Die Vögel
Wie die treueste Leserschar weiß, hatten wir vor einiger Zeit ein ernstes Taubenproblem. Es wurde schließlich behoben durch die Vollvernetzung unseres Balkons. Er erhielt gleichsam ein Ganzkörperkondom und stellte danach einen Ausbund an Wohnlichkeit dar, zumindest im Vergleich zu vorher.
Nach einigen paradiesischen Wochen entdeckte ich einen Guanoklecks auf dem Balkonboden. Ich ging der Sache aber nicht auf den Grund, sondern runzelte nur die Stirn. Vielleicht aus Selbstschutz.
Eine Woche später war ich in der Küche und nahm im Augenwinkel eine Bewegung auf dem Balkon war. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah: eine Taube. Wie in Pablo Picassos Namen war sie auf den vollvernetzten Balkon gelangt? War das Ganzkörperkondom etwa undicht?
Nein: Aber zwischen Netzunterkante und Balkonboden klafft umlaufend eine Lücke von genau 82 Millimetern (Foto 1), ich habe mittlerweile nachgemessen. Und dort hatte das Viech sich anscheinend durchgequetscht. Jetzt flatterte es auf dem vollvernetzten Balkon herum und wusste nicht, was zu tun war. Denn hier gab es nichts, kein Fresschen, nur Plastikmöbel und einen Topf mit Minze, die Ms. Columbo sich seit dem Taubenbesuch die längste Zeit als Tee aufgegossen hat. Und vor allem gab es kein Entkommen.
Die Taube war zwar clever genug gewesen, den Spalt zu finden, doch zu dämlich, um sich beim Fluchtversuch daran zu erinnern. Aufgeregt flatterte der Vogel nun hirnlos gegen die Netzwand, setzte sich ab und zu auf die Gießkanne, um zu kacken, und ich stand an der Scheibe und konnte a-b-s-o-l-u-t nichts tun.
Die Menschheit hat es geschafft, auf den Mond zu kommen, doch wie ich persönlich dieser Taube nun den Ausweg verklickern sollte, das war mir so rätselhaft wie das verwirrende Geflecht der Gassen Ottensens, in dem ich mich regelmäßig verlaufe.
Ratlos und vorsichtig betrat ich den Balkon, als der gefiederte Widerling mal kurz auf dem Boden Platz genommen hatte – und plötzlich schlüpfte er unten durch den Spalt. Bodenlose Erleichterung! Zumal der kleinhirnige Dinosauriernachfahr gewiss in den letzten Minuten ausreichend Panik geschoben hatte, um nie, nie mehr wiederzukommen. Tauben lernen ja aus so was. Und sie würde es aufgeregt den anderen sagen: Bleibt da weg, zu viel Adrenalin!
Das Leben war schön.
Eine Woche später allerdings rief Ms. Columbo nach mir. Ich eilte in die Küche und sah es. Drei Tauben. Auf dem Balkon. Der geschnäbelte Vollhorst von damals hatte die Story weitererzählt, und jetzt wollten seine Kumpels auch mal gucken.
Ihre Panik bei meinem Anblick war zunächst groß. Ein einziges Geflatter, Gegurre und Gekacke machte sich breit unterm Netz, der Balkon war ein Tollhaus. Unsere Panik war kaum kleiner. Was nur tun?
Vergrämer anrufen. Es war Samstagnachmittag, der Mann war entsprechend begeistert. Zumal er aus Bad Segeberg rüberkarriolen musste. „Das. Kriegen. Wirr. Schon. Hin“, schnarrte er im modulationsfreien Ton des Kehlkopfoperierten, der sich beim Sprechen ein Mikro mit Minilautsprecher an den Hals halten muss.
Er hatte eine Decke mitgebracht. Die warf er über die Tauben, fing so eine nach der anderen ein und quetschte sie – nein, nicht zwischen seinen Handwerkerpranken zu Tode, wie es eine dunkle Seite in uns mit uneingestandener Angstlust erwartete, sondern zwischen den sich überlappenden Netzbahnen hindurch in die Freiheit.
Dann spannte dieser Segeberger Samariter zwei Drähte vor den 82 Millimeter breiten Spalt und schnarrte zum Abschied ein blechernes „Auf. Wiederr. Sehen.“
Seitdem haben sie es nicht mehr geschafft, auf unseren Balkon vorzudringen. Doch gestern hörte ich es gurren im Halbschlaf, und etwas flatterte und kratzte am Schlafzimmerfenster.
Sie wollen wieder rein, jetzt erst recht.
Und sie sind sauer.
Nach einigen paradiesischen Wochen entdeckte ich einen Guanoklecks auf dem Balkonboden. Ich ging der Sache aber nicht auf den Grund, sondern runzelte nur die Stirn. Vielleicht aus Selbstschutz.
Eine Woche später war ich in der Küche und nahm im Augenwinkel eine Bewegung auf dem Balkon war. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah: eine Taube. Wie in Pablo Picassos Namen war sie auf den vollvernetzten Balkon gelangt? War das Ganzkörperkondom etwa undicht?
Nein: Aber zwischen Netzunterkante und Balkonboden klafft umlaufend eine Lücke von genau 82 Millimetern (Foto 1), ich habe mittlerweile nachgemessen. Und dort hatte das Viech sich anscheinend durchgequetscht. Jetzt flatterte es auf dem vollvernetzten Balkon herum und wusste nicht, was zu tun war. Denn hier gab es nichts, kein Fresschen, nur Plastikmöbel und einen Topf mit Minze, die Ms. Columbo sich seit dem Taubenbesuch die längste Zeit als Tee aufgegossen hat. Und vor allem gab es kein Entkommen.
