*ichgehdannmalindieeckemichschämen*
;-)
Nein, nein, raus aus der Ecke – ich brauche Sie mitten auf dem Spielfeld!
Geh mal ins FuH in der donnerstrasse, meine ehemalige "Kantine", Preis / Leistung Mittags optimal
http://myblog.de/liefert
Schlage eher vor das Du zum Psychiater/Psychologen gehst, denn Dein Problem ist eher als unwichtig einzuschätzen...
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