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28 Oktober 2005

Das Knust

Schon wieder ein Konzert: Teenage Fan Club im Knust. Suse vom Hamburger Lokalfernsehen Tide TV spendiert mir und Volker je einmal Garderobe; das ist uns auch noch nicht passiert. Dafür spendiere ich eine Runde Bier, und Volker auch.

Vor einigen Jahren war das Knust noch an der Brandstwiete zu Hause. Der berühmten Brandstwiete. Denn wenn man draußen vor der Tür stand, sah (und sieht) man die prachtvolle Wucht des Spiegel-Gebäudes, steingewordene Investigation, Lordsiegelbewahrer der Demokratie, Fluch und Schrecken korrupter Regierungen.

Dort, im alten Knust, erlebte ich eins meiner größten Hamburger Desaster. Ich hatte eine Gästelistenzusage fürs Konzert von Townes van Zandt, heiliger Suffkopp der Songwriter, tragischster aller Tragöden, fleischgewordener Galgenhumor. Townes war unglaublich sanftmütig, trug aber einen Schmerz mit sich herum, den man kaum ertragen konnte. Er am allerwenigsten, und deshalb trank er und trank und trank. Es war klar, dass der Mann weniger Chancen auf ein langes Leben haben würde als der Rest von uns.


Ich hatte also eine Gästelistenzusage fürs Townes-Konzert im Knust, es sollte mein drittes werden. Beim ersten hatte ich mich in der Pause schüchtern und keck in seine Garderobe geschlichen, das war in Marburg vor Äonen, ich hatte all meine Townes-Platten unterm Arm und einen wasserfesten schwarzen Edding dabei, und er lächelte auf diese dumpfe, selbstvergessene Weise, wie Betrunkene es tun, nahm den Edding und krakelte mir auf jede Platte einen Kaktus, der einsam an einem endlos sich schlängelnden Wüsten-Highway steht. Schätze meines Archivs!


Im Knust also Konzert Nummer drei. Ich stehe erwartungsfroh an der Kasse, doch man findet mich trotz vorheriger telefonischer Zusage nicht auf der Gästeliste. Ich bin konsterniert, argumentiere, diskutiere, man bleibt unnachgiebig, ich werde sauer, gar störrisch, der Kassenwart genauso, keiner will mehr sein Gesicht verlieren, und ich ziehe schließlich ab, kochend.

Townes spielt sein Konzert im Knust ohne mich. Sechs Wochen später ist er tot.

Im Monat darauf war ich der unglücklichste von rund 50 Fans, die sich im Knust versammelt hatten, um noch einen auf ihn zu trinken (ein sarkastisches Ritual, ich weiß), und man legte den Videomitschnitt jenes Abends auf, den ich verschenkt hatte aus Arroganz und kleinlicher Eitelkeit. „Nobody’s fault but mine“, singt David Bromberg. Er hat Recht.


Das ist lange her, aber unvergessen. Eine Wunde, die sich nicht schließen will, und die auch heute Abend wieder schmerzte – einfach, weil ich im Knust war, auch wenn es inzwischen umgezogen ist nach St. Pauli und im Foyer besänftigende weiße Leuchtkugeln von der Decke hängen. Weiße Leuchtkugeln sind meine Lieblingslampen, mit Abstand.


Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Out of the blue“ von The Band, „Chelsea burns“ von Keren Ann und „Sleeping is the only love“ von The Silver Jews.

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