Die Taube war zwar clever genug gewesen, den Spalt zu finden, doch zu dämlich, um sich beim Fluchtversuch daran zu erinnern. Aufgeregt flatterte der Vogel nun hirnlos gegen die Netzwand, setzte sich ab und zu auf die Gießkanne, um zu kacken, und ich stand an der Scheibe und konnte a-b-s-o-l-u-t nichts tun.
Die Menschheit hat es geschafft, auf den Mond zu kommen, doch wie ich persönlich dieser Taube nun den Ausweg verklickern sollte, das war mir so rätselhaft wie das verwirrende Geflecht der Gassen Ottensens, in dem ich mich regelmäßig verlaufe.
Ratlos und vorsichtig betrat ich den Balkon, als der gefiederte Widerling mal kurz auf dem Boden Platz genommen hatte – und plötzlich schlüpfte er unten durch den Spalt. Bodenlose Erleichterung! Zumal der kleinhirnige Dinosauriernachfahr gewiss in den letzten Minuten ausreichend Panik geschoben hatte, um nie, nie mehr wiederzukommen. Tauben lernen ja aus so was. Und sie würde es aufgeregt den anderen sagen: Bleibt da weg, zu viel Adrenalin!
Das Leben war schön.
Eine Woche später allerdings rief Ms. Columbo nach mir. Ich eilte in die Küche und sah es. Drei Tauben. Auf dem Balkon. Der geschnäbelte Vollhorst von damals hatte die Story weitererzählt, und jetzt wollten seine Kumpels auch mal gucken.
Ihre Panik bei meinem Anblick war zunächst groß. Ein einziges Geflatter, Gegurre und Gekacke machte sich breit unterm Netz, der Balkon war ein Tollhaus. Unsere Panik war kaum kleiner. Was nur tun?
Vergrämer anrufen. Es war Samstagnachmittag, der Mann war entsprechend begeistert. Zumal er aus Bad Segeberg rüberkarriolen musste. „Das. Kriegen. Wirr. Schon. Hin“, schnarrte er im modulationsfreien Ton des Kehlkopfoperierten, der sich beim Sprechen ein Mikro mit Minilautsprecher an den Hals halten muss.
Er hatte eine Decke mitgebracht. Die warf er über die Tauben, fing so eine nach der anderen ein und quetschte sie – nein, nicht zwischen seinen Handwerkerpranken zu Tode, wie es eine dunkle Seite in uns mit uneingestandener Angstlust erwartete, sondern zwischen den sich überlappenden Netzbahnen hindurch in die Freiheit.
Dann spannte dieser Segeberger Samariter zwei Drähte vor den 82 Millimeter breiten Spalt und schnarrte zum Abschied ein blechernes „Auf. Wiederr. Sehen.“
Seitdem haben sie es nicht mehr geschafft, auf unseren Balkon vorzudringen. Doch gestern hörte ich es gurren im Halbschlaf, und etwas flatterte und kratzte am Schlafzimmerfenster.
Sie wollen wieder rein, jetzt erst recht.
Und sie sind sauer.
Labels: ms. columbo, st. pauli, tiere, typen, wohnung
12 Comments:
Wunderschön.
Kennen Sie übrigens Sylvain Comets "La vieille dame et les pigeons"?
http://www.youtube.com/watch?v=srODm62kBAw
Diese Tauben sollte man nicht unterschätzen (und alte Damen sowieso nicht).
mw, Sie Zyniker!
Läscher, danke für den Hinweis!
Ich empfehle die Anschaffung einer Katze, Herr Matt. Nachdem der Balkon ja jetzt eh schon gesichert ist.... ;) Sie können sich auch gerne meine ausleihen, die liebt die Taubenjagd.
(Und das mit den Gassen Ottensens, das kenne ich!)
Früher™ hat man den Nachbarskindern ein paar Mark gegeben damit sie mit dem Spatzengewehr anrücken und das Problem beheben. Heute dürfen sich diese Ratten der Lüfte ungehindert verbreiten.
Wir haben hier auch immense Probleme mit den Viechern und es gibt kaum etwas legales das man dagegen tun könnte.
Gibt es bei Ihnen um die Ecke nicht Luftpistolen zu kaufen? Das ist politisch zwar höchstens halb korrekt, aber meine Güte.
Ich bin doch Kriegsdienstverweigerer!
Danke! Dachte schon, ich bin der einzige, der sich in Ottensen ständig verläuft...
Ich darf, kann, nein muss Ihnen ja meine Hochachtung dafür aussprechen, dass sie den Tauben noch eine Überlebenschance gelassen haben. Der damalige Thread war schon prima, dieser schlägt aber alles ;)
Mit feiner Spitze, gut geschrieben!
lg
Voss
Könnten Sie nicht beim nächsten Mal den Franken anrufen? Wenn Sie dem verklickern, Sie hätten Wachteln auf dem Balkon, die könne er haben, wenn er wolle, dann wären die doch ratz fatz weg?! Oder erkennt der Franke trotz seines Hungerwahns den Unterschied zwischen Tauben und Wachteln?
Der Franke erkennt ausschließlich den Unterschied zwischen essbar und nicht essbar; von daher ein guter Vorschlag, danke.
Aehm, wie kann man sich denn in Ottensen verlaufen? Nach 10 Jahren Wohnens direkt am Bahnhof Altona (Präs.-Krahn Strasse, mit der DB-Autoverladung vor der Tür) und kurzem drübernachdenken - das hab ich nicht mal während den merkwürdigsten Geisteszuständen, die diese Zeit so mit sich brachte, jemals geschafft. Aber ok, hat in London auch schon nicht funktioniert... nicht mal mit ohne Google Maps.
Achja, und... http://www.youtube.com/watch?v=OOqsfPrsFRU
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