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24 Februar 2008

Von Halunken und Ikonoklasten

Seit Wochen ist Hamburg gepflastert mit eindringlicher Demokratiepropaganda. „Wirf deine Stimme nicht weg!“ flehen uns Plakate an, „wirf deine Stimme nicht weg!“

Doch erst seit heute weiß ich, wie das wirklich gemeint ist. Denn meine „komplexen Mehrstimmenstimmzettel“ (Landeswahlleiter Willi Beiß) musste ich in einen erstaunlichen Behälter werfen: eine große weiße Mülltonne. Über metaphorische Wechselwirkungen aus „Wirf deine Stimme nicht weg!“-Plakaten und Mülltonne hat Hamburg wohl nicht weiter nachgedacht.

Das war vormittags. Nachmittags besuchte ich das Spiel des FC St. Pauli gegen Greuther Fürth und lernte ein paar neue Beleidigungen kennen, die man bestimmt in Dresden oder Duisburg nie zu hören bekommt.

Als ein Fürther einen St. Paulianer foulte, schrie ein Typ hinter mir zunächst das noch recht konventionelle „Verdammte Tretertruppe!“. Doch der Mann wusste kiezspezifisch nachzulegen.
Bagaluten!“, brüllte er. Und dann Ikonoklasten!“ Ich schwör’s: Er brüllte „Ikonoklasten!“

Ein Bayernfan wüsste wahrscheinlich nicht mal, was das überhaupt heißt. Und auf St. Pauli müsste er sich das als Beleidigung anhören – natürlich ohne sich beleidigt zu fühlen. Heute passierte das aber nur den Fürthern. Auch den Schiedsrichter wusste der Typ hinter mir treffend zu charakterisieren. „Halunke!“, schrie er, „Naziwähler!“

Apropos Wähler: Die „Kabinen“ bestanden heute aus handgeknickten Pappkartons, die man halbwegs stabil auf Tische gestellt hatte. Dahinter herrschte ein demokratiefeindliches Schummerlicht, was das Ausfüllen der komplexen Mehrstimmenstimmzettel zum Glücksspiel machte. Bestimmt nur deshalb verwählte ich mich buchstäblich, und zwar bei den fünf Kreuzchen, die ich für die Bezirksliste abgab.

Trotzdem habe ich meine ganzen Stimmen nicht einfach so weggeworfen. Schließlich landeten sie ja in der großen weißen Mülltonne.


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8 Comments:

Anonymous Hoheluft-Ost said...

Haha .. ich glaube, da hat der Herr Wagner jetzt eine kleine Bildungslücke offenbart. Die Beleidigung „Ikonoklasten“ stammt - wenn ich mich richtig erinnere - aus einem Tim-und-Struppi-Band. Und Käpt'n Haddock hat's natürlich „gesagt“ (--> http://www.jogi.com/schrege-voegel/ts/had_abc.htm). Da sieht man mal wieder, dass man seinen Wortschatz auch mit Comics durchaus bereichern kann ;-)

08:07  
Blogger Matt said...

Mit meinen Bildungslücken könnte man ein eigenes Blog füllen, und zwar für unabsehbare Zeit. Danke jedenfalls für die Aufklärung – was die Originalität der Beleidigung aber nicht schmälert.

08:16  
Anonymous German Psycho said...

Ich hingegen habe meine Stimme weggeworfen. Das muß man mal ganz klar sagen.

11:46  
Blogger ramses101 said...

Das hätte ich Ihnen auch vorher sagen können.

12:43  
Blogger Matt said...

GP, und zwar haben Sie Ihre Stimme weggeworfen für einen Greis, der erheblich weißhaariger ist als der, dem Sie unlängst unwählbares Greisentum unterstellten … ;-)

Ramses, mir ging's genauso. Aber er wollte ja nicht hören.

15:35  
Anonymous dein_koenig said...

Hauptsache demokratische Pflicht erfüllt.

17:05  
Anonymous German psycho said...

was haben sie nur alle gegen Heinz Strunk?

17:14  
Anonymous Olaf said...

Solch eine Tonne haben wir auch im Büro. Allerdings in blau mit einem roten abschließbaren Deckel mit Schlitz - gemacht für geordnete Datenmüllentsorgung.
Na ja - und auf das weitere zum Thema Wahl und danach dürfen wir gespannt sein.

14:51  

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